NS-Prozess am Landgericht Hagen: Freispruch für Siert Bruins
Von Patricia Prange
Mit diesem Ausgang des großen NS-Prozesses am Hagener Landgericht hatten nur die wenigsten gerechnet: Das Verfahren um Siert Bruins wurde eingestellt. Es war ein mittäterlicher Totschlag, und der ist verjährt. Als die Richter der Hagener Schwurgerichtskammer das Urteil verkündeten, ging ein Raunen durch das Publikum. Die Richter stellten das Verfahren ein.
Weder verurteilten sie Siert Bruins noch sprachen sie ihn frei. Wie konnte das sein? Die vorsitzende Richterin Heike Hartmann-Garschagen erklärte: Der ungeheure Beweisverlust in den vergangenen rund 70 Jahren habe sich zugunsten des Angeklagten ausgewirkt. Wichtige Zeugen, die „das Gericht gerne gehört hätte“, seien verstorben, so die Richterin. Es existierten nur noch schriftliche Protokolle von zum Teil Jahrzehnte zurückliegenden Aussagen. „Wir müssen uns damit zufrieden geben, was die Zeugen damals gefragt wurden.“
Arglosigkeit des Opfers Aldert Klaas Dijkema
Und das war der Schwurgerichtskammer nicht genug. Hatte Oberstaatsanwalt Andreas Brendel das Mordmerkmal Heimtücke und die Arglosigkeit des Opfers Aldert Klaas Dijkema gesehen, so hielt die Kammer am Mittwoch in ihrer Urteilsverkündung dagegen. „Wir wissen es nicht.“ Gerade die Frage, ob Dijkema die Gefahr begriff, in der er sich befand oder nicht, konnten die Richter nach so langer Zeit und mit den wenigen zur Verfügung stehenden Mitteln unmöglich klären, hieß es. So unverständlich es klingen mag: Aber um Siert Bruins wegen Mordes verurteilen zu können, hätte das Gericht genau wissen müssen, dass Dijkema wirklich nichts von seiner eigenen Erschießung ahnte. Denn nur dann wäre er arglos gewesen. Aber das könne nach einer so langen Zeit nicht bewiesen werden.
"Keine Ruhe für NS-Täter!"
Unbestritten war für die Richter aber, dass der Breckerfelder nicht nur dabei war – wie er selbst behauptet hatte –, sondern auch geschossen hat. „Beide (Siert Bruins und August Neuhäusser) haben gleichzeitig jeder zwei Schüsse auf Dijkema abgegeben.“ Das Urteil ließ Presse und Publikum wegen der juristischen Feinheiten ratlos zurück. Einige Menschen machten auch ihren Protest deutlich und hielten Plakate hoch. Darauf stand: „Keine Ruhe für NS-Täter! Der nächste kommt bestimmt!“ Der Oberstaatsanwalt wollte sich zu seinem weiteren Vorgehen nicht äußern. Aber es gibt das Rechtsmittel der Revision. Der Vertreter der Nebenklage will sich mit seiner Mandantin, der 97-jährigen Schwester des getöteten Dijkema, beraten.
Autor:Lokalkompass Hagen aus Hagen |
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