Nur die Lüftungsanlage ist hier unten zu hören

Auf der "Pritsche" habe ich es mir bequem gemacht.
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Emmerich. Mit einem Rums fällt die Türe hinter mir zu. Die beiden Riegel werden vorgeschoben und der große Schlüssel dreht sich im Schloss herum. Ich bin alleine in der kleinen Zelle auf der Polizeiwache in Emmerich. Alleine mit einer Pritsche.

Es geht die Treppe herab in den Zellentrakt, der sich im Keller der Polizeiwache am Geistmarkt befindet. Es ist ein schmaler Gang, auf deren linker Seite sich die vier Zellen und das WC befinden. Die feuersichere Türe zur Zelle ist mit zwei Riegeln und einer Kette ausgestattet. Ein flaues Gefühl beschleicht mich in der Magengegend. Soll ich hier wirklich rein? Na klar, es ist ja nur für zehn Minuten.
Also mache ich es mir auf der „Pritsche“ bequem. Was man so bequem nennen kann. Mein Blick schweift durch die Zelle. Über der Türe befindet sich die Lüftungsanlage. Das Geräusch wird mich die nächsten zehn Minuten verfolgen. Es ist aber auch das Einzigste, was ich hier unten höre. Die Wertsachen, Schnürsenkel und der Gürtel wurden mir abgenommen, damit ich mich nicht verletzen kann. Also lege ich mich erst einmal lang hin und starre an die Wand.
Lange halte ich das nicht aus. Ich begebe mich zur Tür, in deren Mitte sich oben ein kleiner „Spion“ befindet. Wie man mir später erklärt, wird dort halbstündlich überprüft, ob es der in Gewahrsam befindlichen Person noch gut geht. Wie kann es einem hier unten gut gehen, frage ich mich. Die Türe ist vollkommen zerkratzt. Namen sind dort eingeritzt. Der Wernigerode Clan saß wohl hier ein und Christian war am 7. August 2000 hier.
Oben steht dick und fett „Ich will hier raus“. Aber wie sind die Wörter dort an die Türe gekommen, wenn den Personen Geld und Gürtel oder sonstige scharfe Sachen abgenommen werden? So richtig kann das auf der Wache auch niemand beantworten. „Vielleicht mit den Fingernägeln“, mutmaßte Pressesprecher Heinz van Baal. Rechts neben der Türe befindet sich ein kleiner roter Knopf, der sogenannte Notrufknopf. Gut zu wissen, falls die mich hier unten mal vergessen sollten.
Der Fußboden ist übrigens beheizt. Aber das ist auch der einzige Luxus, den es hier unten gibt. Das Fenster, durch welches das Tageslicht hereinfällt, ist verschlossen. Davor befindet sich ein Gitter. Eine Flucht ist nicht möglich, aber das will ich ja auch gar nicht. Hinter dem Kopfende und neben mir an der Wand fällt mein Blick auf zwei Öffnungen. Da lässt sich leicht etwas durchziehen. Wahrscheinlich zum Festmachen. Wenn jemand zu aufbrausend ist und sich selbst verletzen könnte, wird er hier vielleicht ruhig gestellt.
Mein Blick geht wieder zur Türe. Sind die zehn Minuten nicht schon um? Müsste sich nicht jetzt wieder die Türe öffnen? Ich muss husten und erschrecke mich ein wenig, denn es hallt gewaltig in der kleinen Zelle, in der man drei, vier Schritte auf und ab gehen kann. Hier möchte ich allerdings nicht länger bleiben und als die Türe wieder geöffnet wird, bin ich froh ans Tageslicht zurück zu kommen.
„Die zehn Minuten sind schon um“, lächelte Pressesprecher Heinz van Baal. Zehn Minuten reichen auch vollkommen aus. Ich glaube, schon nach einer Stunde hätte ich es nicht mehr ausgehalten. Bei Straftätern oder alkoholisierten Personen geht das „freikommen“ allerdings nicht so schnell. Sie müssen länger als zehn Minuten in Gewahrsam bleiben.

Autor:

Jörg Terbrüggen aus Emmerich am Rhein

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