Caritas: Neue Wege aus der Gewaltspirale

Essa Reijmers (links) und Ingeborg Schenkels (rechts) stellten das Modellprojekt Oranje Huis in Alkmaar vor.
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Frauenhauskonferenz NRW diskutiert über Einbeziehung der Täter und Öffnung/Modell aus Holland vorgestellt

Frauen flüchten vor der Gewalt ihrer Männer ins Frauenhaus und kehren doch vielfach nach kurzer Zeit wieder zurück. Weil die Probleme in der Familie aber nicht gelöst sind, werden sie wieder geschlagen.

Nach neuen Wegen aus dieser Gewaltspirale suchten gut 100 Mitarbeiterinnen aus den 63 Frauenhäusern in Nordrhein-Westfalen am Donnerstag auf der 2. Frauenhauskonferenz NRW unter dem Titel "Quo vadis Frauenhaus?" in Dortmund.

Einen Ansatz dazu zeigten holländische Kolleginnen aus Alkmaar am Modellprojekt "Oranje Huis" auf. Hier wird seit zwei Jahren mit der ganzen Familie gearbeitet und ist die Adresse des Frauenhauses auch nicht mehr geheim. Die Ergebnisse sind nach zwei Jahren durchaus positiv, erklärte Essa Reijmers. Anlass genug für die nordrhein-westfälischen Frauenhäuser, auf der Grundlage der im Oranje Huis gemachten Erfahrungen über neue Konzepte nachzudenken, so Barbara Kick-Förster, die im Diözesancaritasverband Münster die Landesvertretung für die katholischen Frauenhäuser im Land übernommen hat.

Den Drehtüreffekt kennen auch die deutschen Frauenhäuser. Aus der gleichen Erfahrung entstand in Holland die Grundidee des 2009 gestarteten Projekts. "Gewalt entsteht in der Dynamik der Familie", erklärte Reijmers Kollegin Ingeborg Schenkels die Grundannahme. Entsprechend reiche es nicht, nur den Frauen zu helfen, sondern es müssten auch die Kinder und vor allem die Väter einbezogen werden. Die Frauen werden deshalb gefragt, ob ihre Männer angerufen und eingeladen werden dürfen. Tatsächlich, so Reijmers hätten sechs von zehn zugestimmt. In gemeinsamen Gesprächen werden die Männer erst an ihre Verantwortung als Väter erinnert und im zweiten Schritt die Probleme in der Partnerschaft angesprochen.
Wobei die Sicherheit der Frauen und Kinder Vorrang hat. Deswegen steht am Anfang eine Risikoeinschätzung. "Grün" bedeutet, dass die Partner bereit sind, das Problem gemeinsam zu bearbeiten und ambulante Hilfen reichen. Bei "orange" wohnen die geschlagenen Frauen für im Durchschnitt sechs Wochen im "Oranje Huis" als Auszeit und um die Problemlösung planen und anbahnen zu können. Bei "rot" droht Gefahr und müssen Frauen und Kinder an einer geheimen Adresse untergebracht werden.

Entscheidend wichtig ist für Ingeborg Schenkels, "dass das Schweigen durchbrochen wird." Schon die Öffnung des Frauenhauses in die Nachbarschaft bedeute eine gewisse Sicherheit für Frauen. Dem Oranje Huis ist dazu auch eine Beratungsstelle angegliedert und die Adresse ist allgemein bekannt. Damit werde auch offensichtlich und in der Gesellschaft bewusst, dass es Gewalt gegen Frauen gebe und diese nicht auf eine bestimmte "Schicht" beschränkt sei.

So könne die Krise in der Familie zur Chance werden. Schon das Aufsuchen des Frauenhauses bringe "Bewegung ins Familiensystem". Dies könne genutzt werden. Hier sieht Barbara Kick-Förster einen wesentlichen Unterschied in der "systemischen Familienarbeit" des holländischen Modellprojekts, in der Väter und Kinder aber auch gegebenenfalls Verwandte und Nachbarn einbezogen würden. Bei der Suche nach den Ursachen werde auch in die Elternhäuser geschaut, denn die Gewaltspirale drehe sich manchmal über die Generationen hinweg, so Schenkers.

Die Erfahrungen mit dem neuen Konzept sind durchaus positiv. In einer Befragung äußerten die 118 Frauen, die das Oranje Huis im ersten Jahr aufgesucht haben, mit deutlicher Mehrheit, dass sie sich trotz der bekannten Adresse sicher gefühlt hätten. Unterschätzt habe man die materiellen Probleme. Eigentlich, so Essa Reijmers habe man sich damit erst nach den sechs Wochen beschäftigen wollen, das sei aber früher notwendig gewesen.
Dass das holländische Projekt auf großes Interesse bei den Frauenhaus-Mitarbeiterinnen in NRW stieß, zeigten die vielen Detailfragen nach Rahmenbedingungen und praktischer Umsetzung in der täglichen Arbeit.

Verfasst von: Harald Westbeld, Caritasverband Münster

Autor:

Friedel Görtzen aus Kamp-Lintfort

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