Hinterzimmerpolitik in Bochum und Wattenscheid beenden

Bürgerbeteiligung, heißt nicht nur wählen dürfen. | Foto: BILD-BY, Wikipedia
  • Bürgerbeteiligung, heißt nicht nur wählen dürfen.
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Seit Jahrzehnten erstarrt unsere Stadt im selben Filz und Klüngel. Alles entscheiden seit Jahren die im Wesentlichen gleichen Leute in der Stadt, ohne dass sich eine positive Entwicklung abzeichnet. Die eigentliche Politik wird in Hinterzimmern gemacht. Die Abstimmungen im Rat erfolgen nur noch pro forma.

Verwaltung und Politik werden in Bochum und Wattenscheid seit jeher von derselben Partei dominiert. Fast alle wichtigen Handelnden in den entsprechenden Institutionen haben dasselbe Parteibuch. Die Verwaltung stimmt ihre Vorlagen im Vorfeld mit der Parteispitze in der Stadt ab, die herrschende Ratsfraktion winkt sie dann durch, wahlweise mit Grüner oder CDU-Unterstützung. Dabei kommt es auch schon mal vor, dass ein Mitarbeiter aus der Verwaltung dem Genossen im Rat die Rede schreibt (WAZ vom 18.07.11). Echte Konsequenzen muss man dafür nicht befürchten. Im Gegenteil, entsprechend verdiente, parteitreue Verwaltungsmitarbeiter werden anschließend zum Wahlkampfmanager bei der anstehenden Kommunalwahl befördert.

Aufgrund der einseitigen Verhältnisse legt die Verwaltung dem Rat eigentlich auch nie mehrere alternative Vorlagen zur Abstimmung vor, sondern regelmäßig nur die bereits zuvor unter Parteifreunden ausgekungelte.

Offene Diskussionen und Auseinandersetzungen über die wichtigen politischen Themen der Stadt finden in Bochum entsprechend kaum statt. Jeder Diskussion mit den Bürgern gehen die Verantwortlichen aus dem Weg. Allenfalls gibt es ein paar Bürgerveranstaltungen zu denen Bürger mal sagen dürfen, was sie denken.

Das Bürgerbegehren „Musikzentrum“ hat anschaulich gezeigt, wie es eigentlich läuft. Eine öffentliche Diskussion von Gegnern und Befürwortern hat nie statt gefunden. Von den örtlichen Medien wie Radio 98.5 geplante Diskussionsveranstaltungen konnten nicht stattfinden, weil sich die politischen Befürworter einem öffentlichen Austausch der Argumente schlicht verweigerten.

Dass fast alle politischen Parteien mit Bürgerbeteiligung nicht wirklich was anfangen können, zeigte sich ebenfalls. Beim ersten Begehren unterstützte keine der Parteien das Anliegen, dass die Bürger über den Bau des Musikzentrums selbst entscheiden. Die Grünen verkündeten zwar lautstark, dass sie sich für einen Ratsbürgerentscheid einsetzten würden, trauten sich dann aber nicht mal, einen entsprechenden Antrag im Rat einzureichen. Wieder mal ordnete man eigene Ambitionen der Herrschaft des Koalitionspartners unter. Deren Fraktionsvorsitzender hatte sich ggü. den Grünen klar gegen einen Entscheid durch die Bürger positioniert: „Wir scheitern lieber vor Gericht als vor den Bürgern.“ Das Gerichtsverfahren läuft immer noch.

Beim zweiten Begehren unterstütze allein die Soziale Liste konsequent das Begehren der Bürger. Im Rat stimmten am Ende alle anderen Parteien gegen eine Entscheidung der Bürger oder enthielten sich scheinheilig.

Eine Entscheidung den Bürgern zu überlassen, für den städtischen Filz und Klüngel in Bochum und Wattenscheid ist das keine Option. Schon beim Cross-Border-Leasing-Deal und dem Stadtbadabriss hatte man solche Entscheidung erfolgreich verhindert. Beim Cross-Border-Leasing-Deal hatte OBin Scholz (SPD) die Verträge in den USA einfach unterschrieben, obwohl der Rat zuvor den Weg für den Bürgerentscheid frei gemacht hatte. Deutlicher konnte man nicht demonstrieren, dass der Wille der Bürger in dieser Stadt bei den Stadtoberen nicht wirklich zählt. Dass der am Ende desaströs gescheiterte Deal die Stadt wohl noch etwa 30 Mio. gekostet hat, bescherte der OBin dann noch eine Blamage erster Klasse, die dazu noch erhebliche Zweifel an ihrem politischen Sachverstand aufkommen ließ.

Aber auch sonst finden politische Diskussionen zwischen Bürgern und Kommunalpolitikern in Bochum und Wattenscheid so gut wie nicht statt. In den sozialen Medien ist man, außer die FDP, praktisch nicht präsent. Diskussionen mit Bürgern will man sich auch hier nicht stellen. Entscheidungen trifft man weiter in Hinterzimmern, da will man sich nicht reinreden lassen oder sich gar dafür ggü. Bürgern rechtfertigen müssen. Entsprechend geht man ihnen aus dem Weg. Entsprechend findet man auf den Internet-Seiten der örtlichen Parteien Stellungnahmen zu den wichtigen politischen Themen allenfalls vereinzelt.

Dieses System funktioniert nur, weil immer noch viele Bürger der Ansicht sind, mit einem Kreuzchen aller 5 Jahre bei den Kommunalwahlen hätten sie ihre Pflicht und Schuldigkeit ggü. der Stadt erfüllt. Gäbe es in unserer Stadt z.B. 5.000 engagierte und aktive Bürger, die sich in egal welcher politischen Partei für kommunale Belange einsetzen würden, wäre es nicht mehr möglich, dass eine kleine Seilschaft in Politik und Verwaltung die Posten in den städtischen Betrieben und der Verwaltung nach Parteibuch besetzt und die Entscheidungen über die Stadt unter sich ausmacht.

Langsam aber sicher müssen wir mehr Menschen für die politischen Themen, die die Stadt betreffen, interessieren. Politische Diskussionen und politische Beteiligung müssen selbstverständlich sein und geachtet werden. Wir Bürger müssen die Beteiligung einfordern und wahrnehmen.

Die Wattenscheider haben jetzt die Chance, an der Entwicklung ihrer Stadt mitzuwirken, sie werden zu ihren Wünschen und Erfahrungen im Auftrag der Stadt befragt (Online-Umfrage). Ein Schritt in die richtige Richtung. Nur leider weiß kaum einer davon, weil auch für die örtlichen Medien Bürgerbeteiligung keine Selbstverständlichkeit ist und die Berichterstattung auch in diesem Fall mal wieder zu Wünschen übrig lässt.

Während in Städten wie Münster, wo die Presse schon viele Bürgerbegehren begleitet hat und die Zeitungen lebhaft über die Unterschriftensammlungen der Bürger berichten, „Pro“ und „Contra“ darstellen und sich auch als Meinungsplattform verstehen, stellte die Bochumer Presse die Berichterstattung während der Unterschriftensammlung zum Bürgerbegehren „Musikzentrum“ praktisch ein, da man ja niemanden in seiner Meinung beeinflussen wolle. Auch hier wird der Einfluss von Filz und Klüngel in der Stadt deutlich. Es mag sogar sein, dass gar kein direkter Einfluss der Politik auf die Presse genommen wird. Jedenfalls verzichtet man bei der Presse im Zweifel lieber auf Berichterstattung, ehe sich möglichen Ärger mit den in der Stadt Mächtigen auszusetzen.

Regelrecht absurd wird es, wenn die Presse über Umfragen versucht, so etwas wie Bürgerbefragungen vorzuspiegeln und diese selbst dann nicht vom Netz nimmt, wenn sie offensichtlich manipuliert wurden und heraus kommt, dass Gruppen zur Manipulation aufgerufen haben. Wie auch im Rahmen des Bürgerbegehrens zum Musikzentrum geschehen oder erst jetzt wieder bei der Umfrage zur Namensgebung des Moltkemarktes (WAZ-Umfrage), wo wider jeder Wahrscheinlichkeit wieder mal mehrere tausend Bürger in wenigen Minuten abgestimmt haben sollen.

Eine Entwicklung, die Hoffnung macht: Es gibt in Bochum und Wattenscheid immer mehr Bürgerinitiativen, die den Bürgern eine Stimme geben. Initiativen zu Schulschließungen, zur Zeche Holland, zum Bahnhof Weitmar, zum Ostpark und zu anderen Themen zeigen, dass die Bürger sich differenziert mit den politischen Entscheidungen, die sie betreffen, auseinander setzen und daran beteiligt werden wollen. Immer wieder wird aber auch kritisiert, die Interessen der Bürger würden von Politik und Presse zu wenig wahrgenommen und am Ende würden die wesentlichen Entscheidungen doch nicht mit den Bürgern getroffen, sondern würden anderswo wenig nachvollziehbar ausgekungelt.

Damit Bürgerbeteiligung endlich in den politischen Gremien verankert wird, müssen unabhängige und parteilose Bürger direkt in den Rat, die unmittelbar bei den Bürgern deren Meinung abfragen (bo-stimmt-ab.de) und danach entscheiden. Gleichzeitig müssen die Bürger motiviert werden sich über eine solche Plattform an den politischen Diskussionen und Entscheidungen zu beteiligen. Denn die Entscheidungen der Politik sollten auf einer möglichst umfangreichen Meinungsgrundlage unter Beteiligung möglichst vieler Bürger erfolgen.

Wer dem Filz und Klüngel in der Stadt eine Absage erteilen will und wer sich für mehr Bürgerbeteiligung in der Stadt einsetzt, wird bei der Kommunalwahl am 25.05. bewusst eine entsprechende Wahlentscheidung treffen.

Volker Steude,
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos

BoWäH - Bochum und Wattenscheid ändern mit Herz
(ruhrblogxpublik)

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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