Opa labbert

12. September 2011
Metz, Dieter, 47199 Duisburg

OPA, LABBERT!

Mit meinem Enkel Carlos – knapp 2 Jahre jung – hatte ich
die für mich neue Aufgabe eines gemeinsamen Einkaufs mit
meinem Pkw zu bewältigen. Wie es sich verkehrsrechtlich ge-
hört, saß der Kleine auf einem Kindersitz auf dem Rücksitz
meines Wagens.

Wir hatten die Einkäufe zügig erledigt und Carlos war dabei
geduldig und wirklich pflegeleicht. Ich wollte ihn dafür -
und auch zur Kurzweil auf der Rückfahrt - mit etwas
Schönem belohnen. Und das musste nun auch wirklich kein
Anderer wissen!

Da auch noch die Sonne schien, kam mir die Idee zum Kauf
einer Portion Eis. Bedenken, dass er damit evtl. etwas über-
fordert sei, verflüchtigten sich bei dem Gedanken, wie viel
Spaß der kleine Genießer beim Verzehr der für ihn noch nicht
alltäglichen Köstlichkeit haben würde.

Die Frage des Eisverkäufers nach der Eissorte, erwiderte ich
schon fast spontan mit „Erdbeere“ (ausgerechnet „Erdbeere!!!“
dachte ich später...).

Kompliziert wurde dann das Einchecken von Carlos auf den
Kindersitz, weil er dabei das Eis noch nicht selbst halten konnte
und ich nicht Eishalten und „In den Sitz setzen“ unter einen Hut
kriegen konnte (ging dann irgendwie doch noch).

Ach wie war ich glücklich, als ich ihm das Hörnchen mit der Kugel
Eis in die kleinen Kinderhände drücken durfte. Seine leuchtenden Augen
machten mich in diesem Augenblick völlig sicher, das Richtige getan zu
haben.

Mit diesem Hochgefühl fuhren wir los. Für mich absolut überraschend
kam bereits kurz nach der Abfahrt seine Meldung: „Opa, labbert!“

Puuuh, dachte ich. War vielleicht doch nicht sonne gute Idee? Jetzt
nicht schon verunsichern lassen, war mein nächster Gedanke und
rief , krampfvoll rückwärts gewandt: „Carlos, schön aufpassen und
immer schön das Eis ablecken!“

Die nachgehende Stille hatte mich fast schon beruhigt, als kurz da-
nach ein erneutes „Opa, labbert!“ mich aus meiner Zufriedenheit riss.
Offen gestanden überfiel mich nun schon eine gewaltige Unruhe.
Vielleicht wäre es jetzt doch besser anzuhalten und nach dem Rechten
zu sehen?

Doch es gibt Momente im Leben, da sieht man sich als Versager,
wenn man die eigene Idee verrät. So baute ich mich selbst und meinen
Enkel mental moralischl auf und dachte: Das wird schon gut gehen! Und
so weit ist`s auch nicht mehr bis nach Hause. Also, Augen zu und durch!

Doch „Opa labbert“ kam jetzt schon mindestens im Minutentakt. Mir fiel
es zunehmend schwerer, meine Fahrweise noch der Straßenverkehrsor-
dnung anzupassen. Die Versuchung, das Gaspedal voll durchzudrücken,
um schneller das rettende Ziel zu erreichen, nahm immer mehr zu. Auch
war mir inzwischen sämtlicher Mut verloren gegangen, mich umzudrehen, anzuhalten oder dem Kleinen noch irgendwelche Durchhalteparolen zuzurufen ...

Die ständigen „Opa, labbert!-Rufe“ des wohl völlig überforderten, doch genüsslich schlürfenden Kleinkindes, erreichten mich nur noch im Nebel
des „Nichtmehrwahrnehmenwollens“. So fuhr ich die letzten Meter mit un-
terdrückten Emotionen bis vor die Haustüre, um mir dann das Ergebnis mei-
nes wohl nicht mehr zu toppenden Opa-Experiments anzuschauen.

Der Junge saß nicht unzufrieden in seinem Kindersitz, hatte den Ballen Eis jedoch noch nicht restlos verzehrt und es umwehte ihn ein gewaltiger Duft von Erdbeere und alles, wirklich alles, war rot bekleckert. (Unser Geheimnis war damit wohl auch im Eimer, dachte ich noch so.)

Ich hiefte ihn dann vorsichtig aus dem völlig beschmierten Kindersitz, wobei er voller Unschuld und Stolz das Eishörnchen mit dem kümmerlichen Rest
des Erdbeereises in der Hand hielt.

Und da waren sie wieder: Seine leuchtenden, dankbaren Augen! So hatten wir
für ein paar Minuten (die mir wie eine Ewigkeit vorkamen) ein unvergessliches
Erlebnis. Die nachgehenden Beschwerden und Nörgeleien der übrigen Beteiligten waren für uns nur noch marginal.

Autor:

Dieter Metz aus Duisburg

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