Ein Jahr in den USA

Natürlich bekam Carl Johannes Walter die Jacke seiner Schule. Zur Erinnerung: Ein Poster zeigt ihn als Spieler im Soccerteam. Foto: peb
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  • Natürlich bekam Carl Johannes Walter die Jacke seiner Schule. Zur Erinnerung: Ein Poster zeigt ihn als Spieler im Soccerteam. Foto: peb
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Ein Bericht von Peter Benedickt

Mal ein Jahr in den Vereinigten Staaten von Amerika verbringen, für viele Menschen ist dies ein Traum. Und bleibt ein Traum. Nicht für den Mendener Carl Johannes Walter.

Er besuchte das Land jenseits des Atlantiks allerdings nicht als Tourist, der kreuz und quer die Sehenswürdigkeiten besucht. Nein, er tauchte tiefer ein in das Leben der Amerikaner. Er wohnte in einer Gastfamilie, ging dort auf ein College, lernte die dortigen Heranwachsenden hautnah kennen.
Am 31. August 1999 in Magdeburg geboren, kam er 2005 nach Nordrhein-Westfalen, genauer nach Fröndenberg. Hier besuchte er die Gemeinschaftsgrundschule, wechselte dann 2009 zur Gesamtschule. „Während eines Elternsprechtages 2014 für das neunte Schuljahr hat meine Klassenlehrerin meiner Mutter mal vorgeschlagen, dass ein Auslandsaufenthalt mir sicher ganz gut tun würde“, schmunzelt der selbstbewusste Schüler im Rückblick. „Naja, wir haben zweieinhalb Wochen überlegt und uns dann erkundigt, wie wir was machen müssen, wie ein Aufenthalt funktioniert und organisiert werden muss.“ Eineinhalb Jahre Vorlauf sollten eingeplant werden, so lange dauern die Formalitäten.

England war
zu nah

Die USA waren schnell als Zielland ausgemacht. „Es sollte ein Staat mit englischer Sprache sein“, gab es Prioritäten. „Großbritannien war zu nah, also blieben zwangsläufig nur die USA übrig“.
Das Ziel war klar, aber wie werden Kontakte geknüpft, welche Schule sollte es sein, welche Familie nimmt den Deutschen auf? Im Internet wurde die Familie fündig: „Es gibt mehr als 40 Organisationen, die solche Aufenthalte durchführen.“ Jede hat ihre Regeln. „Wir haben dann Informationen angefordert und die unterschiedlichen Kriterien verglichen“, erzählt Carl Johannes. „Wie lange existiert die Organisation, wie groß ist sie, wie wird sie bewertet?“. Die Auswahl war am Ende die genau richtige: „Ich habe keine Probleme gehabt“.
Eine Bewerbung wurde geschrieben, Hobbys und die bevorzugte Region darin erwähnt, aber: „Das Gebiet war mir eigentlich egal“.
„Die potenziellen Familien bekommen dann die Zeilen zugeschickt und können aussuchen. Es ist quasi eine Ausschreibung“, beschreibt der Mendener den Vorgang. „Ich konnte ein paar Dinge ausschließen. Beispielsweise, wenn ich nicht in eine Familie mit kleinen Kindern wollte.“ Wichtig etwa für Allergiker, dass dort niemand mit Hunden wartete.
Die Familie ist allerdings nur zugelassen, wenn die Schule fest ist. Die aufnehmenden Amerikaner bekommen eine kleine Entschädigung, schließlich sitzt plötzlich ein weiterer „Esser“ mit am Tisch.
Carl Johannes hat sich mit einem Brief seinen Gasteltern vorgestellt und wartete gespannt auf den Abflugtermin. Der fand dann im späten August 2015 statt. Doch bevor es zum Flughafen ging, kam noch eine Hiobsbotschaft ins Haus geflattert. Drei Wochen vor der Abreise fiel die Familie aus, es gab neue Gasteltern. Die meldeten sich drei Tage, bevor der Flieger bestiegen wurde. In einer E-Mail stellten sich Mister und Miss Bailey kurz vor, es schienen nette Leute zu sein. Also wurde das Abenteuer gewagt, schließlich war das Visum ja an das Schuljahr gebunden.
Dann nahte der Abschied. Mutter Christiane Rebbe-Walter und Stiefvater Friedrich-Wilhelm Rebbe drückten ihren Zögling noch einmal, dann ging es von Frankfurt nach New York. Dort gab es noch ein dreitägiges Seminar, nächster Zwischenstopp war Chicago. Noch einmal wurde der Clipper gewechselt, das Ziel hieß South Bend in Indiana, eine Stadt mit rund 100.000 Einwohnern. „Hier war der Flughafen, der meiner neuen Heimat am nächsten kam“, beschreibt Carl Johannes die Anreise. „Von dort fuhren wir im Auto zweieinhalb Stunden nach Mentone, 800 Einwohner, und Wohnsitz des Ehepaares Bailey.“
Seine neue Schule lag im Nachbarort, in Akron im Fulton Country, war für amerikanische Verhältnisse nicht sehr groß, hatte nur etwa 600 Schüler. „Bist du denn auch mal mit den gelben Schulbussen gefahren, die in den Kinofilmen immer zu sehen sind?“, kommt die Frage. „Ja, aber die sind meist alt und sehr klein. Da musste ich immer den Kopf einziehen“, hat der Mendener keine guten Erinnerungen an diese Transportart.
Von 8 bis 15 Uhr war Unterricht. In den USA werden Kurse angeboten, der Schüler kann wählen. Zwei Stunden Wirtschaft und Englisch, Sportwirtschaft, dann Hausaufgaben machen, amerikanische Geschichte, Mathematik und dann Sport, so sah der Tag aus.
„Es begann recht positiv für mich“, kann Carl Johannes ein Lachen nicht verkneifen, wenn er zurück blickt. „Bei der ersten Mathe-arbeit habe ich gleich eine Zwei bekommen.“ Er hatte noch keine einzige Stunde mitgemacht, aber da an seiner High-School die Arbeiten immer im „Multiple Choice-Verfahren“ abgewickelt wurden, konnte er mit ein bisschen kombinieren die meisten richtigen Antworten herausfinden. „Multiple Choice?“

Zur Frage
die Antworten

„Da ist die Frage und dann gibt es mehrere Antworten. Es muss nur die Richtige gefunden werden”, zeigte der Schüler bereits nach kurzer Zeit ein feines Näschen. „Ich muss auch sagen, hier in Deutschland habe ich manchmal im Schulenglisch schwierigere Texte gehabt als in Amerika“, zuckt der junge Mann die Schultern. Und gibt zu: „Bereits nach einem Monat habe ich die Sprache verinnerlicht und sogar in Englisch geträumt.“
Selbst Prüfungen wurden in Arkon nach einem anderen System durchgeführt. „Wir bekamen zwei Tage vorher die Fragen mit den Lösungen ausgehändigt. Mussten nur die richtigen Antworten auswendig lernen“, staunt noch heute der Siebzehnjährige. Da werden Arbeiten also durch ankreuzen durchgeführt? „Ja, genau. Wir hatten immer richtig viel Zeit, so zwei Stunden“, erzählt Carl Johannes. „Aber ich war einmal schon nach 20 Minuten fertig. Hab dann abgegeben. Da haben alle gestaunt.“
Wichtig war, aktiv zu sein, beim Sport mitzumachen. „Dort habe ich meinen Freundeskreis aufgebaut“, wusste der „Deutsche“, was zu tun war. „Ich habe Fußball, Quatsch, Soccer gespielt und bin 800 Meter gelaufen.“ Er wäre gern beim Football dabei gewesen, aber da waren andere körperlich im Vorteil. Er schätzt sich selbst beim Soccer nur als mittelmäßig ein, aber „für die Amerikaner war ich ein toller Spieler. Ich war schließlich der Deutsche“, so Carl Johannes. Die Schule bezahlte einen Cheftrainer, fast wie hier in Deutschland die Vereine, aber der hatte seine eigene Methode: „Die Methode war eigentliche keine Methode, ich habe im Laufe der Zeit alles gespielt. Wo Not am Mann war“. Erfolgreich war die Truppe nicht, dafür war die Schule zu klein, die Auswahl deshalb zu gering. Das Leistungsgefälle selbst innerhalb der Mannschaft gewaltig. „Die Mädels allerdings waren im Basketball sehr stark, kamen im gesamten Staat Indiana unter die Top vier, hätten fast den Pokal geholt“, erinnert sich Carl Johannes. Auswählen konnten die Schüler aus vielen Sportarten, sogar Bogenschießen wurde angeboten.

Mentone ist
ein Dorf

Viel Abwechslung neben der High-School gab es nicht. „Essen gehen, also Fastfood, oder ins Kino, Bowling, das war es schon“, Mentone ist eben ein Dorf. Oft war er mit seinem Gastbruder, einem Brasilianer, zusammen. Die Gegend erkunden, ein Ausflug nach Chicago. „Die Familie hat im Sommer viel gegrillt, Barbecue, Truthahn, das Übliche eben“, hat der Austauschschüler nicht die besten Erinnerungen an die Verpflegung. „Cola, Ahornsirup, Pfannkuchen, viel süß, viel salzig, alles frittiert“. Gesund gibt es zwar auch, war aber teuer.
Sein persönliches Fazit? „Das Jahr hat mich nicht nur sprachlich weitergebracht, auch persönlich, habe auch jetzt noch Kontakt mit einigen Leuten“, beantwortet Carl Johannes Walter die Frage, ob er alles noch einmal so machen würde, mit einem eindeutigen „Ja“. „Am spannendsten war es für mich zu sehen, dass alles, Sport, Leute, Schule, Ortschaften, genauso sind wie in den Filmen“.

Autor:

Hans-Jürgen Köhler aus Menden (Sauerland)

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