Winnenden am Niederrhein möglich?

Wer hat sie nicht noch vor Augen, die schrecklichen Bilder des Amoklaufes von Winnenden. Verschuldet durch die Uneinsichtigkeit und Nachlässigkeit von Waffenbesitzern. Diese Einstellung gibt es auch bei uns am Niederrhein. Dafür erlebten wir am 16. 8. in Alpen ein gutes Beispiel. In Form eines schwarzen Mercedes GLK Brabus Geländewagens, der sich am frühen Nachmittag durch unseren für Anlieger freien Privatweg, die Jägerruh, wälzte und dabei alles in Staub versinken ließ. So ein besternter Phallusersatz für Männer in den mittleren Jahren. Kurz darauf wurde am Feldrand geparkt und es stieg kahlköpfiger kleiner Mann mit einem Riesengewehr aus. Auf die Frage, was er damit vorhätte, reagierte er gereizt und arrogant. Er meinte, wir könnten ja die Polizei anrufen. Sich zu legitimieren kam "Hochwohlgeboren" gar nicht erst in den Sinn. Ein Informationsanruf bei der Polizeidienststelle in Xanten verband mich mit einem über die Maßen gelangweilt wirkenden Beamten. Seine sofortige Mutmaßung, dies sei ein Jäger, der Tauben erschießen wolle und das sei in Ordnung so, schockierte mich. Wir wollen doch mal sehen, was wir da haben: Es steigt ein schwer bewaffneter, unfreundlicher Mann aus einem schwarzen Geländewagen, wohlgemerkt nicht als Jäger oder Ahnliches zu erkennen, und die Polizei hält es nicht für nötig, zumindest nachzufragen? Ist das skandalös oder was? Haben denn alle Leute, die Waffen tragen, einen besonderen mentalen Draht zueinander, so dass sie intuitiv wissen, der hier ist Jäger und der hier ist beispielsweise Mafiakiller? Oder Terrorist oder Gewaltverbrecher?
Für die hohe Schusswaffendichte in Deutschland, die in den Ballungsgebieten von der Halb- und Unterwelt konstant gehalten wird, sorgen auf dem Land augenscheinlich Schützenvereine und die Jägerei. Ich empfinde das als so eine Art regionale Aufgabenteilung.
Ach ja, der Beamte sagte mir noch, dass der gute Mann, nennen wir ihn mal den schwer bewaffneten Unbekannten (keiner weiß Genaues, vielleicht kennt ja jemand das Auto), durchaus in Wohngebäudenähe und auch in Richtung der Wohngebäude ballern darf. Da muss die Polizei ja neidisch werden. Die müssen erst warnen, bevor sie schießen. Ich kann nur sagen, holt Frauen, Kinder, Hunde und Katzen rein und geht ja nicht draußen spazieren. Man weiß ja nicht, ob die Wildversicherung auch für angeschossene Spaziergänger zahlt. Aber solche Colateralschäden werden wohl auch straffrei sein, wenn ich den Beamten der Xantener Wache richtig verstanden habe. Oder hatten wir darüber gar nicht gesprochen?
Und nun zum spontanen Töten von Tauben. Auf dem platten Land sind die Tauben keine Plage, es sind nur wenige. Eigentlich zu wenige, um den Blutdurst von wem auch immer stillen zu können. Deshalb lag auch nach beendetem Weidwerk ein totes Babykaninchen in unserem Garten, das es, angeschossen, gerade noch bis zu uns geschafft hatte, um zu sterben. Auch die erschossenen Tauben werden auf den Privatgrundstücken liegen gelassen. Sollen die Leute doch sehen, wie sie sie los werden.
Dazu passt der immer öfter unreflektiert nachgeplapperte Satz, Tauben seien die Ratten der Lüfte. Ich denke, wenn der liebe Gott fliegende Ratten gewollt hätte, hätte er ihnen Flügel gegeben. Und wieder Vorsicht: Rattenvergleiche sind geschichtlich bedenklich. Spontan fällt mir dazu der NS-Propagandafilm aus den 30er/40er Jahren ein, der verfolgte Menschen mit Ratten vergleicht.
Wenn ich mich nicht täusche, geht das das Jagdgesetz im Kern auf 1934 und Hermann Göring zurück. Viel scheint da nicht geändert worden zu sein.
Und viel scheint auch nicht gelernt und verstanden worden zu sein. Deshalb bleibt die Gänsehaut beim Spaziergang und das Wissen: Winnenden ist auch jederzeit am Niederrhein möglich.

Autor:

Michael van de Locht aus Alpen

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