Preußische Antike

Die Wortkombination im Titel des Vortrags am letzten Dienstag in der Aula de Gymnasiums Werden konnte schon irritierend sein (das sollte sie wohl auch). Der Geschichts- und Kulturverein, in gewohnter Abstimmung mit dem Bürger-verein, hatte Robert Welzel eingeladen, einen Architektur-Historiker aus Passion. Der junge Mann machte schnell klar, worum es ihm ging. Er stellte zu Beginn seiner Ausführungen die Schlüsselfigur der Geschichte der Baukunst im frühen 19. Jahrhundert vor: Johann Joachim Winkelmann, den geistigen Vater des Klassizismus, der seine Forderung an die Ästhetik des Bauens in die Formel "edle Einfalt und stille Größe" kleidete. Das Verspielte, das Überladene des Barock und des Rokoko war ihm zuwider. Seine Anregungen holte sich Winkelmann, wie übrigens alle seine Adepten später auch, auf Reisen nach Italien oder gar nach Griechenland beim Studium der Antike. Einer der ganz großen Baumeister in Winkelmanns Gefolge war Karl Friedrich Schinkel, der das Glück hatte, mit dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. einen gleichge-sinnten Förderer zu haben. Überall in und um Berlin trifft man auf Spuren der "Schinkelzeit". Mit der Eingliederung der Rheinlande in seinen Herrschafts-bereich nach 1803 weitete sich der Blick des Königs nach Westen. 1833 besuchte er auf einer seiner Reisen auch Werden und gab Anregungen zur Sanierung der damals sehr daniederliegenden Basilika. Dem König lag sehr an Annäherungen der verschiedenen Konfessionen. Schinkel entwarf zur Unter-stützung dieses Anliegens das Muster eine Normalkirche auf der Basis römischer Basiliken. Die katholische Kirche St. Peter in Kettwig wie auch die alte evangelische Kirche in Werden, heute Haus Fuhr, gehören in diesen Zusammenhang. - Unser Referent präsentierte in der Folge eine überwäl-tigende Fülle wundervoller Bilder, wobei er oft das antike Vorbild neben die klassizistische Nachbildung stellte. Er öffnete den Blick für bauliche Details. Dreiecksgiebel, Rundbögen, andere Gestaltungsdetails – die Hirschapotheke, der "Himmel" in der Grafenstraße und andere Werdener Gebäude waren ihm Beispiele. Und alle immer wieder mit Rückverweis auf Bauten aus der Antike. Aber nicht nur das einzelne Objekt, zunehmend auch die Gestaltung einheit-licher Stadtbilder geriet in den Fokus. Die drei Bürgerhäuser am Kettwiger Markt sind hier besonders schöne Muster. Der Preußenflügel im Bereich der Abtei, Wohnhäuser der Reichen wie die Huffmann Villa in der Heckstraße oder auch die Villa Wiese, oder unsere Königsbrücke oder Industriebauten – der Bogen, den Welzel spannte, war viel umfassender als in diesem kurzen Bericht dargestellt werden kann. Und die Zuhörer folgten ihm gebannt. Der lang anhaltende Beifall am Schluss zeigte, wie viel Interesse er geweckt hat. Alle waren erstaunt zu sehen, was sie bislang in ihrer Heimat nicht gesehen hatten. Es wäre in der Tat gut, wenn der Referent bewogen werden könnte, seinen Vortrag für den nächsten Band der "Geschichten aus der Werdener Geschichte" verfügbar zu machen.

Autor:

Siegfried Rhein aus Essen-Werden

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.