Quadriennale 2014: Auf der Spur der Erfindung - Bildhauer zeichnen

Markus Lüpertz, Ohne Titel (Herkules), 2010 | Foto: Akademie-Galerie, Galerie Michael Werner
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  • Markus Lüpertz, Ohne Titel (Herkules), 2010
  • Foto: Akademie-Galerie, Galerie Michael Werner
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Auf die Vorgabe "Über das Morgen hinaus" reagiert die Akademie-Galerie, Die Neue Sammlung, mit der Darstellung konkreter künstlerischer Prozesse, die in ein noch unbekanntes Morgen münden können.

"Über das Morgen hinaus" lautet das Leitthema der Quadrienale 2014 in Düsseldorf.
Während in anderen Häusern die Maler - teilweise in leuchtendem Farbenrausch - gefeiert werden, widmet sich die Akademie-Galerie den nicht oder nur sparsam kolorierten Zeichnungen von Bildhauern. Hier werden andere Akzente gesetzt, Farbe ist nahezu unwichtig.

Die Ausstellung konzentriert sich auf Exponate aus dem 20. Jahrhundert mit dem Schwerpunkt Kunstakademie Düsseldorf nach 1945.

Wie Professor Siegfried Goor, Leiter der Akademie-Galerie, erläutert, war es Absicht, gerade solche Werke zu zeigen, die dem skulpturalen Denken besonders nahe kommen. Trotzdem sollte jeweils auch ein Beispiel einer selbständigen Zeichnung zu sehen sein, um die Souveränität der Künstler als Zeichner zu zeigen.

Bildhauer haben einen eigenen Typus von Zeichnung entwickelt als z.B. Maler oder Architekten.
Architektur-Zeichnungen sollen exakte und allgemeinverständliche Vorgaben machen, welche dann unverändert Grundlage für die Bauausführung sind.
Maler-Zeichnungen haben eher den Sinn, den geplanten Bildraum auszufüllen oder auszudehnen. Effekte, Gebärden oder Situationen werden von den Malern in der Zeichnung isoliert dargestellt, um sie später im vollendeten Bild wieder zusammen zu führen.

Bildhauer-Zeichnungen arbeiten hingegen nicht auf Effekt hin, Farbe spielt kaum eine Rolle. Die Zeichnungen stehen im Umfeld von dreidimensionalen Arbeiten. Bildhauer-Zeichnungen neigen dazu, ein noch unklares Etwas durch Abstrahierung und Annäherung zu umreißen oder konzeptionell zu planen. Dieser ganz eigene Typus der Zeichnung verweist auf die Unklarheit, welcher der Zukunft neuer künstlerischer Wege inhärent ist, er ist also "Auf der Spur der Erfindung".
Ein wesentlicher Unterschied zu den Malern ist die Darstellung des Raum- und Zeitwertes.

Am klarsten wird dies bei den Zeichnungen von Norbert Kricke deutlich. Kricke kombiniert seine Bewegungsvorstellung mit einer plastischen Formvorstellung und konkretisiert diese in einer Linie, welche sowohl in den Raum hineinzieht als auch wieder in die Fläche zurückbiegt. Kricke gestaltet den Raum durch plastische Linien ohne die Perspektive zu nutzen. Dynamik entsteht bei ihm durch Kurven, Überschneidungen, Verknotungen und ihrer Auflösung. An- und abschwellende Linien wirken wie schwingende Energie, losgelöst von der Schwerkraft.

Auch bei Beuys und Lüpertz bleiben Bewegungs- und Formvorstellungen gleichwertig nebeneinader bestehen. Markus Lüpertz, der figürlich arbeitet, gestaltet vor allem mythologische Motive. Allgemein bekannt ist der "Herkules" im Nordsternpark in Gelsenkirchen. Die Ausstellung zeigt, wie Lüpertz die Skulpturen-Motive hinsichtlich der stilistischen Einkreisung der Form als auch der inhaltlichen Durchdringung des Themas in Reihen von Papierarbeiten untersucht.

Wie Erika Költzsch im Katalog zur Ausstellung ausführt, teilen sich ausgehend vom Ureinfall die Bereiche der zeichnerischen und der plastischen Verwirklichung.
Demonstrationsstudie, Werkzeichnung, Maßskizze, Bauzeichnung sind im Vorfeld einer plastischen Realisierung anzusiedeln und beziehen sich meist auf ein konkretes Werk.
Der Plastik oder Skulptur gegenübergestellt ist die autonome Zeichnung, bei welcher der Künstler seine zeichnerischen Fähigkeiten beweist.
Zwischen diesen Polen ist die konzeptuelle Zeichnung angesiedelt, die bis in die reine Konzeption führt und dann an die Stelle der Plastik tritt.

Thomas Grünfeld steht für Formfindung jenseits des Zwangs zur Konstruktion. Er ist mit Hybriden bekannt geworden - augenzwinkernd verbindet Grünfeld Unzusammenhängendes in einem konstruiert-realen Zusammenhang, z.B. bei "misfit (Kuh/Strauß)", bevor dieses Wesen von einem Präparator erschaffen wird.

Bewusst nicht prozessual sondern konstruierend und verdichtend arbeitet Hubert Kiecol. Seine "Wand" lässt den Betrachter durch viele Schaffensphasen reisen und vereinigt Grundrisse, Aufrisse, Entwürfe, Zeichnungen und Fotografien zu einem Tableau. Realisierte Skulpturen stehen neben Maßzeichnungen, Grundrissen und elementaren Formen. Auch wenn keine Personen abgebildet sind, fordern die Plastiken, welche an Treppen, Zäune und Häuser erinnern, Festigkeit und Sicherheit für die menschliche Existenz ein. Seine "Treppen" lassen an das Sicherheitsbedürfnis im Auf und Ab des Lebens denken und sind so vieldeutig wie die Titel, die er seinen fertigen Objekten gibt.

Anthony Cragg hat sich schließlich von der Plastik gelöst und Zeichnungen parallel zur Skulptur realisiert. Nicht als autonome Bildhauer-Zeichnung, sondern als etwas eigenständig Neues. Das Diagramm ersetzt die Plastik.

Die Ausstellung präsentiert 20 abstrakt sowie figurativ arbeitende Künstler und gibt einen Überblick über die Positionen der jüngeren Geschichte der Bildhauerei.

Es gibt insbesondere folgende Schwerpunkte:
- Moore, Sandback: Skulpturale Idee im Raum
- Vermeiren, Uhlmann: Zeitlicher Prozess, der nötig war, um den Gedanken zu präzisieren
- Mataré: Überprüfende oder fixierende Konstruktionszeichnungen
- Trockel: Sichtbarer Assoziationsraum Mischung von Wörtern und Begriffen
- Kiecol, Grünfeld: Abstrahieren und Umreißen
- Kricke, Reusch, Cragg: Rein Konzeptuelles bis hin zu Diagrammen als quasi Skulptur auf Papier

Die Ausstellung erschließt sich nicht so leicht ohne Hintergrundwissen über bildhauerische Positionen. Kennt man jedoch einige der realisierten Werke, dann eröffnet die Ausstellung den Zugang zur Denkweise des Künstlers und seine Einordnung in den Kontext des aktuellen bildhauerischen Schaffens.

Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen u.a. mit Texten von Siegfried Goor, Erika Költzsch, Vanessa Sondermann und Robert Fleck.

5.4. bis 10.8.2014, mittwochs bis sonntags, 12 bis 18 Uhr
Eintritt 6 €, ermäßigt 4 €.
Führungen auf Anfrage
Infos unter www.kunstakademie-duesseldorf.de.

Markus Lüpertz, Ohne Titel (Herkules), 2010 | Foto: Akademie-Galerie, Galerie Michael Werner
Hans Uhlmann, Skizze für die Plastik "Pflanzliche Form", 1952 | Foto: Akademie-Galerie, Galerie Michael Haas/Berlin
Autor:

Dorothea Weissbach aus Oberhausen

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