Jetzt mal Hochdeutsch 11

Tante Finchen ist ganz entrüstet.

Der langmähnige Kevin (Keffien) von den Knusendübels aus dem 6-Familienhaus, der nicht mal grüßt auf der Straße, der steht heute in der Zeitung. Sie kennt ihn nur mit Filzhaaren, in Flickenjeans und Kapuzenshirt auf dem Rollbrett, und nun hat der Abitur gemacht. Und auf dem Klassenfoto ist er gestylt wie Jan Josef Liefers oder wie der heißt. Stellt euch dat mal vor! Und dat Schönste ist: die Mutter hat beim Kaufpark an der Kasse erzählt, dass er jetzt seinen Führerschein macht und dann – nun pass auf – für ein Jahr nach Neuseeland geht. Nach Neuseeland! Für ein Jahr! Noch keinen Handschlag gearbeitet, noch keinen rostigen Nagel in die Wand geschlagen, noch keinen roten Heller verdient – aber Neuseeland. Ein Jahr lang nach Neuseeland. Seine Mutter nennt dat Sabbattjahr – wat ist dat? Sabatt hat Ihr Vater früher gesagt, wenn er einen Beschluss verkündete: „Un damit Sabbat!“ – Also Feierabend – aber Feierabend, wenn man noch kein Stund gearbeitet hat?
Steffis Omma erklärt ihr geduldig den Begriff und den Hintergrund – Sprache lernen, an einem Zeitungsprojekt mitarbeiten, Land und Leute kennenlernen und vor dem Einstieg ins Hamsterrad noch einmal richtig entspannen. Reisegeld hat er sich mit Zeitungsaustragen verdient und die Eltern haben das Kindergeld für ihn angespart.
„Entspannen kann der doch, wenn er mal auf eigenen Füßen steht, wenn er sich solche Fürze auch tatsächlich leisten kann. Unser Vater hätte uns was anderes erzählt. Kuck mal, ich wäre immer gern mal nach Argentinien gefahren, aber früher musste ich was werden, und jetzt bin ich was geworden und muss aufpassen, dass mir keiner meinen Job als stellvertretende kaufmännische Angestellte wegschnappt.“
„Siehst du,“ sagte Steffis Oma, immerhin 92 Jahre alt, „ und deswegen fährt der Kevin jetzt.“