Ach du lieber Augustin! - oder: Wenn man so dumm ist, dass einen (nicht mal mehr) die Schweine(hirten) beissen!

„Ach du lieber Augustin, Augustin... „ Schneewittchen hielt sich entnervt die Ohren zu. Seit 3 Wochen war ihre Cousine jetzt zu Besuch – und von morgens bis abends jaulte sie dieses dämliche Lied! Nicht auszuhalten!

„...alles ist hin, hin, hin“ Jetzt reichte es!!!! Schneewittchen stürmte über den Flur zum Gästezimmer, riss die Tür auf und brüllte: „DU MACHST MICH WAAAAAHNSINNIG!!!! HALT ENDLICH DIE KLAPPE!!!! NOCH EIN TON UND DU FLIEGST RAUS, ABER ACHTKANTIG!!“ Erschrocken hielt ihre Cousine inne und starrte sie mit offenem Mund ganz entsetzt an. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Schneewittchen verdrehte die Augen. Auch das noch! Wenn die blöde Tussi nicht sang, dann heulte sie. Wenn das noch lange so weiterging, dann würde Schneewittchen tatsächlich mal ins Pflegeheim zu ihrer Stiefmutter fahren und ein paar Äpfel von der ganz speziellen Sorte mitbringen. Echt! Diese Hulda (sie hieß tatsächlich so!) konnte den sanftmütigsten Menschen zum Amokläufer mutieren lassen.

Dabei war sie doch selbst schuld an ihrem Elend. Wäre sie nicht so hochnäsig gewesen, dann säße sie jetzt mit dem netten jungen König in seinem kleinen Reich und könnte es sich gut gehen lassen. Aber Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz, sagte man ja. Wobei die Dummheit bei ihr besonders ausgeprägt war! Ein König war ihr nicht gut genug! Und erst Recht keiner, der nur ein winzig kleines Reich besaß. Schließlich war sie ja eine Kaisertochter.

Jau! Darauf konnte sie sich auch etwas einbilden. Dass ihr Vater nach jahrelangem Drogenkonsum zwangsweise eingewiesen worden war, das verschwieg sie wohlweislich. So viel Schnee, wie der sich durch die Nase gezogen hatte, konnte nicht mal Martha Holle in ihren besten Zeiten aus den Kissen geschüttelt haben. Das hatte Schneewittchen von Goldmariechen erfahren, die den Skandal hautnah miterlebt hatte. Hautnah! Im wahrsten Sinne des Wortes! Splitterfasernackt eine Parade abzunehmen – dazu musste man schon vollgekokst sein bis zum Stehkragen.

Tja, hätte Hulda das vorher gewusst, hätte sie sich vielleicht doch anders entschieden. Der junge König hatte sich nämlich ernsthaft um sie bemüht. Mag der Deibel wissen, was er an ihr gefressen hatte. Gut, sie sah ja ganz nett aus. Aber doof wie Bohnenstroh! Nun ja... man weiß ja, warum Männer lieber hübsche als kluge Frauen haben. Sie können eben besser gucken, als denken. Wie auch immer – er machte ihr jedenfalls die schönsten Geschenke. Ein Rose zum Beispiel, die er extra gezüchtet hatte. Blühte nur alle 5 Jahre und war deshalb besonders wertvoll. Aber diese dumme Trine wusste das nicht zu schätzen. War ja keine künstliche Rose! Genau, wie die Nachtigall, die er ihr ein paar Tage später schickte. Die ließ sie einfach fliegen, so dass die Katze sie erwischte.

In diesem Moment setzte dann das Denkvermögen des jungen Königs wieder ein. Sein Verstand wanderte von der Hose, in die er vorübergehend gerutscht war, wieder in den ursprünglich dafür vorgesehen Körperteil zurück. Und dort schrie er nur noch: „RACHE!“ Ein Plan war auch schnell gefasst. Auf dem Schloss des Kaisers wurde gerade ein Schweinehirt gesucht und er bewarb sich um diese Stelle. Konnte auch gleich anfangen, weil kein anderer auf den Job scharf gewesen war. Wen wundert's? Da er den Musikgeschmack der Tussi kannte (was auch nicht weiter schwierig war, sie kannte nur das Lied vom „Lieben Augustin“, bastelte er einen Topf, der dieses Lied spielte, sobald das Essen kochte. Den wollte sie unbedingt haben. „Okay,“ meinte er „ für ne ordentliche Knutscherei und ein bisschen Fummeln kann sie ihn kriegen.“ Erst zierte sie sich, aber dann ließ sie sich doch darauf ein.

Schneewittchen grinste, wenn sie sich das vorstellte. Diese Zicke, sonst so etepetete - und jetzt fummelt die mit diesem stinkenden Schweinehirten. Für einen Kochpott! Wie blöd kann man eigentlich sein? Vor allem bei dem Gedanken wie die Story weiterging, musste Schneewittchen sich das Lachen verbeißen. Der olle Schwede (ach nee, war ja ein Däne), der später mal darüber berichtet hatte, erzählte ja nur von Küssen. Ja klar! Nur Küsse! Damit konnte man nicht mal mehr im Märchenland, was reißen. Da musste man schon richtigen Körpereinsatz zeigen. Und genau das tat Hulda. Ein paar Tage später hatte der Schweinehirt nämlich so ne Art Musik-Box gebastelt, die sämtliche Hits des Märchenlandes dudelte. Die wollte die dumme Ische natürlich auch haben. „Fragt ihn mal, was er dafür verlangt!“ beauftragte sie ihre Zofen. Die zogen ab und kamen nach kurzer Zeit wieder. Total außer sich! „Der will.... der willl....!“ Vor lauter Aufregung brachten sie das entscheidende Wort nicht raus. Aber Hulda war ja nicht aus Dummsdorf. Die wusste schon, was er wollte. Erst wollte sie ja empört ablehnen, aber dann dachte sie: Warum eigentlich nicht? Geht bestimmt schnell. Außerdem sah man das in Skandinavien eh nicht so eng!

Also gab sie ihren Zofen den Auftrag, vor seiner Hütte Schmiere zu stehen. Und ab ging die Post! Hey.. der Typ war gar nicht mal so schlecht. Die Sache begann ihr Spaß zu machen. Das war ein Gejuchze, Gestöhne und Gekreische, dass die Zofen neugierig wurden und sich um die Fenster drängelten, um einen Blick auf das Geschehen zu werfen. Dumm war nur, dass der Kaiser justament in diesem Augenblick aus seinem Fenster schaute. Natürlich wunderte er sich über den Auflauf im Hof. Warum nur drängelten sich die ganzen Weiber um die Hütte des Schweinehirten? Da musste er doch mal nach dem Rechten sehen! Gesagt – getan!

Er nichts wie runter, die Zofen an die Seite geschubst und in die Hütte gestürmt! Oh oh! So was nennt man einen klassischen Fall von Coitus Interruptus! Als er seine Tochter Hulda in kompromittierender Stellung (im wahrsten Sinne des Wortes) mit dem Schweinehirten erwischte, flippte er aus! Aber so was von! Sogar Rumpelstilzchen wäre bei dem Wutanfall vor Neid erblasst. „Schert euch weg hier! In fünf Minuten will ich keinen von euch hier mehr sehen, sonst raucht’s! So eine Schweinerei! Wo sind wir denn hier? Hab ich dich so erzogen????!!?? Du bist die längste Zeit meine Tochter gewesen! RAUS, ABER DALLI!!!“

Erschrocken raffte Hulda ihre Klamotten zusammen und sah zu, dass sie das Weite nicht nur suchte, sondern auch fand! Der Schweinehirt hingegen zog sich gemütlich an, packte in aller Ruhe sein Bündel, sagte freundlich ‚Auf Nimmerwiedersehen’ und verließ die gastliche Stätte. Fröhlich vor sich hinpfeifend. Das brachte wiederum den Kaiser erneut so in Rage, dass er sich unbedingt erst mal ein Näschen voll genehmigen musste! Zur Beruhigung quasi! Immerhin war morgen die Parade, da musste er fit sein. (Nun, wir wissen ja, was daraus wurde!)

Währenddessen wartete Hulda vor dem Kaiserpalast heulend auf den Schweinhirten. „Und was mach ich nun?“ schluchzte sie, als er endlich ankam. „Woher soll ich das wissen?“ fragte er zurück. „Und ehrlich gesagt, geht mir das auch am Arsch vorbei! Aber wart mal 'nen Moment, ich muss dir noch was zeigen.“ Mit diesen Worten verschwand er hinter einem Gebüsch, wo er sich die braune Pampe aus dem Gesicht wischte und seine königliche Kleidung anzog. So verändert trat er dann wieder hervor. Hulda kriegte den Mund nicht mehr zu, als sie ihn erkannte. Dann schluckte sie kräftig und strahlte ihn an. „Ach, mein König! Ich wusste doch die ganze Zeit, dass du das warst. Wann heiraten wir denn nun?“

Der junge König kriegte sich vor Lachen gar nicht mehr ein. „Heiraten? Wir? Und wovon träumst du nachts? Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass ich so ne Niete wie dich zur Frau nehme? Machst mit jedem rum.. so was brauch ich nicht! Nee, danke! Da find ich aber noch was Besseres!“ Sprach’s, drehte sich um und ließ sie einfach stehen, so dass sie nur noch das sprichwörtliche Nachsehen hatte!

Tja, da stand Hulda nun! Kein Mann, kein Geld, kein gar nix! Irgendwie gelang es ihr dann, sich ins deutsche Märchenreich, zu ihrer Cousine Schneewittchen, durchzuschlagen. War eine sehr beschwerliche Reise gewesen. Aber eines Tages war es dann geschafft. Ziemlich abgerissen und erschöpft stand sie vor Schneewittchens Tür. „Hallo, Cousinchen! Hier bin ich! Freust du dich?“

Oh ja!! Schneewittchen freute sich ein Loch in den Bauch! Ausgerechnet bei ihr musste diese hohle Fritte aufschlagen. Womit hatte sie das nur verdient? Und den ganzen Tag dieses Gejaule! Da konnte man glatt das Saufen anfangen – wenn man es nicht schon täte! Noch ein paar Tage „Ach, du lieber Augustin“ und sie wäre reif für eine Therapie bei Dr. Allwissend. Oder eine Mörderin! Wahrscheinlich beides!

Schneewittchen seufzte schwer. Wenn sie nur wüsste, wie sie die wieder loswerden könnte. Moment! Da waren doch noch die sieben Zwerge, die dringend jemanden für ihren Haushalt suchten. Na ja- und bis auf einen – auch noch für was Anderes. Das wäre doch was für Hulda, oder? Kochen und Putzen würden die Zwerge ihr beibringen.

Und das Andere - na, das konnte sie ja schon!

© Siglinde Goertz

Autor:

Siglinde Goertz aus Uedem

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