Der Heimat- und Verkehrverein Uedem recherchierte die Geschichte eines jüdischen Mitbürgers und seiner Familie im Dritten Reich bis zu deren Tod im KZ
Das Schicksal von Alex Devries

 Portät Alexander Devries. Foto: HVV Uedem
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UEDEM. Seit 1750 lebte die Familie Devries in Uedem. Metzger Moses Devries hatte mit Alex (22. Juni 1991), Max, Hermann und Arthur vier Söhne - Arthur fiel im ersten Weltkrieg an der Front, Alex erhielt als Soldat die Auszeichnung Ehrenkreuz für Frontkämpfer. Nach dem Tod seines Vaters übernahm er die Metzgerei und heiratete 1921 Selma Frank. Mit den Töchtern Hilde (1. August 1923) und Ruth (22. März 1926) hatte er zwei Töchter. Er wurde Chef der jüdischen Gemeinde in Uedem.

Durch die Machtergreifung der NSDAP im Jahre 1933 verschlechterte sich die Lage für Juden in Uedem. 1935 musste er aus der freiwilligen Feuerwehr austreten.

Nach der Reichspogromnach
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Alex Devries wohnte in der Lohstraße. Wilhelm Thomas (aus: Geschichte der Evangelischen Kirchengemeinde Uedem von 1550 bis 1950) erinnerte sich: „Sein letzter Geselle war Erich Mainka. Dieser nahm mit ausdrücklichen Willen seines Meisters und Lehrherren an den Heimatabenden der Uedemer Hitlerjugend teil. Der letzte Lehrer der evangelischen Volksschule in Uedem war aber auch ein überzeugter Nationalsozialist. Wenn er sah, dass Erich Mainka mit dem Fahrrad in Richtung Keppeln fuhr, um die Fleischbestellungen auszuliefern, so schickte er einen seiner Schüler mit dem Fahrrad hinterher, um den „Kunden“ des jüdischen Metzgers zu erfahren. Dass er dadurch seine Schüler zu „Spitzeln“ missbrauchte, schien ihm nicht einzuleuchten.“

Am Tag nach dem Novemberpogrom vom 9. November 1938, wüteten die SS-Truppen in Zivil auch in Uedem. Auch das Geschäft von Alex Devries wurde total zerstört. Alex Devries wurde in sogenannte Schutzhaft genommen und sperrte ihn in das Klever Gefängnis. Von dort deportierte man ihn in das KZ nach Dachau. Dort wurde er ab dem 17. November 1938 als Häftling Nr. 29942 (Konzentrationslager 3 K, Block 21, Stube 4) geführt.

Am gleichen Tag kamen auch vier Gocher im KZ Dachau an, Friedrich Bruckmann, Otto Hertz, Otto Stern und Walter Valk. Am 8. Dezember 1938 schrieb die Beratungsstelle des Hilfsvereins der Juden in Deutschland für die Rheinprovinz an die Geheime Staatspolizei in Kleve: „Wie aus anliegender Bescheinigung des Reisebüros ersichtlich, ist für Alex Devries auf dem Dampfer „Boskop“ am 16. Februar 1939 nach Peru gebucht. Ferner überreichen wir Ihnen die Fotokopie eines Schreibens des Konsulats von Paris in Peru, woraus ersichtlich ist, dass das Visum für Peru erteilt werden kann, wenn der gültige Reisepass, das Führungszeugnis, das ärztliche Attest, Schiffskarte und fünf Fotos vorliegen.“

Alex Devries wurde am 22. Dezember 1938 aus dem KZ Dachau entlassen. Tags darauf kehrte er mit kahlgeschorenem Schädel wieder zurück und meldete sich bei der Uedemer Ortspolizei an.
Warum es zu der Ausreise am 19. Februar 1939 nach Peru nicht gekommen ist, kann aus den Unterlagen nicht entnommen werden.

Das Gerichtsverfahren

Am 21. Februar 1940 rückten die Truppen der 256. Division in den Kreis Kleve ein. Im Schlachthaus der Devries`chen Metzgerei befand sich die Feldküche. Der Koch dieser Feldküche nahm es mit der Ehrlichkeit nicht allzu genau. Von der ihm zugeteilten Wehrmachtsverpflegung schickte er verbotenerweise mehrmals Konservendosen mit Wurst und Fleisch zu seinen Angehörigen. Dabei verwendete er als Absender nicht seinen eigenen Namen, sondern Name und Adresse des jüdischen Metzgermeisters Alex Devries, ohne diesen von dem Namensmissbrauch zu unterrichten. Dem zuständigen Leiter des Uedemer Postamtes fielen diese Päckchen mit dem Absender „Alex Devries“ auf. Er ahnte Böses, glaubte an das Verschicken von Wehrmachtseigentum und informierte die örtliche Partei.

Diese veranlasste alsdann die Untersuchung der Päckchen durch die „geheime Staatspolizei“ – Gestapo – und schon kam der Diebstahl ans Tageslicht. Obwohl Alex Devries seine Unschuld immer wieder beteuerte, hatte man ihn doch festgenommen und weggeschafft.

Verhandlung über Linsen und Graupen

Am 24. April 1940 fand in Uedem die Verhandlung vor dem Feldgericht statt. Dort war Alex Devries angeklagt, dreißig Pfund weiße Bohnen, 17 Pfund Graupen, zwei Pfund Linsen und eine 2-Pfund Dose Büchsenfleisch nicht abgeliefert zu haben. Devries wurde zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt. Er saß diese im Klever Gefängnis ab.

Am 1. Juni 1940 schreibt die Geheime Staatspolizei, Kommissariat Kleve, an den Vorsteher des Gerichtsgefängnisses in Kleve, dass der Jude Alex Israel Devries nach Strafverbüßung dort bleibt. Am 10. Juni 1940 wurde die Geheime Staatspolizei in Düsseldorf zur weiteren Entscheidung angeschrieben. Am 11. Juni 1940 stellte der Amtsarzt die Transportfähigkeit von Alex Devries fest.
Des Weiteren wurde eine leichte Herzvergrößerung und Krampfadern diagnostiziert. Von Düsseldorf geht die Anfrage zur Schutzhaft am 17. Juni 1940 an das Reichsicherheitshauptamt in Berlin. Dort wird angeführt, dass zu befürchten steht, dass Devries seine Freiheit zu neuen Straftaten missbrauchen wird.

Im Falle der Freilassung staatfeindlich

Das Reichssicherheitshauptamt entschied Ende Juni 1940, dass der Jude Alex Devries bis auf Weiteres in Schutzhaft bleibe, da er „… zu der Befürchtung Anlass gibt, er werde sich im Falle der Freilassung weiterhin staatsfeindlich verhalten.“

Am 20. Juli 1940 erfolgte der Abtransport nach KZ Sachsenhausen. Die Gestapo Düsseldorf erhielt vom KZ Sachsenhausen die Bestätigung, dass der überwiesene Schutzhäftling Devries Alex Israel am 24. Juli eingetroffen war.

Am 11. September 1940 entschied die Gestapo Düsseldorf dann, die Schutzhaft um weitere drei Monate zu verlängern.

Häftlingsnummer 18533 in Dachau

Am 12. September 1940 schrieb die Kommandantur des KZ Sachsenhausen – Oranienburg – an die Gestapo Düsseldorf, dass auf Anordnung des Inspekteurs der Konzentrationslager am 5. September 1940 der Schutzhäftling Alex Devries nach dem Konzentrationslager Dachau überstellt wurde. Dort erhielt er die Häftlingsnummer 18533.

Die Gedenkstätte Dachau schreibt in ihrer Chronik: „Es gab nahezu täglich Transporte von Häftlingen von einem KZ in das nächste. Zusammen mit Devries wurden am 6. September 1940 etwa 1000 weitere Häftlinge von Sachsenhausen nach Dachau gebracht. Da viele von diesen bald danach starben, gehen wir davon aus, dass es sich um einen Abschiebetransport von nicht mehr für den schweren Arbeitseinsatz brauchbaren Häftlingen handelte. Es gibt aber keine Dokumente dazu.“

Weitere Verlängerung der Schutzhaft

Mit Verfügung vom 14. Dezember 1940 teilte die Gestapo Düsseldorf mit, dass das Grenzkommissariat Kleve Selma Sara Devries mündlich informieren soll, dass eine Entlassung zum Zwecke der Auswanderung aus grundsätzlichen Erwägungen zur Zeit nicht entsprochen werden kann. Des Weiteren wurde festgehalten, dass die Schutzhaft gegen Devries in eigener Zuständigkeit um weitere drei Monate verlängert wird. Selma Devries bat ihren Vetter Moses Max Israel Goldstein um Mithilfe.

Brief von Selma Devries nach Berlin

Am 17. Januar 1941 schrieb Selma Sara Devries an das Reichssicherheitshauptamt in Berlin, ob ihr Mann bei sichergestellter Auswanderung entlassen werden könne, und bekam die Antwort, dass dies zunächst länderrechtlich geregelt sein müsse, er dann aber entlassen werden könne. Im Schreiben heißt es dazu weiter: "Diese Unterredung habe ich der Auswanderungsberatungsstelle beim Palästina-Amt in Berlin, durch meinen Vetter Goldstein, mitteilen lassen und auch gleichzeitig um Vormerkung für den nächsten Sondertransport gebeten (...) Da nun die Möglichkeit besteht, dass mein Mann und anschließend dann auch wir (zwei Kinder & ich) nach Palästina auswandern können, bitte ich Sie ergebenst, der Entlassung meines Mannes aus der Schutzhaft (...) stattzugeben.“

„Tod des Juden Devries"

Über den Antrag war noch nicht entschieden, als aus Dachau am 5. Februar 1941 bei der Gestapo Düsseldorf folgendes Telegramm einging:

„Tod des Schutzhäftlings Juden Devries Alexander, geb. 22 Juni 1891 zu Uedem, Kreis Kleve, Gefangen-Nr. 18533. Schutzhäftling Jude Devries, Alexander, am 5. Februar 1941 gegen 3.20 Uhr im Gefangenenrevier an Versagen von Herz und Kreislauf bei Darmkatarrh und Oedemen gestorben. Angehörige telegraphisch vom Ableben in Kenntnis gesetzt. Der Lagerkommandant KLD. Gez. Piorkowski SS-Sturmbannführer“

15 Reichsmark für eine Urne

Selma Devries erhielt hierzu eine Karte sowie den Vermerk, 15 Reichsmark zuzuschicken, falls die Familie die Urne haben wolle.

Alex Devries wurde auf dem Gocher Friedhof an der Kalkarer Straße bestattet.

Das Schicksal ihres Mannes ereilte Selma Devries sowie ihre Töchter Hilde und Ruth. Sie wurden am 10. Dezember 1941 mit dem Zug in das Konzentrationslager Riga/Lettland abtransportiert. Im August 1944 kamen sie zum KZ Stutthoff bei Danzig, wo sie später starben.

Autor:

Lokalkompass Goch aus Goch

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