Das Drachenbündnis (Malin Auer, 15)

*
Sei gegrüßt Fremder,
der da reist in unsere Welt.
Willkommen ist
wer mutig, nett und freundlich ist,
und sich an unsere Regeln hält.
Doch wer unaufrichtigen Herzens ist,
oder plant uns're Welt gar zu vernichten,
sei gewarnt Fremder!
Die steinernen Drachen werden Richten.
*

Es roch nach Stroh, und man konnte den Staub fast schon schmecken. Die Hitze brannte auf
der Haut. Dort wo die Sonne hin schien hatte man das Gefühl bei eigenem Leibe zu verbrennen. Dies war kein Sommertag wie jeder anderer, dass spürte Sheira. Man bekam so ein kribbeln hinterm Bauchnabel, und die Luft schien zu knistern, als sei sie elektrisch aufgeladen. Sheira liebte dieses Gefühl von Abenteuer und bedauerte es meist das gerade in dieser verschlafenen Kleinstadt nie etwas dergleichen passierte. Es war damals der 21. Juli, und der bisher heißeste Tag in dem Sommer. Sheira wusste es noch genau, weil mit diesem Tag alles begann.

Das Mädchen lag in einem Weizenfeld, das gerade hoch genug gewachsen war, ihren schmalen Körper mit den Schatten der Pflanzen zu bedecken. Sie lag einfach da ohne sich zu bewegen, um ja keinen Staub aufzuwirbeln. Sie liebte es. Den Weizengeruch, die Hitze, das Wolken beobachten, den blauen Himmel, kurzum: sie liebte den Sommer.

Sheira war schon immer ein Sommerkind gewesen. Und auch schon vor 10 Jahren, sie war damals 5 Jahre alt, hatte sie auf demselben Platz, im selben Weizenfeld gelegen und still den Himmel beobachtet. Ihre Mutter, Alexandra, aber jeder nannte sie nur Alex, hatte sie damals für verrückt gehalten, nur weil sie nicht „wie jedes andere normale Kind“ draußen im Garten mit Freunden gespielt hatte. Sheira tat sich insgesamt schwer mit Kontakt zu anderen Menschen. Sie hatte nur einen wirklich guten Freund, Tobi. Sie kannte ihn schon seit der Grundschule, und solange waren sie auch befreundet. Sie waren immer eher die Außenseiter gewesen, aber sie waren zufrieden damit, denn sie hatten einander. Tobi war immer für sie da gewesen und sie für ihn.

Während Sheira den Himmel beobachtete und die Formen der Wolken deutete, die vorbeiflogen, dachte sie ein wenig nach. ‚Was Tobi gerade wohl macht? Vielleicht zieht er mit Jake und Chris um die Häuser? Vielleicht kommt er mich ja heute noch besuchen.‘ Ein Lächeln umspielte ihren schmalen Mund. Sie blickte zur Seite und Stellte fest, dass ihre sonst Feuerroten Haare im Schatten des Feldes Rubinrot, fast schwarz, aussahen, wogegen sie nicht abgeneigt war. Sie hatte ihre Haarfarbe noch nie gemocht. Genauso wie ihr blasses schmales Gesicht, und ihre Großen grünen Augen, die sie immer für Matschfarbig hielt. Alles in allem hatte sie sich selbst noch nie wirklich gemocht. Aber vielleicht hatte das auch mit dem frühen Verlust des Vaters und mit der Trauer die folgte zu tun gehabt.

Schon als sie 6 Jahre alt war hatte ihr Vater sie eines Nachts verlassen. Sheira hatte ihn mit gepackten Koffern aus dem Haus rennen sehen. Er hatte sich noch nicht einmal nach ihr umgedreht als sie angefangen hatte zu weinen, und war einfach weiter gelaufen. Sheira war ihm hinterhergerannt, doch er war viel schneller als sie und als er außer Sichtweite gewesen war, hatte sie sich auf den Boden gelegt und geweint, bis ihr Mutter auftauchte und sie, unter Sheiras häufigen Protest, in ihr Zimmer getragen hatte. Sheira erinnerte sich nicht gerne daran. Seit diesem Tag hatte sie einen Hass auf ihren Vater, der den aller Menschen die sie sonst so hasste bei weitem überragte. Sie hatte sich geschworen, dass sie ihn wenn er sich jemals trauen würde zurückzukehren, mit ihrer Nichtbeachtung Strafen würde, und nie ein Wort mit ihm reden würde.

Währen Sheira noch in Gedanken versunken dar lag, ging um sie herum die Sonne unter, die das ganze Licht mit sich nahm. Es wanderte über die Felder, dem Horizont entgegen bis es schließlich dahinter verschwand. Es war ein atemberaubendes Schauspiel. Sheira sah in den Himmel, gefesselt von dem malerischen Sonnenuntergang, der den Himmel einfärbte, bis er schließlich ein sattes Dunkelblau annahm.

Erfüllt von dem was sie gerade beobachtet hatte schaute Sheira auf die Uhr, die sie letzten Geburtstag von Alex geschenkt bekommen hatte, und stellt fest wie spät es schon war. Entsetzt sprang Sheira auf. Sie dachte daran, dass ihre Mutter sich sicher sorgen machen würde, sie machte sich so schnell sorgen. Das Mädchen klopfte sich den Staub und die Weizenkörner von der Hose, und wirbelte dabei eine beachtliche Menge Staub auf. Fasziniert betrachtete sie, die in der Dunkelheit kaum zu sehende Wolke, die sich in Spiralen und scheinbar minimalen Explosionen fortbewegte. Plötzlich sah sie in mitten der Wolke etwas aufblitzen. Es sah aus wie ein Auge mit einer senkrechten Pupille. Aber das konnte doch nur Einbildung gewesen sein, oder? Sheira stapfte durch die Ähren die kniehoch um sie herum wuchsen. Immer näher kam sie in Richtung der beleuchteten Straße. Es handelte sich um eine schmale Landstraße die zwischen Dorf und Innenstadt verband.

Schritt für Schritt ging sie vorwärts auf dem Weg nach Hause. Die Straße war nur spärlich von ein paar Straßenlaternen am Rand beleuchtet, von denen einige flackerten, und andere gar nicht mehr funktionierten. Alles in allem sorgten diese Lichtverhältnisse für eine unangenehme Atmosphäre, die Sheira sofort wahrnahm. Ihr war es sehr unbehaglich. Ihr liefen trotz des warmen Wetters Schauer über den Rücken und sie begann zu zittern. Plötzlich hörte sie ein Rascheln hinter sich. Abrupt drehte sich Sheira um und schaute ins Dunkel. Am Straßenrand erkannte sie einen Busch. „Wahrscheinlich was das nur eine Katze.“ Sagte sie sich, und ging weiter, jedoch zügiger als zuvor.

Sheira hatte keine Angst im Dunkeln, aber heute war es etwas anderes. Alles in ihr schrie Gefahr, sie konnte es nur nicht einordnen und begründen. Sie lief immer schneller die Straße entlang und schaute sich immer wieder um. Das hätte sie besser nicht tun sollen denn prompt stolperte sie über einen Riss im Asphalt und schlug mit den Knien und Handgelenken hart auf dem Boden auf. Reglos blieb das Mädchen auf der Straße liegen und horchte in die Dunkelheit hinein. Da war das Rascheln schon wieder. Sheira Sprang auf und wollte wegrennen, aber ihre Beine gehorchten ihr nicht. Wie Angewurzelt blieb sie auf der Straße stehen.

Ein Plötzlicher Windstoß wirbelte ihre Haare auf, so dass sie aussahen wie flammen in der dunklen Nacht. Sie spürte wie sich Schweißtropfen in ihrem Nacken sammelten, und ihre Hände feucht wurden. Sie nahm ihren schweren Atem und das schnelle Klopfen ihres Herzens war und konzentrierte sich darauf sich wieder zu beruhigen. Es gab doch weit und breit nichts Gefährliches hier. Plötzlich spürte Sheira wie sie an der Schulter gepackt wurde. Erschrocken wirbelte sie herum. In der Dunkelheit erkannte sie vorerst nur den großen und breiten Umriss eines Mannes, der ihr seine massige schwere Hand auf die Schulter gelegt hatte. Bei genauerem hinsehen erkannte sie, dass der Mann schwarze, oder sehr dunkle Kleidung trug, schwarze nach hinten gegelte fettige haare hatte, und sein Grinsen, dass seinen Mund ziemlich schief aussehen ließ, konnte einem wirklich Angst machen. Sheira wollte weiter laufen, aber der Mann verstärkte den Druck auf ihre Schulter so massiv, dass ihr nichts anderes übrig blieb als stehen zu bleiben.

„Was wollen sie von mir?“ fragte sie mit fester Stimme, doch sie schaffte es nicht ganz das Beben dahinter zu verbergen. „Als ob du das nicht wüsstest Prinzesschen.“ der Mann grinste noch schiefer. „Der Mann ist bestimmt ein Vergewaltiger!“ dachte Sheira, und sie bekam Angst. Sie schnürte ihr Kehle und Brust zu, so dass sie kaum noch Luft bekam. Sheira wollte schreien, doch der Mann war schneller. Er hielt ihr mit der freien Hand den Mund zu. „Ruhig Prinzesschen. Wir wollen doch nicht das dem hübschen Gesicht etwas passiert.“ Sagte der Mann und lockerte den griff um Sheiras Schulter. Das Mädchen reagierte sofort und versuchte sich zu befreien. Blitzschnell griff der Mann in seine Tasche, und zog ein Messer heraus, das er dem sich wehrenden Mädchen an den Hals hielt. „Na? Immer noch Lust dich zu wehren Prinzesschen?“ Der Mann lachte dreckig „Kommen wir zur Sache.“ Sheiras Augen weiteten sich vor Panik, und sie spürte wie Tränen in ihnen hochstiegen. Heiße Tränen die alles verschwimmen ließen und ihr die Sicht nahmen. „Was soll ich tun?!“ dachte Sheira verzweifelt, und versuchte sich zu wehren. Doch der Mann verpasste dem Messer einen Ruck und Sheira spürte einen brennenden Schmerz, und etwas Warmes dass an ihrem Hals herunter lief. „Prinzesschen. Wenn du dich wehrst werde ich dich umbringen.“ Sagte der Mann mit einer sanften Stimme.

„So Prinzesschen. Wo ist das Buch?“ Sheira stutzte. Ein Buch? Der Mann wollte nur ein Buch von ihr? Nichts weiter? Sheira hätte fast gelacht, doch das Messer an ihrem Hals hielt sie davon ab, und zeigte ihr, dass der Mann es ernst meinte. Er ließ die Hand von Sheiras Mund sinken. Das Mädchen nutzte die Gelegenheit, und schrie: „HILFE!! EIN MANN ENTFÜHRT MICH! HIL…“ Der Mann hatte Blitzschnell reagiert und ihr wieder die Hand auf den Mund gelegt. „Prinzesschen kapierst du es nicht? Wenn du schreist oder dich wehrst werde ich dich töten, und dann nutzt du niemandem was.“ Sagte der Mann, und Sheira merkte dass er wütend war. Sheira verstand, und wieder machte sich die Angst in ihr breit. Der Mann sagte: „Ich werde jetzt meine Hand von deinem Mund nehmen und du sagst mir dann wo das Buch ist. Wenn du schreist oder dich wehrst, schneide ich dir die Kehle durch.“ Der Mann ließ erneut seine Hand sinken, und geb Sheira die verlockende Chance zu schreien, aber das Messer, das immer noch an ihrem Hals ruhte, ließ sie wehrlos bleiben. „Wo ist das Buch?“ fragte der Mann, und die Ungeduld in seiner Stimme konnte er nicht verbergen. „Ich weiß nicht wovon sie reden! Ich weiß nicht was sie von mir wollen!“ „Das Buch, Prinzesschen, nur das Buch.“ Sheira spürte wie ihre Beine zu zittern begannen. „Was für ein Buch?! Ich weiß nicht wovon sie reden!“ rief Sheira verzweifelt. „Prinzesschen, tu nicht so als ob du nichts wüsstest. Ich weiß du hast es irgendwo versteckt, und mein Meister braucht es.“ „Was für ein Meister?! Ich weiß nicht wovon sie reden! Bitte, lassen sie mich gehen!“ der Mann lachte. „Und dich mit dem Buch entkommen lassen? Nein Prinzesschen, so dumm bin ich nicht. Sag mir wo das Buch ist, JETZT, oder du kannst Lebewohl zu deinem Leben sagen.“ Sheira merkte wie sie Panik bekam. Nicht bloß Angst, sondern Panik. Ihr Herz raste, ihre Beine gaben nach, und ihr wurde schwarz vor Augen.

„Sheira! Sheira!“
„Hallo?“
„Sheira!“
„Wer bist du? Und wo bist du? Bin ich tot?“
„Du bist nicht tot. Ich bin hier um dir zu helfen Sheira!“
„Aber wer bist du?“
„Das wirst du noch erfahren. Sheira, sag Thoris nicht wo das Buch ist!“
„Ich weiß gar nicht was für ein Buch er meint! Die einzigen Bücher die ich besitze sind Schulbücher!“
„Es ist besser so wenn du es noch nicht weißt. Dann kann er nichts erfahren.“
„Sprich nicht so in Rätseln! Sag mir was für ein Buch er will, dieser Thoris!“
„Das wirst du noch erfahren!“
„Aber er wird mich umbringen!“
„Sheira! Beruhige dich! Das wird er nicht tun. Er glaubt du hättest das Buch versteckt, und du weißt als einzige wo es ist. Du würdest ihm nichts mehr nutzen wenn du tot wärst.“
„Aber was soll ich tun?“
„Warte! Warte ein wenig. Hilfe wird kommen… Hilfe wird kommen… Hilfe wird kommen…“

Die Stimme in Sheiras Kopf verhallte und klang aus, und Sheira fiel ins Dunkel. Tief...

Autor:

Torge Auer aus Hemer

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