Thilo Sarrazin: In Mathe eine Fünf

Unscharf, aber aktuell: Thilo Sarrazin sprach am Donnerstag in der Aula des Gymnasiums, an dem er 1965 sein Abitur gemacht hat: Im Gymnasium Petrinum in Recklinghausen. Fotos (3): Halstenbach
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  • Unscharf, aber aktuell: Thilo Sarrazin sprach am Donnerstag in der Aula des Gymnasiums, an dem er 1965 sein Abitur gemacht hat: Im Gymnasium Petrinum in Recklinghausen. Fotos (3): Halstenbach
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"Die roten Vorhänge sind neu. Der Parkettboden ist noch der alte." Thilo Sarrazin, auf Einladung des Vestischen Presseclubs und der Buchhandlung von Rudolf Winkelmann zu Gast im Gymnasium Petrinum, genoss sein "Heimspiel" in Recklinghausen sichtlich: Vor 45 Jahren hat er hier sein Abitur gemacht.
Gegenüber dem Eingang verlor sich eine Handvoll Demonstranten, die ihm Rassismus vorwarfen. Die Sarrazin-Gegner waren eine verlorene Minderheit: Ihnen standen einige Polizeikräfte am Eingang und vor allem mehr als 250 Zuhörer in der Aula gegenüber, die beim offenen Schlagabtausch mit dem streitbaren Publizisten deutlich erkennen ließen, wie sehr sie Sarrazin (65) schätzen, respektieren und bewundern: Es gab viel Beifall und Gelächter bei seinen Bonmots. Beim Signieren seiner Bücher - nach einem rund zweistündigen Vortrag und anschließender Diskussion - war Sarrazin umlagert wie ein Rockstar.

"Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen", vor drei Monaten veröffentlicht, hat Sarrazin, weil ein Superbestseller, Geld eingebracht, noch stärker in die Schlagzeilen katapultiert als er es ohnehin schon war und zum begehrten Gast in Talk-Shows gemacht. Entsprechend groß war der Medienandrang im Petrinum.
Thilo Sarrazin las nicht vor, sondern erläuterte sein Buch. Souverän sein Vortrag ohne Manuskript, gespickt mit Beispielen und Zitaten. Auch die Zahlenspiele (soziologische, statistische) beherrscht der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bundesbank und ehemalige Finanzsenator Berlins aus dem Handgelenk,ohne dabei zu langweilen. Locker nahm der Medienprofi das konstante Blitzlichtgewitter hin. Und auf die Frage, wie er mit dem Vorwurf umgehe, ein Rassist zu sein, erklärte er: "Die da draußen stehen und mir das vorwerfen, haben keine Ahnung, was Rassismus bedeutet."
Am Mittwoch wurde das ihm angedrohte Partei-Ausschlussverfahren offiziell eingeleitet, das seit Ende August über seinem Haupt schwebt. Sarrazin: "Dem sehe ich gelassen entgegen. Mein Buch entkräftet jeden Vorwurf gegen mich. Eher fliegt Sigmar Gabriel aus der SPD als ich." Er lasse sich nicht aus "der Mitte der Partei, aus der MItte der Gesellschaft vertreiben". Dass sein Parteifreund, Hamburgs früherer Bürgermeister Klaus von Dohnanyi, ihn anwaltlich zur Seite steht, diese Frage ließ Sarrazin unbeantwortet im Raum stehen. Gegen die Mitglieder des SPD-Parteivorstandes zog er aber richtig vom Leder: "Das sind 30 gesinnungsarme Opportunisten".

Der Stadtspiegel hatte trotz des Massenandrangs Gelegenheit, Thilo Sarrazin persönliche Fragen zu stellen.

STADTSPIEGEL: Sie kennen diese Karikatur: Eine muslimische Familie sitzt am Tisch. In der Tür steht der kleine Sohn. Er trägt eine Karnevalsmaske mit dem Gesicht von Thilo Sarrazin. Die Kopftuch tragende Mutter sagt: "Das ist nicht witzig, Achmed!" Herr Sarrazin, können Sie darüber lachen?
SARRAZIN: "Ja, natürlich. Das finde ich sehr komisch."

STADTSPIEGEL: Sie sind am Petrinum einmal sitzengeblieben. Wo lagen denn Ihre Schwächen?
SARRAZIN: "Das war in der 8. Klasse. Ich hatte in Mathe, Latein, Griechisch und Englisch eine Fünf."

STADTSPIEGEL: Sie geben sich sehr selbstsicher, dass das Parteiausschlussverfahren zu Ihren Gunsten entschieden wird. Gesetzt der Fall, Sie irren sich: Würden Sie eine eigene Partei gründen?
SARRAZIN: "Nein, so einen Quatsch würde ich nicht machen."

Zum Buch:
Thilo Sarrazin: Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen, DVA Sachbuch, gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 464 Seiten, ISBN: 978-3-421-04430-3, 22,99 Euro

Autor:

Kerstin Halstenbach aus Herten

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