Keine Einladung an Funktionäre und Verwaltung. Gedanken zu einem "Dreißigsten" Geburtstag

von links nach rechts: Melanie Luczak (Fachkraft, Beratung und Begleitung), Kathrin Maraun (Beauftragte für interkulturelle Prävention), Nicole Zargus (Vorstand)
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  • von links nach rechts: Melanie Luczak (Fachkraft, Beratung und Begleitung), Kathrin Maraun (Beauftragte für interkulturelle Prävention), Nicole Zargus (Vorstand)
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Die Arbeit in Vereinen oder Verbänden gründet auf zwei Säulen. Die bezahlten, wie die unbezahlten Kräfte. Sogenannte Hauptamtler*innen und Ehrenamtler*innen. Beide Säulen sind dabei gleichermaßen tragend. Reißt Du die eine ein, fällt auch die andere. Das ganze Gewicht eines Daches kann nicht allein von einer Säule getragen werden. Klingt banal, bedarf keiner großen Worte, möchte man meinen. Weiß ja jedes Kind. Ist das so? Oft genug bekommt man – gerade im Umgehen mit Politik und Verwaltung das Gefühl, das vielleicht jedes Kind das weiß, aber nicht unbedingt jeder Mensch in Verwaltung und Politik.

Bestenfalls – so scheint es - dient das Ehrenamt allzuoft als Alibi an den Stellen, wo staatliche Strukturen, die es irgendwie zu sichern gilt, versagen. Obwohl der staatliche Behördenapparat schlicht und ergreifend zuständig ist, diese sicher zu stellen.

Man muss dazu gar nicht auf die aktuelle sog. Flüchtlingskrise zurückgreifen, um das zu erklären. Auch wenn man hier eindrucksvoll beobachten konnte, wie letztlich sog. Ehrenamtliche dafür sorgten, dass der Merkelsche Satz „Wir schaffen das“ nicht komplett verpuffte und gänzlich zu einer Metapher für Politik- und Behördenversagen wurde.
Nahezu jeder soziale Bereich kam und kommt nicht ohne die Arbeit von Vereinen und Verbänden und deren Selbsthilfepotentiale, Synergien und Kompetenzen aus. Ja, letztlich sind die Träger*innen dieser Arbeit längst systemischer Teil dieser staatlichen, originären Pflichtaufgaben.
Man mag sich allerdings fragen, warum die kommunale Verwaltung vieler Städte immer wieder von sog. „freiwilligen Aufgaben“ spricht, die man je nach Kassenlage wahlweise dem Sparmentor oder der sog. „schwarzen Null“ opfern kann. Ehrenamt als „Verhandlungsmasse“ auf dem Altar des „Sparens“.
Das freiwillige und unbezahlte Engagement ehrenamtlicher Mitarbeiter*innen hat auch in der AIDS-Hilfe einen festen Platz. Es ermöglicht nicht nur Angebote, die auch auf einer persönlichen und privaten Ebene wirken können, sondern eröffnet vor allem unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen eine Beteiligung und fördert so die Integration der Zielgruppen der AIDS-Hilfe in die Gesellschaft. Ne, nicht nur Integration, sondern, so können wir nach nunmehr 30 jähriger Erfahrung in Hagen durchaus feststellen, die Inklusion.
Unsere Leute gehören längst nicht mehr zu einer „Randgruppe“ sog. Gutmenschen, die nur ein Thema kennen und mit missionarischem Eifer alle anderen davon überzeugen wollen oder als Moralapostel umherlaufen.
Nein, unsere Leute bringen ihre unterschiedlichen Lebensumfelder, ihre Biographien, ihre Kenntnisse und ihre Lebenserfahrungen aus allen anderen Bereichen in eben diese Lebensbereiche zurück und umgekehrt.
Dabei ist die Arbeit für unsere Mitarbeiter*innen kein Kaffeeklatsch mit Gleichgesinnten. Sie durchlaufen eine umfangreiche Ausbildung in allen möglichen Bereichen, sei es medizinisch, psychologisch oder soziokulturell. So erweisen sie sich so sogar als wertvolle Ratgeber*innen für Fachleute und Hauptberufliche. Ehrenamtliche Arbeit ist nicht durch hauptamtliche Arbeit ersetzbar und erfüllt umgekehrt nicht den Zweck, hauptamtliche Mitarbeiter*innen zu ersetzen oder zu entlasten. Die Aidshilfe ist froh über das regelmäßige Engagement ihrer Menschen, die in unterschiedlichster Weise die AIDS-Hilfe unterstützen.
Und machen wir uns nichts vor, was für den Verein im Kleinen gilt, gilt letztlich auch für die Kommune selbst, wo die Vereine und Verbände bei der Wahrnehmung kommunaler Pflichtaufgaben mitwirken. So wie Diakonie, Caritas, AWO, oder „Hagen ist bunt“, ASB, Frauenhilfen und vielen mehr.

kritisch, solidarisch, unabhängig

Wenn bei der AIDS-Hilfe knapp an die 40 Ehrenamtliche unterschiedlich intensiv und drei bezahlte Kräfte mehr als 12.000 Stunden Arbeitsstunden mit hoher professioneller Qualität leisten, dann kann man sich leicht selbst ausrechnen, was das eine Kommune und damit die Steuerzahler*innen oder die berühmte schwäbische Hausfrau kosten würde, würde sie die gleiche Arbeit ausschließlich selbst leisten müssen. Von den Schreibtischen einer behördlichen Struktur, mit einer Menge an Papier, unendlich langen Gremiensitzungen, vielen Verwaltungsvorschriften und allzu oft unkreativer Ideenlosigkeit. Und auf dem Weg zur Effizienz verlorengegangener Motivation. Ohne das Herz und die Seele der Engagierten in Vereinen und Verbänden, ohne deren Lächeln oder deren Arm und Ohr. Ohne den Einsatz, der weit über behördliche Bürozeiten hinausgeht, der im Prinzip keinen Samstag oder Sonntag kennt. Weil Probleme und Sorgen der Mitmenschen, wie auch deren Freuden eben nicht nach Tarifen und Feierabend fragen.

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat die AIDS-Hilfe Hagen gestern ihren 30. Geburtstag nachgefeiert, der offiziell bereits im April stattfand.

Eigentlich sind wir bekannt dafür, an solchen Tagen groß und öffentlich zu feiern und in der Presse erwähnt zu werden. Und oft wurden wir auch im Vorfeld gefragt, warum dieses Mal eigentlich nicht?
Das hat unterschiedliche Gründe und es ist nicht so, dass wir nichts geplant hätten. Im Gegenteil. Da gab es einiges an Ideen und eine Menge Motivation. Bis wir uns allerdings gefragt haben, wessen Tag das eigentlich ist und für wen wir eigentlich feiern. Wer sollte die Bühne bekommen? Vor allem, was würde es uns wieder an Zeit und Geld kosten, an Einsatzstunden und Herzblut? Und für wen denn eigentlich?

Um mehr oder weniger wichtigen (Lokal)-Prominenten für teils kurze oder längere Grußworte eine Bühne zu geben, salbungsvolle Worte und Versprechungen von sich zu geben, sich feiern zu lassen und unter dem wohlwollenden Blicken der lokalen Pressefotografen nette Präsente, wie einen Strauß Blumen oder ein Bild vom Rathausturm zu überreichen?

Und wozu?
Um bei einem Antrag auf eine fällige Fördererhöhung in einem zweieinhalbjährigen Prozess an den sog. Dienstweg erinnert zu werden, der dann doch entweder abgelehnt wird und mit fast inhaltsgleichen Worten, wie bei den salbungsvollen Grußworten auf den schnieken Empfängen darauf hingewiesen zu werden, dass man sich eigentlich viel zu wichtig nähme?

Dass letztlich unsere Arbeit „zu viel ist“ und dass außerdem eh kein Geld da sei. Das wisse man ja…. und eben deswegen könne man einer Fördererhöhung nicht zustimmen. Ein Antrag für den man allerdings zweieinhalb Jahre mehrere Ausschusssitzungen mit vielen Arbeitsstunden der (übrigens auch ehrenamtlichen) Freizeitpolitiker*innen geopfert hat? Und Verwaltungsmitarbeiter*innen beschäftigt - mit einer Menge an Papier, einer Menge an Berichten und zahlenmäßigen Nachweisen, dass man das Geld auch wirklich sinnvoll eingesetzt hat.
Oder um mit dem Hinweis, man möge doch vielleicht noch mehr alkoholfreie Cocktails verkaufen oder sein Angebot um Kaffee erweitern, vertröstet zu werden, „das schaffe man dann schon“. Und wenn nicht, wäre das zwar traurig, weil man dem Verein ja gerne die Ehre zukommen lässt, die trockene und schwierige Arbeit der Gesundheitsprävention durch schöne Ideen der Ehrenamtlichen zu schmücken, aber sicherlich könne das „Amt“ das sicherlich auch selbst und wesentlich billiger.

Ich weiß, das klingt jetzt zynisch, frustriert und undankbar. Oder so wie „der Typ aus der Körnerstraße hat mal wieder gemeckert“. Ja, das klingt es. Und zwar, weil das genau so ist!

Es war also eine bewusste Entscheidung, auf das Polit-Promi-Schaulaufen zu verzichten. Wir haben nicht “ausgeladen”, sondern dieses mal gar nicht erst eingeladen.

Allerdings wollen wir diese Frustgefühle gar nicht überhand nehmen lassen. Und wir sind ja auch nicht wirklich nur frustriert. Ne, echt nicht.
Für uns bedeuten nämlich die letzten 30 Jahre vor allem auch eins. Viel Zuspruch und herzliches Wohlwollen, Engagement und Unterstützung der Hagener Bevölkerung, der Kooperationspartner*innen, die es trotzdem überall immer wieder gibt, den Spender*innen, Sponsoren, ehrenamtlichen Menschen, den Jugendlichen, den Menschen mit und ohne HIV, den anderen Vereinen oder Verbänden, den Karnevalist*innen vom Fummellauf, den Helfer*innen vom Nachtflohmarkt, den lustigen Radiomenschen von Radio Hagen, den Menschen in den sozialen Medien (vor allem drei wunderbaren Facebookgruppen) und vielen mehr, die wir nicht alle nennen können (immerhin bin ich jetzt schon auf Seite 3).
Gestern haben wir also einfach uns selbst bescheiden im Hagener Kultopia gefeiert.
Danke an Bernd König und sein Klasse-Team, die es uns wirklich schön gemacht haben.
Und nicht zuletzt den bezahlten und unbezahlten Leuten, deren Freude und Leidenschaft und auch ihren Familien und Angehörigen, die manche Abende auf uns verzichten müssen, die uns und unsere Klamotten durch die Gegend karren, die beim Waffelbacken helfen und Tische schleppen und uns und unser Chaos einfach aushalten und uns fördern!

Dieser Dank geht ausdrücklich heute speziell an Euch!

DANKE

Euer Andreas

Autor:

Andreas Rau aus Hagen

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