Altes Tagebuch im Nachlass entdeckt
Aufzeichnungen von Pater Linus Kötter zwischen 1943 und 1945

Das aufgeschlagene Tagebuch mit Foto von Pater Linus Kötter in der Klosterverwaltung in den 1940er Jahren.  | Foto: Detlev Becker
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  • Das aufgeschlagene Tagebuch mit Foto von Pater Linus Kötter in der Klosterverwaltung in den 1940er Jahren.
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Vor einigen Tagen entdeckte eine Frau im Nachlass ihres Mannes eine alte Kladde. Als sie diese aufschlug, wusste sie sofort was sie in den Händen hielt. Es war das alte Tagebuch von Pater Linus Kötter, sie hatte es vor einigen Jahren von ihrer Oma zum Lesen erhalten. Doch es geriet nach und nach in Vergessenheit.

Dieser Pater Kötter lebte und arbeitete im Krieg gut zwei Jahre in Niedereimer. Zu dieser Zeit wohnte er in einem Privatquartier an der Oberstraße (ht. Niedereimerstraße), bei einer weitläufigen Verwandten der Finderin. Schnell setzte sie sich mit dem Ortsheimatpfleger und AKD-Vorsitzenden in Niedereimer in Verbindung und übergab nun das einmalige Tagebuch an Detlev Becker.
Diese, von Pater Kötter gemachten Aufzeichnungen, enthalten wertvolle Informationen aus dem Dorfleben Niedereimers in den schweren Kriegsjahren zwischen 1943 und 1945.

Wer war Pater Linus Kötter?

Doch wer war dieser Pater Linus Kötter und was hat er mit Niedereimer zu tun? Linus Kötter wurde 1914 in Emsdetten geboren und wuchs dort auch auf. Nach dem Besuch der Missionsschule absolvierte er sein philosophisch-theologisches Studium. 1936 legte er sein Gelübde bei den Herz-Jesu-Missionaren in Münster-Hiltrup ab. Die Priesterweihe erteilte ihm im Jahre 1941 der berühmte Bekennerbischof und Gegner der Nationalsozialisten Clemens August Graf von Galen in Münster. Ende 1943 kam er, für den erkrankten Pater Hoppe, nach Niedereimer als Pfarrverweser.

In dieser schweren Zeit sorgte er sich um das Seelenheil der Dorfbewohner. Selbst noch relativ jung, lag ihm die Jugend des Ortes besonders am Herzen und so knüpfte er schnell Kontakt. Nachdem auch aus Niedereimer mehr und mehr Männer und Söhne des Dorfes im Weltkrieg ihr Leben lassen mussten und wenn überhaupt in fremder Erde bestattet wurden, wurden auf seine Anregung hin in der Kirche kleine Kreuzchen für jeden Gefallen aufgehängt. Die Weihe des kleinen Ehrenmals, in der alten Kirche bei der schmerzhaften Gottesmutter, fand am „Heldengedenktag“ 1944 statt. An diesem Tag war, laut seinen Aufzeichnungen, die Kirche so voll wie an den Weihnachtstagen. Nun hatten die Witwen und Mütter einen Platz wo sie um ihre Familienangehörigen trauern konnten.

Pater Linus Kötter sollte in Arnsberg hingerichtet werden

Ein folgenschwerer Gang für ihn ereignete sich am 11. April 1945. Er musste auf Drängen der amerikanischen Besatzer unfreiwillig als Parlamentär (bevollmächtigter Unterhändler zwischen feindlichen Heeren) in das noch unbesetzte Arnsberg. Hier sollte er für die kampflose Übergabe der Stadt Arnsberg sorgen. Doch in Arnsberg wurde er von dem nazitreuen Stadtkommanden festgesetzt und sollte in den letzten Kriegstagen wegen Landesverrat hingerichtet werden. Es begann ein in Todesangst unsägliches Martyrium für ihn. Die Todesstrafe wurde glücklicherweise jedoch nicht ausgeführt. Er wurde allerdings in das Gefängnis der Jägerkaserne eingesperrt. Nach drei Tagen und der Besetzung Arnsberg aus anderer Richtung, konnte Pater Kötter gesund das Gefängnis in Arnsberg verlassen und nach Niedereimer zurückkehren. Doch dieses Ereignis hatte Pater Kötter ziemlich zugesetzt, sodass er aus Erschöpfung selbst das Krankenhaus aufsuchen musste. Er kehrte nach dem Krankenhausaufenthalt allerdings nicht wieder als Pfarrverweser nach Niedereimer zurück. Dadurch hat er vermutlich, bei seiner überraschenden Abreise im Mai 1945, das Tagebuch vergessen.

"Pater Linus Kötter trug, wenn auch gezwungener Maßen, mit seinem lebensgefährlichen Auftrag zum Ende des 2. Weltkrieges in Europa am 8. Mai 1945 in Raum Arnsberg bei. Vielen der älteren Mitbürger Niedereimers und Arnsbergs ist der Name Linus Kötter heute noch präsent und im Gedächtnis. Nach seiner Genesung war er später noch an verschiedenen Orten als Geistlicher tätig. 1981 starb er nach schweren Leiden, im Alter von nur 66 Jahren, in Hiltrup.", erklärt Detlev Becker.

Tagebuch soll vielleicht veröffentlicht werden

Der Arbeitskreis für Dorfgeschichte und -entwicklung Niedereimer e.V. überlegt, ob sie das Tagebuch des Parlamentärs und Retters von Arnsberg, zu einem späteren Zeitpunkt mal veröffentlicht. Vielleicht als eine weitere Ausgabe des Heimatblattes „Der Ninivit“.
Derzeit vertreibt der AKD Niedereimer e.V. das aktuelle Heft mit dem Titel „75 Jahre danach – gerettete Geschichte(n) zu NS-Zeit, Krieg und Neubeginn“, mit zahlreichen Zeitzeugenberichten und unter anderem der Kirchenchronik erstellt von Pater Linus Kötter.
Nähere Angaben hierzu findet man im Schaukasten des AKD (Stephanusweg 11, Niedereimer) oder unter www.niedereimer.de/akd2020.

Das aufgeschlagene Tagebuch mit Foto von Pater Linus Kötter in der Klosterverwaltung in den 1940er Jahren.  | Foto: Detlev Becker
Ehrenmal in der Kirche am Weihetag 12. März 1944. | Foto: Detlev Becker
Autor:

Lokalkompass Arnsberg-Sundern aus Arnsberg

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