Das ist wahre (Tier) Liebe

14. Januar 2012
Metz, Dieter, Duisburg

Das ist wahre (Tier) Liebe

Mensch, wir waren auch mal jung und haben uns „die Kante gegeben“.
Und zu meiner Zeit, da gab`s noch die Kneipen („no Bistros, no Pubs“
usw.), in denen man sich auch als junger Typ wohlfühlte und im Kreis
seiner Freunde das eine oder andere Bierchen trank (wohlgemerkt: Kein
Kampf-Saufen!).

Und so war es auch an jenem Sonntagabend. Ich war an der Theke un-
serer Altherrenkneipe „Niesemeier“ in Homberg, damals noch nicht
Duisburg. Nachdem wir so richtig (heute sagt man dazu) „vorgeglüht“
hatten, beschlossen wir weiterzuziehen.

Wir verließen die Kneipe, schnupperten begeistert die frische Abendluft,
als wir einen Hund bemerkten, der vor der Gastwirtschaft herumstreunte.
Mir war das anfangs schnurz, aber als die Kumpel sich mit ihren Blicken
immer mehr dem Tier zuwandten, konzentrierten sich meine Augen auch
auf diese Töle.

Sofort fiel mir auf, dass es sich um einen Mischling mit dunklem Fell han-
delte. Um so mehr ich ihn betrachtete, um so mehr kam er mir bekannt vor.
Es musste wohl „Rinti“, der Hund unserer Nachbarn sein. Ich wohnte zu
dieser Zeit noch bei meinen Eltern und (er)kannte das Tier nur zu gut.
Spontan ging ich auf ihn zu, und rief mehrmals seinen Namen. Tatsächlich
kam er sofort zu mir. (Er war wohl froh, einen „Doofen“ gefunden zu ha-
ben, der sich um ihn kümmert ..., dachte ich zumindest später). Jedenfalls
war klar, es war „Rinti“, der sich ohne Leine mehrere Kilometer von zu
Hause befand.

Ehrlich gesagt, ich war kein großer Tierfreund und hatte auch zu Hunden
keine enge Beziehung (wir hatten zu Hause auch nie einen). Aber in die-
sem Augenlick schwollen alle meine Gefühle auf; hin zu allen Tieren, die
entlaufen, einsam und ohne Helfer in den Straßen dieser Republik herum-
streunten. Glücklicherweise hatte „Rinti“, wie durch ein Wunder, mich,
der ihn sonst kaum eines Blickes gewürdigt hatte, angetroffen.

Dieser Moment, diese Schicksalsstunde, hatte etwas Großartiges, Einma-
liges! Dies alles teilte ich auch prompt meinen Freunden mit, die jedoch
für das Gigantische dieses Augenblicks keine würdige Einsicht zeigten.
Ihr lakonischer, mich verletzender Kommentar: „Mensch, lass den Köter
doch laufen!“

Nein, nein, nein! Das konnte ich nicht übers Herz bringen. Die armen
Nachbarn, das arme Tier. Diese Verzweifelung in den Herzen von Men-
schen und Tier! Diese gefühllosen Freunde, die ich immer anders einge-
schätzt hatte, solidarisch und hilfsbereit. Ich musste mich entscheiden:
Diesen coolen Typen folgen oder heldenhaft eine Hilfe leisten, die viel-
leicht alle von mir nicht erwartet hätten ...

Ich stieg auf in den Olymp der Tierfreunde. Der Menschen, die sich aufopfernd
auf die Seite dieser armen Kreaturen stellen, ihnen die Rechte und Stellung einräumen, um die sich sonst niemand kümmern würde.

Das „Tschö“ und „Dann mach´s mal gut“ meiner sogenannten „Kumpel“ nahm
ich nur noch wie im Traum wahr. Meine Gedanken hingen schon an dem Prob-
lem, wie krieg ich den Hund nach Haus, wenn er keine Leine hat? Äußerst schnell stand mein Entschluss: Damit er mir nicht entlaufen kann, nehm ich ihn auf meine Arme und trage ihn heim. Toll!

Ich bückte mich zu „Rinti“ hinab, der mich mit seinen blinzenden Augen etwas
irritiert anblickte. Da er nicht gerade ein Pinscher war, nahm seine Größe und sein Gewicht mich schon voll in Anspruch. In dieser „tragenden Rolle“ tippelte ich dann los, immer den Kopf dieses Hundes mit großen Augen vor meiner Nase.

Wenn er mir zu schwer wurde, setzte ich ihn schon mal ab, um neue Kräfte
zu sammeln (inzwischen war ich schon soweit, dass ich dachte, wenn er jetzt
abhaut, wäre das auch nicht so schlecht ... Aber den Gefallen tat er mir nicht.)

Unser, durch das Schiksal zusammengeführte, Heimweg betrug ca. 3 – 4 km und ich war mehr als froh, endlich vor der Tür unserer Nachbarn zu stehen. Es war zwar schon etwas spät, aber ich hoffte, dass mir noch jemand die Tür öffnen würde. Kurz nach dem Klingeln lukte die Nachbarin vorsichtig aus dem Türschlitz. Ich nahm ihr sofort sämtliche Befürchtungen und plapperte los, wie es zu dem Treffen mit ihrem geliebten Haustier gekommen ist und dass es Schicksalslos gewesen sei, dass wir zwei in der Ferne aufeinander gestoßen sind und den Rückweg gemeinsam durchgeführt hatten.

Mich wunderte schon der etwas irritierte Blick dieser Frau, die sich doch sämtliche Mühe gab, mir herzlich zu danken. „Rinti“ trabte – wie gewohnt – in die gute Stube der Nachbarn; ich ging – nicht ohne Stolz – nach nebenan, um noch im Einschlafen mir den Bundesverdienstorden für Tierliebe zu verleihen.

Am nächsten Morgen musste ich wieder meinen Ausbildungsjob antreten und stellte erschrocken fest, dass ich den Blazer vomVortag nicht anziehen konnte, er war voller Hundehaare! So stellte ich mich – alternativ gekleidet – meinen beruflichen Anforderungen. Nach Feierabend, zurück zu Hause, fragte mich meine Mutter, was denn gestern abend gelaufen sei. Die Nachbarin hatte ihr bereits berichtet und auch den Blazer zum „Enthaaren“ mitgenommen. Dabei machte sie mich auf eine wesentliche Variante dieser Geschichte aufmerksam, auf die ich selbst nie gekommen wäre.

Und die hing damit zusammen, dass das Verhältnis zwischen „Rinti“ und seiner Gastfamilie nicht immer unproblematisch war. Denn der „liebe Hund“ war nicht immer lieb und hatte seinen eigenen Kopf. Das führte, nach vielen enttäuschenden Erlebnissen meiner Nachbarn mit „Rinti“ (wenn auch politisch und tierisch nicht korrekt) dazu, dass der Herr des Hauses dem armern Tier einen Tritt in den Hintern verpasste und der Hund dies zum Anlass nahm, einfach abzuhauen. Dies wiederum veranlasste meine Nachbarn nicht, in (Trauer-)Tränen auszubrechen. Sie waren schon ein Stück froh, dass alles so geschehen war ...

Um so größer war ihre Überraschung (besser gesagt, ihr Entsetzen), dass noch am selben Tag ihr „Rinti“ auf wundersame Weise wieder den Weg nach Hause gefunden hatte ...

Mir blieb – außer einem bisschen Muskelkater – von dieser Geschichte nur diese Erkenntnis: „?“

Autor:

Dieter Metz aus Duisburg

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