Ökumenischer Aktionskreis „Ohne Sonntag gibt's nur noch Werktage“
„24 Stunden Auszeit? – Von Wert und Würde des Sonntags“

Von links: Franz Köchling, Sprecher des Aktionskreises, Prof. Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer und Bernd-M. Wehner, Mitglied des Aktionskreises | Foto: privat
  • Von links: Franz Köchling, Sprecher des Aktionskreises, Prof. Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer und Bernd-M. Wehner, Mitglied des Aktionskreises
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Ohne religiöse Begründung wird der Sonntag zur Manövriermasse

„Vor einigen Jahren warben eine Tank- und Lebensmittelkette mit dem Slogan ‚Kauf ein, wenn Mutti in die Kirche geht‘ für den Einkauf auch am Sonntag. Was sie damit aussagen wollten, liegt auf der Hand: nur die ältere Generation von Frauen, ‚Mutti‘ also, zuständig für ‚Kinder, Küche, Kirche‘ folgt noch dem verstaubten Brauch, sonntags die Messe zu besuchen.“ Mit diesen Worten brachte Prof. Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer, Professorin für Christliche Gesellschaftslehre an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg im Breisgau, bei einer Veranstaltung des Ökumenischen Aktionskreises „Ohne Sonntag gibt's nur noch Werktage“, die unter dem Thema „24 Stunden Auszeit? – Von Wert und Würde des Sonntags“ in Langenfeld stattfand, einen Zeitgeist zum Ausdruck, der den Sonntagsschutz als Relikt einer vergangenen Zeit, als spießig und bürgerlich, betrachtete. Engagierte Christen konterten seinerzeit mit der Feststellung: „Wenn Mutti in die Kirche geht, geh‘ ich mit.“ Die Konzerne beendeten daraufhin sehr schnell ihre Kampagne mit der Begründung, man wolle die „religiösen Gefühle gläubiger Menschen in keiner Weise verletzen“.

Auch wenn damals engagierte Christen „gesiegt“ hatten, so Nothelle-Wildfeuer, sei die Debatte um das Verhältnis „um den Primat von Effizienz oder Humanität als Leitprinzip der modernen Gesellschaft“ nicht beendet gewesen. Vielmehr sei die Kampagne Symptom und Ausdruck der Ökonomisierung eines gesellschaftlichen Trends gewesen, dessen Relevanz in der Frage nach der Bedeutung des Sonntags auch heute noch deutlich zum Ausdruck komme.

Die Wurzeln der Sonntagsruhe

Die Sozialethikerin ging sodann der Frage nach, woher der Bezug des Christlichen zum Sonntag komme. Die vermutlich älteste Fassung des Sabbatgebotes stehe im Alten Testament, Buch Exodus 23,12: „Sechs Tage kannst du deine Arbeit verrichten, am siebten Tag aber sollst du ruhen, damit dein Rind und dein Esel ausruhen und der Sohn deiner Sklavin und der Fremde zu Atem kommen.“ Der siebte Tag sei damit seit Jahrtausenden ein allen gebotener und ermöglichter Ruhetag. „Er ist ein Schutzgesetz für alle – ohne Rücksicht auf soziale Unterschiede. Man könnte es somit als eines der ältesten bekannten Arbeitsschutzgesetze sehen.
Insofern müsse auch das dritte der Zehn Gebote „Du sollst den Sabbat heiligen“ als ein Gebot gesehen werden, dass dem Menschen Freiheit ermögliche. Letztlich sei es der Aufruf zum Schutz einer grundlegenden Voraussetzung des Zusammenlebens, so Nothelle-Wildfeuer.

Was kostet uns der Sonntag?

Von daher stelle sich die Frage, welches Kulturgut aufgegeben werde, wenn man auch den Sonntag zum Werktag machen wolle. So habe Hans-Joachim Höhn schon im Jahr 2000 diagnostiziert, dass dem Bereich der Ökonomie die Funktion eines Leitsystems zuwachse. Fasziniert von der „Effizienzlogik von Markt und Wettbewerb“ gehe man zunehmend dazu über, „auch andere Bereiche des sozialen Lebens dem Markt- und Regulierungsprinzip zu öffnen“. Diese Ökonomisierung führe dazu, dass das Gütesiegel dann ausschließlich vergeben werde für größtmögliche Effizienz. Die Frage „Was kostet uns der Sonntag?“ sei ein deutliches Indiz dafür. Unter dem Vorzeichen der Effizienz müsste der Sonntag somit durchgängig verkaufsoffen sein und als normaler Arbeits-, Konsum- und Verkaufstag eingeführt werden, gab die Sozialethikerin zu bedenken.

Kaufakt nicht mit Konsumakt verwechseln

Wenn aber Effizienz das ausschließliche Kriterium sei, dann folge daraus zwangsläufig das Phänomen der Beschleunigung. Denn zur Effizienzsteigerung bedürfe es notwendig des immer größeren Tempos. Der Jenaer Soziologe Hartmut Rosa weise aber zu Recht darauf hin, dass sich zwar die Kapitalumschlaggeschwindigkeit bei finanziellen Transaktionen nahezu ins Unendliche steigern ließen, dies aber bei der „Realökonomie“ für die „Produktions- und Konsumtionsprozesse“ nicht möglich sei. Der derzeitige Kapitalismus lebe nämlich davon, dass „die Verbraucher in wachsendem Maße den Kaufakt mit dem „Konsumakt“ verwechseln. Man kaufe zwar immer mehr Bücher, aber man komme nicht mehr dazu, sie zu lesen. Man kaufe sich Keyboards, Tennisschläger und Teleskope, die nie benutzt würden. Man kaufe technische Geräte, die so komplex seien, dass man Monate brauche, um ihre Funktionen tatsächlich auszuschöpfen. Ein verkaufsoffener Sonntag würde also nur dem Kaufakt, nicht aber dem Realkonsum dienen. „Anstatt das Gekaufte zu konsumieren, shoppen wir erneut, und wer shoppt, konsumiert nicht“, so der Soziologe.

Im Übrigen sei der Markt nicht alles und nicht alles sei Markt, gab Nothelle-Wildfeuer zu bedenken. So gebe es Bereiche und Ziele des menschlichen und gesellschaftlichen Lebens, die jenseits von Angebot und Nachfrage lägen. So sei an dieser Stelle auf die soziale Gerechtigkeit zu verweisen, die an den fundamentalen sozialethischen Wert der Menschenwürde gebunden sei. Oder um es mit dem ehemaligen Bundesverfassungsrichter Wolfgang Böckenförde zu formulieren: „Der Staat (analog der Markt) lebt von ethischen Voraussetzungen, die er selbst nicht schaffen kann.“

Sonntag – ein Tag der Familie und Gemeinschaft?

Glücklicherweise gelte der Sonntag als Tag der Familie, erläuterte Nothelle-Wildfeuer. So habe sich über viele Jahre hinweg oft eine ganz eigene Sonntagskultur der Familien aber auch der Gesellschaft herausgebildet. „Weil Sonntag ist, das heißt, weil der Tag in der Reihe der Wochen etwas Besonderes ist, machen die Menschen auch etwas Besonderes.“ Die Menschen müssten – abgesehen von notwendigen Ausnahmen – nicht arbeiten, die Kinder gingen nicht in die Schule. Der Sonntag biete Zeit für Gemeinschaft, er lade ein zur Gestaltung und Intensivierung sozialer Kontakte. Auf den Sonntag sei (noch) Verlass. Man könne diesen Tag mit seinen besonderen Chancen planen – eben weil er für die meisten Menschen frei sei. „Die feste Wochenstruktur mit den sechs (meist sogar nur fünf) Arbeitstagen und dem Sonntag als Ruhepunkt lässt sich darum in keiner Weise ersetzen durch einen von jedem einzelnen beliebig festgelegten Ruhetag, der an wechselnden Wochentagen stattfände“, betont die Sozialethikerin.

Sodann dürfe man auch nie vergessen, welchen sozialen und gesellschaftlichen Stellenwert der Sabbat schon vor mehreren tausend bzw. der christliche Sonntag seit zweitausend Jahren hatte und noch immer habe. Während die griechisch-römische antike Welt hinsichtlich der Arbeit eine vertikale Unterteilung vorgenommen habe, nehme die Bibel eine horizontale Unterscheidung auf, in dem sie allen, auch und insbesondere den Unfreien und Sklaven, die Ruhe des Sabbats zugestehe, unterstrich Nothelle-Wildfeuer. Der Sabbat habe damit eine Freiheit stiftende und sichernde Funktion. Schließlich bringe der Sabbat als Tag ohne Produktion und Sorge um das tägliche Überleben und Auskommen das gläubige Vertrauen auf den sorgenden Gott zum Ausdruck.

Ohne religiöse Begründung wird der Sonntag zur Manövriermasse

Zwar sei in der heutigen Zeit der Verweis allein auf die religiöse Dimension kaum noch geeignet, den Sonntag als schützenswert zu begründen, aber ohne diese Perspektive dürfte es schwer zu verhindern sein, dass der Sonntag nicht doch mit in die Manövriermasse hinsichtlich technisch-wirtschaftlicher Regelungen hineingenommen werde. Nur so könne der Sonntag verstanden werden als Unterbrechung der Zeit, die ganz auf das alltäglich, „weltliche“ Geschäft konzentriert sei, als Unterbrechung des grauen Alltags mit der Ahnung, dass es einen Himmel über uns gebe, der nicht dauernd verschlossen sei. „Der Sonntag ist mithin zutiefst die Feier des Urgrundes unseres Seins. Christlich gesprochen: des Gedächtnisses unserer Schöpfung und Erlösung.“

In der anschließenden Diskussion wurde das Thema noch um Aspekte wie das „Recht auf Unerreichbarkeit“ – eine Forderung des KKV, Verband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung – oder das Recht auf Mußeerweitert. Gleichzeitig wurde aber auch selbstkritisch darauf hingewiesen, dass man als Christ durch sein persönliches Verhalten, dazu beitragen müsse, dass der Wert des Sonntags wieder bewusster werde. Hinsichtlich verkaufsoffener Sonntage könne man in Abwandlung des Sponti-Spruches „Stell‘ dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“ auch sagen: „Stell‘ dir vor, es ist verkaufsoffener Sonntag und keiner kauft ein.“

Im Ökumenischen Aktionskreis "Ohne Sonntag gibt's nur noch Werktage" arbeiten die evangelische Kirche in Monheim, die katholischen Kirchengemeinden und Verbände KAB, kfd und KKV im Bereich Langenfeld/Monheim mit, um vor allem den Sinn des Sonntags aber auch der freien Zeit stärker ins Bewusstsein der Menschen zu rücken.

Autor:

Bernd-M. Wehner aus Monheim am Rhein

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