Bochumer Spielplätze verkommen immer mehr – Die Ursachen

Sperrung Spielgeräte, Liboriusschule wegen fehlender Holzhackschnipsel
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Auf dem Schulhof der Feldsieper Schule ist das Spielgerüst seit Monaten mal wieder abgesperrt, weil das Geld für eine Reparatur fehlt. An der Liboriusschule sind die Spielgeräte seit über zwei Wochen abgesperrt, weil die Stadt aktuell kein Geld hat die erforderlichen Holzhackschnipsel zur Erneuerung des Fallschutzes zu kaufen.

Leider keine Einzelfälle. Rund 800 Spielplätze haben Bochum und Wattenscheid. Nicht wenige sind in einem schlechten, manche in einem herunter gekommenen Zustand. Eine Blamage für eine Stadt, die sich selbst gerne als familienfreundlich darstellt.

Die Stadt selbst führt dazu aus: „Die Sozialraumkonferenzen beklagen immer wieder einen Mangel an Nutzungs- und Aufenthaltsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche im öffentlichen Raum. Vor dem Hintergrund knapper werdender Mittel wird es immer schwieriger, die vorhandenen Kinderspielplätze, Bolzplätze, Skateanlagen, Streetballanlagen, Jugendtreffs, etc. aufrecht zu erhalten. Bestehende Anlagen verkommen und neue können nicht mehr gebaut werden.“ (Mitteilung der Verwaltung 20120399).

Was ist die Ursache für diese untragbaren Zustände?

Die Stadt hat kein Geld mehr, sie lebt seit Jahrzehnten auf Pump. Nie hat man genug Geld in den Haushalt eingestellt, um die notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen für die Spielplätze durchführen zu können. Andere Projekte waren offenbar immer wichtiger. Der Sanierungsstau wuchs von Jahr zu Jahr.

Knapp 530.000 Euro investiert die Stadt jedes Jahr in die in 800 Spielplätze (WAZ vom 04.03.15). Das sind 662 Euro pro Spielplatz. Das reicht niemals für eine ordnungsgemäße Instandhaltung aus. Und 2014 wurde selbst dieses Geld aufgrund der Haushaltssperre nicht ausgezahlt. Zudem sieht das Konsolidierungskonzept der Stadt aus dem Jahr 2012 vor, dass die Mittel zur Bereitstellung von Kinderspielplätzen in den Jahren 2017-2019 jährlich um 125.000 Euro ab 2020 jährlich um 250.000 Euro reduziert werden sollen (Mitteilung der Verwaltung 20120399). Weiterhin sollen 13 Spielplätze ganz oder teilweise zurückgebaut werden.

Aber das mangelnde Geld ist nicht der einzige Grund für den desolaten Zustand der Spielplätze. Ein wesentlicher Grund ist auch die desolate Organisation der Verwaltung.

Seit 2011 ist das Budget für öffentliche Grünanlagen, dazu zählen auch die Spielplätze, in Bochum und Wattenscheid von 16,8 auf 18,6 Mio. gestiegen. Gleichzeitig wurden aber die Leistungen immer weiter eingeschränkt. Zugleich die Zahl der Planstellen hat bis 2012 nicht abgenommen. 2013 wurde dann eine Stelle gekürzt, erst 2014 und 2015 werden weitere 3,67 Stellen eingespart.

Zumindest bis 2013 konnte also die mangelnde Instandhaltung der Grünflächen und Spielplätze, anders als von der Verwaltung behauptet, nicht in fehlenden Mitarbeitern die Ursache haben.

Trotz leicht sinkender Mitarbeiterzahlen steigen die Kosten für das Personal dazu noch deutlich an, von 1,58 Mio. 2011 auf 1,67 Mio. 2015. Bei sich immer weiter verschlechternden Leistungen, aber steigenden (Personal-)kosten, fragen sich die Bürger, wofür sind die städtischen Ämter eigentlich da? Um die Mitarbeiter zu versorgen oder um gegenüber den Bürgern die versprochenen Dienstleistungen zu erbringen? Es wird bei den Spielplätzen immer weniger gemacht, aber das Wenige kostet immer mehr.

Bürokratischer Unsinn statt produktive Instandhaltung

Ein nicht unerheblicher Teil des Problems wird nicht durch fehlendes Geld oder angeblichen Personalmangel, sondern durch Planlosigkeit verursacht. Die Mitarbeiter sind mehr damit beschäftigt marode Spielgeräte mit Bauzäunen abzusperren oder Absperrband zu ziehen, das Spielbereiche für Kinder unzugänglich machen soll, anstatt Spielgeräte zu reparieren oder zu erneuern.

Die Arbeitszeit fließt nicht in produktive Instandhaltung, sondern in bürokratischen Unsinn:

Traurige Berühmtheit erlangt hat in diesem Zusammenhang der Spieldrache der Initiative „Bochum und Wattenscheid ändern mit Herz“, den diese der Stadt schenken will. Dafür hatte die Initiative 11.300 Euro bei den Stadtwerken eingeworben.

Bis der Drache nun ab dem 07.04. von engagierten Bürger und vier Schulklassen unter Anleitung eines Künstlers aufgebaut werden kann, musste eine schier unglaubliche Menge an bürokratischen Hürden überwunden werden.

Zunächst fand sich angeblich kein Platz (lokalkompass vom 11.03.14). In einer aufwendigen Besichtung möglicher Standorte mit dem Stadtbaurat wurde aber dann doch noch der Appolonia-Pfaus-Park als dauerhafte Heimstätte des Spieldrachens auserkoren (lokalkompass vom 21.07.14). Nun hätte man meinen können die Stadt beschließt den Bau und los geht es. Doch weit gefehlt.

Zunächst ließ die Stadt für teures Geld von den stadteigenen Juristen einen speziellen Gestattungsvertrag aufsetzen, mit dem sich die Stifter des Drachens verpflichten sollten, alle ggf. erforderlichen Reparaturen am Drachen zu übernehmen und dafür den Künstler auf eigene Kosten zu beauftragen. Auch sollten die Stifter auf eigene Kosten ein TÜV-Gutachten zur Sicherheit des Betondrachens erstellen lassen.

Dass Schenkende, wie etwa Fördervereine von Schulen, rechtlich verpflichtet werden sollen für die Instandhaltung der von ihnen geschenkten Spielgeräte aufzukommen, wäre auch für die Stadt Bochum ein Novum gewesen. Auch bei Schenkungen, wie sie z.B. beim Musikzentrum erfolgt sind, wurden den Schenkenden bisher keine Folgekosten aufgebürdet. Nach einigem hin und her ließ die Stadt daher auch von diesem Ansinnen ab. Zumal die Initiative immer versichert hatte, auf freiwilliger Basis alles in ihren Möglichkeiten stehende zu tun, um den Drachen Instand zu halten.

Doch wer schenkt der Stadt noch etwas, wenn diese über die Schenkung hinaus den Schenkenden noch weitere rechtliche und finanzielle Verpflichtungen aufbürden will? Ein solches Vorgehen ist einzig geeignet jedes private, bürgerliche Engagement für die Stadt sicher zu verhindern.

In jedem Fall hat das bürokratische Gezerre um den Gestattungsvertrag wieder einige Stunden Arbeitszeit der städtischen Mitarbeiter gekostet, die an anderer Stelle deutlich sinnvoller hätten eingesetzt werden können.

Die Stadt beschäftigt Mitarbeiter, die speziell dafür ausgebildet sind jedes Jahr die Spielgeräte abzunehmen und deren Sicherheit anhand der gültigen Sicherheitsnormen zu kontrollieren. Also sollten diese doch ebenfalls in der Lage sein, den Spieldrachen auf seine Sicherheit hin zu überprüfen. Entsprechend hat der Künstler bereits rund 40 ähnliche Drachen auf Schulhöfen und öffentlichen Plätzen gebaut, ein TÜV-Gutachten wollte noch keine andere Stadt. Bochum schon. Wieder entstehen zusätzliche und unnötige Kosten. Eine rechtliche Grundlage zur Forderung eines TÜV-Gutachtens ist nicht ersichtlich. Der Bürger fragt sich, wofür werden die städtische Mitarbeiter bezahlt und geschult, wenn sie sich dann nicht in der Lage sehen, die Spielgeräte abzunehmen, wie es ihr Job eigentlich vorsieht? Jeder Mitarbeiter wird auch dafür bezahlt Verantwortung zu übernehmen. In der Verwaltung schiebt man die Verantwortung aber gerne auf teure Gutachter ab. Der Bürger zahlt.

Aber es kommt noch dicker: Der Appolonia-Pfaus-Park wurde insbesondere deswegen von der Stadt vorgeschlagen, weil auf anderen Plätzen wie dem Husemann-Platz, damit zu rechnen ist, dass der Drache aufgrund von absehbaren Umbaumaßnahmen nach wenigen Jahren hätte umgesetzt werden müssen. Mitte März stellt sich nach mehrjährigen städtischen Planungen plötzlich heraus, dass dort, wo der Drache im Park aufgebaut werden soll, ab 2017 das neue Bildungs- und Verwaltungszentrum hochgezogen werden könnte. Nach 2-3 Jahren müsste der Drache also auch hier umziehen.

Das ist aber, wenn das 5 m lange Kunstwerk nicht gleich auf ein Transportfundament gebaut wird, nur mit erheblichem Kostenaufwand möglich. Mehrfach hatte der Künstler bereits bei den Vorbesprechungen bei der Verwaltung nachgefragt, ob diese nicht, wie Bauhöfe anderer Städte auch, vor der Errichtung des Drachens ein Transportfundament herstellen wollten. Die Stadt Bochum lehnte ab. Nicht erforderlich. Wenn der 5m lange Drache versetzt werden muss, was sehr wahrscheinlich ist, wird es für die Stadt richtig teuer.

Wieso erst auf Nachfrage überhaupt das Umsetzungsproblem bei der Stadt erkannt wurde, bleibt rätselhaft, führte jedoch zu weiteren unproduktiven Arbeitsstunden, die die städtischen Mitarbeiter damit verbrachten doch noch auf die Schnelle eine Lösung für das Problem zu finden. Der Künstler fertigte einen Fundamentplan an. Der technische Betrieb wurde angefragt, ob er das Transportfundament bauen könnte. Dieser hätte sich auch bereit erklärt, das Fundament durch die städtischen Auszubildenden zum Materialpreis zu bauen. Doch er wurde zu spät angefragt. Der Plan, doch noch ein Transportfundament zu bauen, wurde in der Verwaltung ämterübergreifend besprochen, bewertet und dann wegen mangelnder Bauzeit doch verworfen.

Bleibt anzumerken, dass die Stadt es abgelehnt hat, für den Bau des Drachens hinter dem Rathaus einen Wasser- und Elektroanschluss oder Bauzäune zur Verfügung zu stellen. Man habe dafür weder Mitarbeiter noch Geld. Das ist nachvollziehbar, wenn die Mitarbeiter mehr mit unnötiger Bürokratie beschäftigt sind als mit den notwendigen Aufgaben. So fließt das Steuergeld der Bochumer und Wattenscheider Bürger in Stunden von unnützen Planungen und Besprechungen, die mit dem Ergebnis enden, dass man nichts mehr tun kann, weil man nicht rechtzeitig damit begonnen hat.

Planlos, zu spät und häufig sinnfrei

Dieses Beispiel ist symptomatisch. Die Verwaltung handelt planlos, zu spät und häufig sinnfrei. Das kostet viel Geld, welches dann für die eigentlich wichtigen Dinge, wie die Instandhaltung der Spielplätze, fehlt. Die Verwaltungsmitarbeiter selbst sind von diesen Zuständen genervt und werden dadurch entsprechend demotiviert.

Wann endlich wird die Verwaltung die Spielplätze rechtzeitig sanieren? Und zwar vor dem Zeitpunkt, an dem diese für unnötiges Geld und überflüssigen Zeitaufwand für Wochen und Monate abgesperrt werden müssen, bis endlich die längst überfälligen Arbeiten beauftragt, organisiert und vorgenommen werden können.

Jeder abgesperrte Spielplatz und jedes eingezäunte Spielgerät zeigt, dass die Verwaltung mal wieder zu spät gehandelt hat. Das kostet nicht nur mehr, die Spielplätze und -geräte können dazu noch über Wochen oder sogar Monate von den Kindern nicht genutzt werden.

Es wird höchste Zeit, dass die Verwaltung ihr Handeln so umorganisiert, dass das nicht mehr vorkommt.

Und der Spieldrache kommt doch

Letztlich sei lobend erwähnt, dass die Stadtwerke sich schließlich bereit erklärten haben für TÜV-Gutachten, Wasser- und Elektroanschluss und Bauzäune zu sorgen. Ohne diese Hilfe wäre die Erstellung des Spieldrachens ab dem 07.04. kaum möglich gewesen.

So kann jeder, der möchte, ab dem 07.04.2015 jeweils von 09 bis 17 Uhr bei der Erstellung des Drachens auf dem Appolonia-Pfaus-Park mithelfen. Die Erstellung des Drachens dauert etwa 3 Wochen. Am 07.04.2015 soll, sofern vorhanden, ein Spaten oder eine Schaufel mitgebracht werden.

Weiter Informationen zum Spieldrachen-Projekt: http://bochum-drache.de

Volker Steude
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos

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Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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