Stimmen zum Ratsbeschluss: Bauleitplanung „Grüne Harfe“

Dr. Michael Bonmann | Foto: Bonmann
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War es das mit dem bisher guten Miteinander von Politik, Verwaltung und Bürgern? Das Moderationsverfahren zur Grünen Harfe gerät immer mehr in die Schusslinie. Was als echte Chance gedacht war, die gefühlte „Entfremdung“ zwischen Volk und Entscheidungsträgern zu kitten, kommt immer mehr in den Verdacht, Teil einer Kampagne zur Volksbesänftigung ohne wirkliche Zugeständnisse zu sein. Ein Politiker zieht gar Konsequenzen und wird zukünftig nur noch als unabhängiger
Volksvertreter auftreten: Dr. Frank Roeser akzeptiert den Ratsbeschluss nicht und tritt aus dem Essener Bürgerbündnis aus!
Viele Ergebnisse des Papiers von Moderator Michael Happe wurden zwar ausdrücklich (allerdings erst nachträglich) in die Rats-Vorlage von Stadtdirektor Hans-Jürgen Best eingepflegt, die Bürgerinitiative und mit ihr zahlreiche Werdener Bürger fühlen sich dennoch von der Verwaltung hintergangen. Es wird befürchtet, dass die Verbesserung der katastrophalen Verkehrssituation in Werden weiterhin ungelöst bleibt. Ludger Hicking von der BI-Werden: „Das bürgerschaftliche Engagement in Essen wurde vor die Wand gefahren, das Moderationsverfahren als neues Element für intensive Bürgerbeteiligung ist gescheitert.“ Unverzichtbare Bestandteile seien im Ratsbeschluss nicht übernommen worden, vor allem die Kopplung der Verfahren „Verkehr in Essen-Werden“ und Bauleitplanung Grüne Harfe fänden sich nicht wieder. Die BI begrüßt zwar, dass die Anzahl der Wohneinheiten begrenzt wurden. Doch die Politik - quer durch alle Parteien – scheine auch nach 20 Jahren Stillstand nicht in der Lage, das Verkehrsproblem entschlossen anzugehen. Und die Bezirksvertretung habe wieder einmal erfahren, wie wenig Rückhalt sie im Rat finde.

Bezirksbürgermeister Dr. Michael Bonmann dagegen sieht keinen Widerspruch zwischen Willen der Bezirksvertretung IX und Ratsbeschluss: „Die CDU- und FDP-Fraktionen in der Bezirksvertretung IX begrüßen den gemeinsamen Beschluss der Ratsfraktionen zum Thema Grüne Harfe. Die Ergebnisse des Moderationsverfahrens wurden berücksichtigt und die Vergabe zur Erstellung eines Verkehrskonzeptes für den Werdener Ortskern in der nächsten Woche beschlossen. Damit sind die grundlegenden Forderungen der BV IX erfüllt. Die am Moderationsverfahren Beteiligten zeigten großen Einsatz und die Bürgerinitiative Engagement und Kompromissfähigkeit. Wir bitten alle Werdener und Heidhauser Bürger, uns weiterhin bei den nun anstehenden Planverfahren zu unterstützen und kritisch zu begleiten.“

Daniel Behmenburg als Sprecher der SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung ist enttäuscht, dass das Pilotprojekt der Moderation als ein neuer Weg der Einbindung der Bürgerinnen und Bürger nun einen so schalen Beigeschmack bekommt: „Ich bin der Überzeugung, dass man - wenn man ein solches Verfahren wählt - auch die Ergebnisse anerkennen muss, sonst erzeugt man nur Politik(er)-Verdrossenheit. Der erzielte Kompromiss war für mich wie auch für viele andere schmerzlich, da ich mich immer für einen Erhalt dieser Grün- und Naherholungsfläche eingesetzt habe und sie immer noch für erhaltenswert halte. Mehr war leider nicht durchsetzbar. Ein zentraler Punkt des Konsenses war jedoch die Verknüpfung zwischen Bauleitplanung und einem Verkehrskonzept für Werden, was jetzt rechtlich nicht möglich sein soll. Es wäre sauberer gewesen, das Moderationsverfahren wieder aufzunehmen und den Beschluss gemeinsam anzupassen. Doch der Beschluss ist nun so gefällt und ich als SPD-Vertreter vor Ort habe dafür auch einzustehen, alles andere halte ich für unredlich. Wir müssen nun die Chancen dieses Beschlusses konsequent umsetzen. Ich werbe deshalb an dieser Stelle für Vertrauen, dass wir als Vertreter vor Ort darauf achten werden, dass eine schnelle Erarbeitung und Umsetzung des Verkehrskonzeptes erfolgen wird.“

Fraktionsvorsitzender Hans Peter Leymann-Kurtz (Die LINKE) findet harte Worte: „Die BI Werden hat sich mit dem Verlassen des Konsenses selber ins Abseits katapultiert. Ohnehin wurden in dem oft zähen Verfahren Interessen vergleichsweise Weniger in einer Art und Weise berücksichtigt, wie dies in anderen Essener Bezirken wohl kaum der Fall gewesen wäre. Dieses Verfahren war ein Privileg, der Rat hat in hervorragender Weise die Interessen einzelner BürgerInnen mit den Interessen der Stadtgesellschaft abgewogen. Es ist vermessen und arrogant, dieses ausgewogene Ergebnis nun in Frage zu stellen.“

Dr. Frank Roeser: „Wir Bürger sollten lediglich pro forma in Planungsprozesse eingebunden werden, um weitere Proteste zu verhindern. Protestierende „Wutbürger“ wie bei Stuttgart 21 sollte es in Essen nicht geben. Die angehörten medizinischen Experten erklärten, dass schon die jetzige Situation besonders im Bereich der Brückstraße dramatisch sei und weitere Schadstoffbelastungen tunlichst verhindert werden müssten. Wesentliches Ergebnis aller Teilnehmer - bis auf Thyssen-Krupp - war, zunächst die seit Jahrzehnten bestehenden Verkehrs- und Luftverschmutzungsprobleme zu beseitigen, bevor weitere ca. 1.000 zusätzliche Fahrzeugbewegungen die ohnehin kritische Situation zusätzlich verschärfen. Gleich lautend und einstimmig hat sich auch die Bezirksvertretung erklärt, im Verfahren ist dies als „Verknüpfung“ bezeichnet worden. Im Ratsbeschluss ist von dieser Verknüpfung nicht mehr die Rede. Dabei hatte doch der Rat der Stadt Essen dieses Verfahren initiiert, Sinn kann es also nur machen, wenn die dort erzielten Resultate auch umgesetzt werden. Da die Verknüpfung im Ratsbeschluss jedoch ignoriert wurde, steht nunmehr endgültig fest, dass wir alle an der Nase herumgeführt wurden. Und so sollte ich leider Recht behalten, als ich mich deutlich äußerte, das Verfahren sei eine Posse.“ Roeser zieht persönliche Konsequenzen und ist am 14. Juli aus dem EBB ausgetreten: „Das Essener Bürger Bündnis hat mit meinem Einsatz für den Erhalt der Grünen Harfe und dem damit verbundenen Stimmenzuwachs überhaupt erst Fraktionsstärke im Rat erhalten. Das Mittun bei so einem fragwürdigen Unterfangen bringt für mich persönlich das Fass endgültig zum überlaufen, ich trete aus, werde aber als parteiloser Werden-Heidhauser Bürger weiterhin mein Mandat in der Bezirksvertretung wahrnehmen und zwar im ausschließlichen Interesse der Bürger des Bezirks IX.“

Während Helmar Pless als Geschäftsführer der Ratsgrünen der BI „Totalopposition“ und „Selbstisolation“ vorwirft, die den von Feinstaub und Lärm geplagten Menschen in Werden einen Bärendienst erweise, meint BV-Mitglied Peter Maas (Bündnis 90/Die Grünen Werden): „Nicht zuletzt durch den massiven Widerstand der Bürgerinitiative zur Rettung der Grünen Harfe wie des politischen Engagements der Grünen im Bezirk IX konnte erreicht werden, dass die Werdener Bürgerschaft nicht von der Verwaltung mit einem Bebauungsplan für die Grüne Harfe überrollt wurde. Von einstmals 400 Häusern bleiben nun maximal 100 Wohneinheiten, ein Verkehrskonzept für Werden wird sukzessive an das Bauleitplanverfahren gekoppelt. Wir sind zufrieden, dass die Ergebnisse der Moderation vom Rat größtenteils akzeptiert worden sind. Wir sind uns auch im Klaren, dass es ein schmerzhafter Kompromiss ist! Wären manche Beteiligte etwas mutiger gewesen, so wäre das Ergebnis deutlich freundlicher für die Bürgerinitiative ausgefallen. Hiervon nehme ich ausdrücklich uns Bezirksvertreter aus, wir sind der Motor, der den Kompromiss erst ermöglicht hat. Nichts desto trotz ist die BI sehr besorgt um die zeitgleiche Umsetzung der Ziele des Runden Tisches. Diese Angst sollten wir ernst nehmen und uns als Sachverwalter dieser Sorgen verstehen und darüber wachen, das der Ratsbeschluss nun mit Leben gefühlt wird und den Prozess kritisch begleiten.“

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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