Flachsmarkt!

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Nur der frühe Vogel fängt den Wurm, lautet ein mehr oder minder bekanntes Sprichwort. Auf dem Flachsmarkt trifft man tatsächlich in der Frühe viele „Vögel“ auf der Suche nach dem besten Fang.
„Ich bin jedes Jahr hier und immer so früh vor der Arbeit. Wenn ich später komme, sind die besten Sachen schon weg“, lacht Gabi Schepers aus Bedburg-Hau, die gerade Stoffe bei Willi Bender gekauft hat. Aus denen macht sie Kissenbezüge für ihre Tochter Mina.
Lohnt sich das denn, die hier zu kaufen?
„Aber ja. Der Flachsmarkt ist wirklich günstig. Und außerdem ist er Kult“, sagt die Bedburgerin und zieht mit ihren Tüten weiter, die Arbeit wartet schließlich. Willi Bender, auch der Gardinenspender genannt, kommt aus Tönisheide, der „Hauptstadt von Velbert“ wie er selbst meint: „Goch ist wirklich ein guter Standort. Auf allen Märkten in NRW ist der hauptberufliche Dekorateur zu finden: „Aber Goch hat etwas Besonderes.“
Ob Gardinen, Pferdebalsam, Gemüsereiben, Messerschleifer, Schuhputzmittel, Fensterreiniger oder Schaumstoffe, der Flachsmarkt bietet alles, ist sozusagen Vollsortimenter für die Kundschaft, die um acht Uhr morgens meist weibblich ist.
Hilla Heien beispielsweise ist eine von ihnen und hat Schal und Schürze unterm Arm: „Seit dreißig Jahren habe ich heute erstmals die Möglichkeit, den Flachsmarkt zu erleben“, erzählt die Fachverkäuferin und Vollblutkarnevalistin. Damals hatte sie noch selbst mit ihrem Chef auf dem Flachsmarkt gestanden und „frische Backwaren für 99 Pfennig“ feilgeboten: „Mit der Flüstertüte haben wir da gestanden und Brot, Brötchen und Weckmänner verkauft.“ An diesem letzten Oktober-Dienstag genießt sie einfach die Freizeit.
„Wird sich zeigen, ob es etwas zu genießen gibt“, meint Marc Reinhartz, der Socken und Unterwäsche-Händler. Seit rund 20 Jahren ist der Mann aus Ratingen beim Flachsmarkt in Goch dabei.
Warum so pessimistisch? „Eigentlich ist Goch wirklich ein gutes Pflaster, obwohl es allen schlechter geht“, sagt er.
Das Geld wandere mehr und mehr in „andere Kanäle“, weiß der 40-Jährige und meint damit die festen Kosten wie Benzin, Strom und anderelebensnotwendige Dinge.
Für Wilma und Erwin Bos aus Bedburg-Hau ist der Flachsmarkt trotz gestiegener Lebenshaltungskosten nach wie vor ein Muss. „Wir sind heute extra früh hier. Zum einen, weil wir frühmorgens mehr Ruhe haben und zum anderen, weil wir nachher noch für unsere Enkelkinder kochen müssen“, lacht die Rentnerin am Miederwaren-Stand von Günther Petri, oder auch „Petri Mieder“ genannt. „Ich will mich nicht beklagen“, sagt der Velberter, der das ganze Jahr über auf den Märkten der Republik zu finden ist. „Goch ist einer der besten für mich“, ist der Händler überzeugt und ergänzt: „Ich habe hier meine Stammkundschaft, auf die ich mich trotz Wirtschaftskrise verlassen kann.“
„Es hat doch bundeswerit Einschnitte gegeben“, will auch Rolf Baumgart das Gerede um Einbrüche nicht gelten lassen. Seit dem Ende der 60er Jahre kommen er und Ehefrau Maria nach Goch, um ihre Gürtel, Hosenträger und Haushaltswaren an den Mann beziehungsweise die Frau zu bringen. „Ich bin wirklich zufrieden, in Goch läuft es in der Regel gut“, sagt er.
Michael Barki kann dem nur beipflichten und schätzt ebenfalls den Standort Goch. Er hält daran fest wie der Klebstoff, den er hier verkauft: „Es lohnt sich wirklich, ich habe meine Stammkundschaft und die bleibt mir in Goch treu.“
„In Goch sind die Leute sehr nett und der Flachsmarkt hat hier einen besonderen Status“, sagt nebenan Claas, der zusammen mit Antje und Michael aus seinem Lkw Joghurt und andere Milchprodukte verkauft.
„Der Flachsmarkt in Goch ist eine der größten Nummern im Kreis Kleve“, weiß Bäckermeister Joachim Reffeling, der diesmal überraschenderweise mit seinem Stand an der Herzogenstraße/Bahnhofstraße zu finden ist. „Die Loveparade ist schuld“, sagt er an diesem frühen Dienstag Morgen. Die Loveparade? Reffeling: „Ja, es hieß, dass der Markt aus organisatorischen Gründen wegen der Vorfälle in Duisburg neu gestaltet werden musste.“
„Wir haben in diesem Jahr tatsächlich darauf geachtet, dass die Rettungswege noch freier sind, als es bisher schon der Fall war“, erklärte gestern der Gocher Stadtsprecher Torsten Matenaers gegenüber dem Gocher Wochenblatt. Zwanzig Händlern musste darum eine Absage erteilt werden, doch ansonsten sei der Flachsmarkt das, was er schon seit Jahren für Kunden und Händler ist:
Groß und kultig.

Autor:

Franz Geib aus Goch

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