Senkung der Kosten der Unterkunft – Antwortschreiben der Stadt Gelsenkirchen

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Mitte Februar schrieb ich die Stadt Gelsenkirchen bezüglich der Senkung der KdU im SGB an. Es standen nach der Kürzung Fragen im Raum, die ich doch gerne beantwortet hätte. Nun wurde mir geantwortet, den Inhalt möchte ich natürlich auch nicht nur für mich behalten. Mal schauen, ob wir gemeinsam schlauer werden. Denn sind wir mal ehrlich: Wer blickt denn noch durch das Dickicht von Hartz IV, Sozialhilfe, etc.? Da hilft nur: Fragen.

An dieser Stelle möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass ich dieses Thema „Anpassung der Kosten der Unterkunft (KdU)“ als Vorschlag beim Bürgerhaushalt 2015 eingereicht habe. Wir müssen erst mal eine Notbremse ziehen, um dann weiter zu überlegen, wie wir das Thema in unserer Stadt künftig behandeln wollen. Ab dem 28. April darf abgestimmt werden. Ich freue mich sehr, dass dieser Vorschlag bereits der Zweit-Meistgelesene Beitrag ist. Was ich mir erhoffe ist, eine breite Öffentlichkeit zu erreichen.

Und nun zum Antwortschreiben der Stadt Gelsenkirchen:

Freundlicherweise entschuldigte man sich bei mir für die verzögerte Beantwortung meiner Anfrage. Als Grund nannte man mir personelle Engpässe. Hat man bei den Personalkosten vielleicht schon zu viel gespart?

1. Um das systematische wissenschaftliche Vorgehen der Studie von empirica prüfen zu können, bitte ich um Veröffentlichung der Studie und die Zurverfügungstellung an mich.

Die Studie wurde mittlerweile hier veröffentlicht.

2. Darüber hinaus bitte ich um weitere Informationen zu dem schlüssigen Konzept.

„Die Schlüssigkeit des Gelsenkirchener Angemessenheitskonzeptes unter Berücksichtigung der vom Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 22.09.2009 (Az. B 4 AS 18/09 R) gemachten Vorgaben, ergibt sich abschließend aus der beigefügten Studie der Fa. Empirica.“

...die leider nicht beigefügt war, aber ich habe sie ja nun. Genau hier liegt doch der Casus Knacksus. Die Empiricastudie wird angezweifelt. Der Hauptgrund liegt darin, dass diese Studie sich auf einen Zeitraum vom 1.7.2013 bis 30.06.2014 bezieht. Der Haushalt der Stadt Gelsenkirchen hat jedoch auch für das Jahr 2015 Gebührenerhöhung verabschiedet, die sich negativ auf die Nebenkosten auswirken können. Die WAZ berichtet am 8.4. darüber. Somit wäre eine Senkung der KdU nicht gerechtfertigt. Zu einer Studie gehören auch Prognosen und zu erwartende Mietsteigerungen. Zukunftsgerichtete Werte fehlen schlicht weg. Die Stadt Gelsenkirchen schreibt an anderer Stelle (…) „In Ermangelung an Statistikdaten“ (…). Also machte ich mich mal auf den Weg, um einen Teil ihrer fehlenden Statistik zu ermitteln.

Ausgangssituation: 1-Personenhaushalt
Vorgesehene KdU: 230 Euro Kaltmiete + 60 Euro Nebenkosten + Heizkosten
Quelle: Immobilienscout24.de

Ich hielt die Quelle für recht aussagefähig, sie kann natürlich um Anzeigen in der Tagespresse und auch Immowelt, etc. erweitert werden. Dabei müssten die Dubletten herausgerechnet werden. Lange Rede kurzer Sinn. Folgendes Bild ergab sich, bei der Ermittlung der zur Verfügung stehenden Unterkünfte, die einem „Schlüssigen Konzept“, wie es die Stadt Gelsenkirchen zu haben glaubt, wohl eher nicht entsprechen würde:

Kalenderwoche 14: 139 Wohnungen aaaaber!

genehmigungsfähige Wohnungen: 60

Hierbei stimmen Größe (50qm), Kaltmiete (230 Euro) und Nebenkosten (60 Euro) überein

Mit Verrechnung der Nebenkosten: 28

Hierbei stimmen Größe (50qm) und Kaltmiete (230 Euro) überein. Durch die niedrige Kaltmiete wäre eine Verrechnung der Nebenkosten (60 Euro) möglich. Hier setzt der Ermessensspielraum ein. Es könnte also auch sein, dass diese Wohnungen abgelehnt werden.

Sonstige: 16

Hierbei handelt es sich um Wohnungen, die zu groß sind, jedoch in den KdU-Rahmen passen. Darüber hinaus werden hier Anzeigen aufgefangen, die einen Einheitswert zu Nebenkosten und Heizkosten angeben. Somit ist die reale Höhe der Nebenkosten nicht ermittelbar. Hier setzt der Ermessensspielraum ein. Es könnte also auch sein, dass diese Wohnungen abgelehnt werden.

Nicht genehmigungsfähig: 35

Diese Wohnungen sind eindeutig über der KdU-Grenze in diesem Segment.

(Siehe Grafik)

Ob die Nebenkosten mit der Kaltmiete verrechnet werden können, werde ich bei einer erneuten Anfrage an die Stadt versuchen, in Erfahrung zu bringen.

Denn die Stadt schreibt: „Die von Ihnen skizzierte Umzugswelle ist nicht zu erwarten, da Bedarfsgemeinschaften die vor dem 01.02.2015 in der Wohnung gewohnt haben und im laufenden Leistungsbezug gestanden haben nicht von der Neuregelung betroffen sind, weil in diesen Fällen die bisherigen Grenzen zur Anwendung kommen. Gleiches gilt für Bedarfsgemeinschaften, die „nahtlos“ den Träger der Sozialleistungen wechseln.“

Schaut man sich die Entwicklung der Anzahl von Hartz-IV-Empfängern an, so ist Folgendes festzustellen:

Seit der Senkung der KdU im Februar 2015 sind 405 Bedürftige wieder in der Statistik hinzugekommen. Ob die 60 Wohnungen für Ein-Personen-Haushalte reichen, bleibt die Frage. Zumal in der laufenden Periode durch die Erhöhung der Gebühren entweder Mieterhöhungen durch Nebenkostenanpassung oder Nachzahlungen zu erwarten sind, die durch die empirica-Studie nicht berücksichtigt wurden. Ein Schlüssiges Konzept ist somit nicht zu erkennen!

Was passiert beispielsweise mit Langzeitarbeitslosen, die wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, zum Ende der Probezeit nicht weiter übernommen werden und wieder ins ALG-II fallen? Werden sie dann nach der neuen Regelung behandelt?

3. Was hat den Bürger in Gelsenkirchen künftig zu erwarten, wenn Ausschüsse über grundsätzliche Änderungen der Stadtverwaltung nur informiert werden. Welche Rolle spielt der Stadtrat?

„Die Politik wurde seit 2010 ausführlich in mehreren Mitteilungsvorlagen für den Ausschuss für Soziales und Arbeit über die notwendigen Änderungen des Berechnungsweges für die angemessenen Mietobergrenzen informiert. Die entsprechenden Vorlagen sind auf der Internetseite der Stadt Gelsenkirchen unter Ratsinformationssystem für jedermann einsehbar. Eine entsprechende Erörterung hat in den Sitzungen des o.g. Ausschusses stattgefunden.“

Meine Frage wurde nicht beantwortet. Vielleicht habe ich mich auch missverständlich ausgedrückt. Meine Frage zielte darauf ab, welches Kontrollorgan in diesem Fall im Verwaltungsrecht gilt. Hat der Stadtrat keine Möglichkeit, mitzuentscheiden? Darüber hinaus ist es für mich als Bürgerin nicht ganz so leicht, an Informationen zu kommen. Nominell ist alles wunderbar verfügbar. Jedoch kommunizieren nur DIE LINKE und Piraten mit mir, sie sind nur gerade noch nicht so lange im Stadtrat. Natürlich steht dem Bürger das Ratsinformationssystem zur Verfügung. Nur werde ich jetzt nicht in den letzten 5 Jahren herumsuchen, ob der Stadtrat über die Senkung der Kosten der Unterkunft informiert wurde. Meine Frage lautet ja: Gibt es ein Kontrollorgan?

Meine Fragen 4-9, die hier nachzulesen sind, werden nun wie folgt beantwortet:

„Wie bereits in der Ausschussvorlage (Drucksachen-Nr. 14-20/918) dargestellt, wurde die Fa. empirica mit der Herleitung von Mietobergrenzen für angemessene Unterkunftskosten ausschließlich beauftragt, um in Ermangelung örtlicher Statistikdaten eine rechtssicheren und gerichtsfesten Berechnungsweg für die Mietobergrenzen vorweisen zu können.

Die von Ihnen skizzierte Umzugswelle ist nicht zu erwarten, da Bedarfsgemeinschaften die vor dem 01.02.2015 in der Wohnung gewohnt haben und im laufenden Leistungsbezug gestanden haben nicht von der Neuregelung betroffen sind, weil in diesen Fällen die bisherigen Grenzen zur Anwendung kommen. Gleiches gilt für Bedarfsgemeinschaften, die „nahtlos“ den Träger der Sozialleistungen wechseln. Hinsichtlich der Frage zur Härtefallregelungen weise ich darauf, dass es sich im Sozial-leistungsrecht grundsätzlich um Einzelfall- und Ermessensentscheidungen handelt.“

Auf die Frage, ob es eine 0-Toleranzgrenze gibt, wird überhaupt nicht eingegangen, weil davon ausgegangen wird, dass niemand umziehen müsse. Auch hier werde ich noch mal nachhaken.

Im Bürgeraushalt wurde ein Kommentar hinterlassen, in dem es heißt: „Dazu ist noch hinzuzufügen, dass bei oben genannter Weisung zum 1. Februar 2015 die Gewährung von den zusätzlichen Betriebskosten (Aufzug, Gebäudereinigung, Gartenpflege, Hauswart) komplett weggefallen ist.“ Auch hier muss noch mal nachgefragt werden.

Im Grunde sind meine Fragen nicht wirklich beantwortet worden. Ich werde noch mal ein Schreiben an die entsprechenden Ansprechpartner aufsetzen. Ich hoffe mit den Infos, die ich nach und nach, sofern ich sie selbst erhalte, veröffentliche, Sie dazu bewegen zu kann, FÜR meinen Vorschlag im Bürgerhaushalt zu stimmen. Denn die Lage ist mehr als prekär.

Autor:

Sandra Stoffers aus Recklinghausen

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