Schule vor 200 Jahren
200 Kinder in einer Klasse: Kuh- und Schweinestall war wichtiger als neue Schule

Die alte einklassige evangelische Dorfschule in Esborn.  | Foto: Stadtarchiv Wetter
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  • Die alte einklassige evangelische Dorfschule in Esborn.
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Von Dr. Gerhard E. Sollbach

Akute Schulraumnot herrschte vor 200 Jahren in dem ausgedehnten (evangelischen) Schulbezirk Esborn, zu dem auch Albringhausen gehörte. Die alte einklassige Dorfschule war nämlich viel zu klein geworden für die auf 200 angewachsene Zahl der schulpflichtigen Kinder.

Daher hatte der zuständige Landrat in Hagen den Bau einer zweiten (einklassigen) Schule in dem Schulbezirk und die Anstellung eines Lehrers dort angeordnet. Doch dagegen sträubte sich der Schulvorstand, denn die Durchführung der Anordnung würde eine zusätzliche finanzielle Belastung der Einwohner bedeuten. Zwar war die Schule nach dem Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 eine Veranstaltung des Staates. Doch zahlen wollte der Staat dafür nicht. Die Finanzierung des Schulwesens war vielmehr allein Sache der einzelnen (Schul-)Gemeinden. In Esborn erfolgte die Aufbringung der Kosten für den Bau, die Ausstattung und den Unterhalt der Schule sowie für das Gehalt des Lehrers durch Umlage auf alle Einwohner, gleich ob sie schulpflichtige Kinder hatten oder nicht.

Schichtunterricht als Lösung

Doch in dem damals noch rein ländlichen Esborn war wie allgemein auf dem Land Geld knapp. Hinzu kam, dass seinerzeit wirtschaftlich schwierige Zeiten herrschten. In seiner Sitzung am 21. Juli 1834 beschloss der Esborner Schulvorstand daher, dem Landrat mitzuteilen, dass die Schulgemeinde bei den herrschenden „geldlosen Zeiten“ unmöglich die Mittel für eine zweite Schule aufbringen könne, und um einen Aufschub von zwei Jahren zu bitten. Inzwischen wollte man aber prüfen, ob die Schulraumnot sich nicht durch die Abgaben von schulpflichtigen Kindern an benachbarte Schulen mildern ließe und so eine zweite Schule unnötig würde, zumal man mit den Unterrichtserfolgen des Lehrers Heuser zufrieden war. Doch der Schulvorstand spielte auf Zeit und die zwei Jahre waren nur der Anfang. Allerdings erforderte die Tatsache, dass ein beträchtlicher Teil der schulpflichtigen Kinder aus Platzmangel die Schule nicht besuchen konnte (selbst wenn sie wie die Sardinen zusammengedrängt standen, passten höchstens 160 in die Schulstube), eine rasche Lösung. Seit dem Erlass des „Allgemeinen Land-Schulreglements“ von 1763 galt in Preußen nämlich für alle 6- bis 14-jährigen Kinder die gesetzliche Pflicht zum Besuch der Schule. Der Schulbesuch musste von den Schulgemeinden daher auch ermöglicht werden. Die Lösung, und zwar eine gänzlich kostenneutrale, um dem Gesetz zu genügen, fand der Schulvorstand auch schnell. Sie hieß Schichtunterricht. Noch auf seiner Sitzung am 21. Juli 1834 beschloss er, dass Lehrer Heuser in Zukunft die 11- bis 14-jährigen Schulkinder am Vormittag und die 6- bis 14-jährigen am Nachmittag unterrichten sollte.
Allerdings besuchten damals vor allem in den ländlichen Gegenden keineswegs alle schulpflichtigen Kinder auch die Schule. So musste der Schulvorstand auf seiner vierteljährlichen Sitzung am 9. Februar 1837 nach Durchsicht der von Lehrer Heuser angefertigten Fehllisten die Namen von 47 Schulkinder, die im letzten Quartal 1836 die Schule gar nicht oder nur ein paar Tage besucht hatten, dem Bürgermeister zur Bestrafung der Eltern übersenden.

Fehlen durch Erntehilfe und Viehhüten

Im 2. Quartal 1838 z. B. waren es 45 Kinder, die sich in der Schule nur ausnahmsweise hatten sehen lassen. Vor allem im Sommer, wenn die Kinder zu Hause als Hilfe bei der Ernte benötigt wurden, sowie vom Frühjahr bis zum Herbst, wenn sie besonders zum Viehhüten herangezogen wurden, herrschte Leere in den Schulen. So fanden sich am 27. Juli 1835 bei dem ja angekündigten Kontrollbesuch der Esborner Schule durch den Schulinspektor und lutherischen Pfarrer in Wengern, Gustav Ludwig Natorp, doch nur 120 Schulkinder in der Schule. Im Winter, wenn die Kinder zu Hause nicht gebraucht wurden, schickte man sie in die Schule, die dann häufig heillos überfüllt war. Doch auch bei dem Besuch des Schulinspektors am 26. Januar 1835 waren lediglich 141 Schulkinder anwesend. Tatsächlich hielten aber die schlechten und damals sämtlich noch ungepflasterten sowie weiten Wege in dem ausgedehnten Schulbezirk Esborn viele Kinder bei winterlichem oder Regenwetter vom Schulbesuch ab.

Kuh- und Schweinestall für den Lehrer

Auf der zusammen mit dem Besuch des Schulinspektors am 26. Januar 1835 abgehaltenen Sitzung des Schulvorstands war der Beschluss gefasst worden, dass am 2. Februar 1836 eine außerordentliche Schulvorstands-Sitzung zwecks Regelung der Angelegenheit des Schulneubaus stattfinden sollte. Diese Sitzung hat aber nie stattgefunden. Tatsächlich ist es dem Schulvorstand in Esborn gelungen, den Schulhausbau immer weiter hinauszuzögern, obwohl die Zahl der schulpflichtigen Kinder Schulbezirk ständig anstieg. 1840 betrug sie bereits 210. Für wichtiger als eine neue Schule hielt der Schulvorstand offensichtlich den Bau eines Kuh- und Schweinstalls an der Schule für den Lehrer. Dieses Bauvorhaben wurde vom Schulvorstand auf seiner Sitzung am 16. Mai 1841 nämlich genehmigt. Allerdings war der Lehrer auf Grund seines mageren Gehalts für die eigene Ernährung und die seiner Familie auf die Haltung von Nutztieren aber auch dringend angewiesen. Statt eines Schulneubaus beschloss der Schulvorstand des Weiteren am 9. November 1840 die Fortsetzung des Schichtunterrichts vor allem in den Monaten Dezember bis Januar. Erst 1842 kam es auf energischen Druck der staatlichen Behörden schließlich zum Bau einer zweiten einklassigen Schule im Schulbezirk Esborn. Sie wurde in dem Dorf Albringhausen errichtet. Dadurch entspannte sich die Raumnot in der alten Esborner Schule, sodass diese vorerst weiter einklassig bleiben konnte.

Autor:

Lokalkompass Hagen aus Hagen

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