Holzwickede gegen Rassismus – Fünf Stolpersteine werden im Frühjahr gesetzt

Caroline Stoffel, geborene Pampus, Altendorfer Str. 32, 
Altendorf, geboren am 22.03.1892 in Hengsen
war die Tochter eines in Hengsen bekannten Gastwirts. Nach normal verlaufender Jugend heiratete sie 1920 und zog um nach Altendorf, wo sie im Elternhaus ihres Ehemannes lebte und vier Kinder gebar. Etwa 1925 erkrankte sie psychisch so stark, dass der Amtsarzt dringend die Anstaltseinweisung empfahl. Über Umwege kam sie in die Anstalt Hadamar, wo sie wegen Mangelernährung am 25.01.1943 verstarb. | Foto: Privat/ U. Reitinger
  • Caroline Stoffel, geborene Pampus, Altendorfer Str. 32,
    Altendorf, geboren am 22.03.1892 in Hengsen
    war die Tochter eines in Hengsen bekannten Gastwirts. Nach normal verlaufender Jugend heiratete sie 1920 und zog um nach Altendorf, wo sie im Elternhaus ihres Ehemannes lebte und vier Kinder gebar. Etwa 1925 erkrankte sie psychisch so stark, dass der Amtsarzt dringend die Anstaltseinweisung empfahl. Über Umwege kam sie in die Anstalt Hadamar, wo sie wegen Mangelernährung am 25.01.1943 verstarb.
  • Foto: Privat/ U. Reitinger
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Von Stefan Reimet

 

Gegen das Vergessen der Schicksale von Opfern des NS-Regimes richtet sich die Aktion Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig. 145 Stolpersteine sind im Kreis Unna bereits verlegt, jetzt sollen auch in der Emschergemeinde fünf davon installiert werden. So hat es der Kulturausschuss beschlossen. Paten und Spender werden gesucht.

Auf das Schicksal fünf ermordeter behinderter Menschen sollen die mit Inschriften zu Person und Verbleib versehenen Metallplatten aufmerksam machen. Die Lebenswege der Opfer sind von der VHS-Gruppe „Spurensuche-NS-Opfer in Holzwickede“ recherchiert worden und an die Biographien der Opfer gelangte die VHS-Gruppe auch mit Hilfe eines Experten.

Der Holzwickeder Ulrich Reitinger leitete die Patientenverwaltung der Psychiatrischen Landesklinik Aplerbeck und recherchierte Hintergrundinformationen zu den Schicksalen in ganz Deutschland. „Ich war viel unterwegs dafür.“ Die Gruppe Spurensuche erkundigte sich über Zwangsarbeiter, jüdische Familien, Homosexuelle und auch Kinderschicksale. Reitinger beschäftigt sich derzeit mit einer Gedenkschrift  über "Holzwickeder Opfer in der  Nazizeit“. Dazu gehört auch das Thema Zwangssterilisation. Das Buch wird sich dem Schicksal der sog. "ausgesonderten Behinderten" widmen. Hier spielen Zwangsterilsierungen eine wichtige Rolle, so Reitinger. Die Gedenkschrift soll in diesem Jahr erscheinen.  

Sieben ermordete Behinderte aus Holzwickede wurden bisher recherchiert. Darunter Caroline Stoffel (geb. 22. März 1892 in Hengsen), über die eine komplette Akte existiert, einschließlich Hochzeitsbild. Am 25. Januar 1943 wurde sie im Konzentrationslager Hadamar bei Limburg ermordet. "Schwierig ist jetzt die exakte Ermittlung der Adresse", so Hochgräber. Sie wohnte in Hengsen, Ecke Feldstraße. Doch es ist nicht die letzte Adresse, verzogen ist sie nach Altendorf.

Im Gedenken an folgende Opfer werden die ersten fünf Gedenksteine verlegt:

Friedrich Ellerkmann, geb. 17. Januar 1909 in Holzwickede, mit leichter Intelligenzminderung, arbeitete in Werkstätten, wurde 1937 in die Heilanstalt Warstein verlegt und schließlich in die Anstalt Weilmünster. Wo er noch neun Monate lebte und am 30. April 1944 vermutlich wegen Nahrungs- und Behandlungsentzug verstarb. Letzter frei gewählter Wohnort: Nordstr. 19 Holzwickede.

Ludwig Himpe, geboren am 16. Oktober 1898, kam wegen eingeschränkter Intelligenz kaum in der Volksschule mit, wurde als Vollwaise auf Bitte seiner Stiefmutter vom sog. Armenarzt begutachtet und schließlich in die Anstalt Niedermarsberg eingewiesen. Auch in weiteren Heimen zeigte er Lernwillen, wurde aber 1937 nach Warstein verlegt und als "lebensunwert" abgestempelt. 1943 kam er in der Anstalt Weilmünster, wo er trotz Mangelernährung noch dreieinhalb Monate lebte. Am 12. November wurde sein Tod vermutlich durch eine Giftdosis herbeigeführt. Letzter frei gewählter Aufenthaltsort: Bahnhofstr. 7, Holzwickede.

Josef Kaup, geboren 18. Dezember 1915 in Holzwickede, wurde erst in seiner Lehre zum Anstreicher psychisch krank. Als 18-Jähriger kam er in die Heilanstalt Marsberg und wurde erbbiologisch erfasst. Als "Erbkranker" wurde er mutmaßlich zwangssterilisiert. Für "lebensunwert" befunden wurde er 31. Juli 1941 nach Weilmünster gebracht. Mit Namen auf dem nackten Rücken gekennzeichnet, zur späteren Identifikation, brachte man ihn nach Hadamar, wo er noch am selben Tag in der Gaskammer ermordet wurde. Letzter frei gewählter Aufenthaltsort: Landweg 57, Holzwickede

Karl Klönne, geboren am 28. September 1922, war gehandicapt durch eine Gehirnentzündung. Als Kind zeigte er nach Einweisung in den Johannesstift Marsberg "befriedigende bis ziemlich gute Leistungen". Der Zwangssterilisation entging Klönne auf Betreiben des Vaters, der eine Erbkrankheit ausschloss. Nach kurzer Zeit ausserhalb psychiatrischer Einrichtungen wurde er 1938 wieder in Marsberg eingewiesen, wurde aber kurz nach Kriegsbeginn nach Holzwickede entlassen, zeigte normales Wissen und Alltagsfähigkeit.  In der Heilanstalt Warstein geriet er in die Phase der Euthanasie. In der Anstalt Eichberg im hessischen Eltville verstarb er am 31. Januar 1942 an Hygienmangel, Verwahrlosung und Nahrungsmangel. Sein letzter frei gewähler Aufenthalt: Sölder Str. 31, Holzwickede.

Wilhelm Lohöfer, geboren am 17. April 1910 in Holzwickede, begann nach erfolgreicher Volksschule eine Lehre als Former auf der Zeche Achenbach. 1936 wurde er sterilisiert, da gelegentlich psychische Anfälle auftraten. In der Heilanstalt Warstein unterzog man ihn unmittelbar einer medikamentösen Schockbehandlung, ohne Wirkung. Als "Erbkranker" trug man ihn bei der Berliner Euthanasiebehörde ein. Am 21. August 1941 wurde er in der Gaskammer in Hadamar ermordet. Belegt ist, dass seine Todesursache und standesamtlichen Dokumente absichtlich vernichtet wurden. Letzter frei gewählter Wohnort: Landskroner Str. 23, Holzwickede.

Öffentlichkeit erwünscht


Ausdrücklich erwünscht ist vom Organisationsbüro Demnig, das die Aktionen weltweit koordiniert, dass sich Schulen und Interessengruppen an der Durchführung beteiligen und den Rahmen gestalten. Je Stein werden etwa 20 Minuten benötigt. Da der Aufwand für die Verlegung der fünf Stolpersteine bei über zwei Stunden liegt, sind zwei Verlegeaktionen geplant. Der Termin für die erste steht fest. Am Dienstag, 6. März 2018, wird Gunter Demnig mit der Verlegung der ersten Steine beginnen. Insgesamt sollen neun oder zehn Steine an die Verfolgten erinnern.

Koordinator Wilhelm Hochgräber hat Kontakt aufgenommen zum Clara-Schumann-Gymnasium wie auch zur Josef-Reding-Schule. Das Gymnasium hat sich bereits 1997 mit einem Beitrag zum Thema “ Spurensuche nach jüdischer Vergangenheit in Holzwickede“ an einem Wettbewerb beteiligt.

"Als Gemeinde ohne Rasismus ist Holzwickede angehalten, jedes Jahr eine passende Veranstaltung dazu durchzuführen", erklärt Hochgräber. In diese Anforderung passt die Aktion gut hinein. Das Verlegen von Stolpersteinen ist eine Möglichkeit, den Titel zu bestätigen.

Unterstützung ist in der Gruppe zudem willkommen, das nächste Treffen findet am 16. November 2017 in der Seniorenbegnungsstätte Holzwickede, Berliner Allee 16a, um 18.30 Uhr bis 20 Uhr statt. Kontakt: Wilhelm Hochgräber, Tel. 02301/912773

Paten gesucht

Die Aktion Stolperstein, die sich internationales Renommé erworben hat, wird finanziert durch Paten vor Ort. Die Verlegung jedes Steines kostet insgesamt rund 120 Euro.
Die AG Spurensuche ruft jetzt zu Spenden auf. Die Gemeinde stellt ihre offiziellen Bankverbindungen zur Verfügung. Wer die Aktion unterstützen möchte überweist unter dem Stichwort „Stolpersteine“ auf:

Sparkasse Unna/Kamen, IBAN: DE55 4435 0060 0002 0033 33, BIC: WELA DE D1 UNN
Voba Unna/Dortmund, IBAN: DE66 4416 0014 2200 5371 01, BIC: GENO DE M 1DOR oder
Postbank Dortmund, IBAN: DE05 4401 0046 0062 0354 62, BIC: PBNK DE FF

Info
Zur Beantragung wünscht Initiator und ausführender Künstler Gunter Demnig die exakte Lebensgeschichte der NS-Opfer zwischen 1933 und 1945, vor allem der letzte nachgewiesene, frei gewählte Wohnort. Dies hat die VHS-Gruppe weit über ein Jahr lang mit Erfolg durchgeführt. Die Stiftung "Spuren-Gunter Demnig" organisiert mittlerweile die Verlegung von Stolpersteinen/ Stolperschwellen, von denen über 54.000 in 1.600 Orten in Europa und darüber hinaus liegen. Gunter Demnig wünscht ausdrücklich auch die Beteiligung von Schulen und Vereinen.

Autor:

Stefan Reimet aus Holzwickede

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