Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen

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Es war 1968,
Meine Frau und ich kannten bis dato als Urlaubsziele nur den Harz, Schwarzwald, Allgäu oder die Dolomiten. Wir waren von unseren Eltern geprägt.

Jetzt wollten wir einmal etwas Besonderes! Wir buchten eine Bahnreise mit Touropa nach Lloret de Mar. Das erste Mal in ein anderssprachiges Land und ans Mittelmeer. Für uns war es Abenteuer pur, was sicherlich heute kaum jemand verstehen kann, fliegt man doch eben mal in die Dominikanische Rep.

Los ging’s ab Hbf-Duisburg. Aufgeregt und neugierig wie wir waren sahen wir uns die Kofferschildchen der Reisenden an.
So fanden wir eine kleine Gruppe, die das gleiche Ziel vor Augen hatten. Als wir uns dann noch das Abteil teilten, wurde schnell Freundschaft geschlossen. Von irgendwo tauchten plötzlich Bierdosen auf und es wurde eine feucht-fröhliche Reise.
Leider ging es aber nur bis Genf. Mitten in der Nacht wurde unser Zug auf ein Abstellgleis gebracht und abgeschlossen!!!
Selbst die Toiletten wurden gesperrt, damals gingen noch die Hinterlassenschaften raus aufs Gleis.

Es wurde für alle Reisenden eine Tortur!
Früh am Morgen geleitete man uns zu einem zum Bahnarbeitsbereich gehörenden Steh-WC.
Die Schlange der Wartenden war schier endlos!!!!

Allmählich sickerte der Grund des Aufenthaltes durch. – In Frankreich war Generalstreik – nichts ging mehr.

Unser Touristikunternehmen charterte, auf die Schnelle, Busse um uns durch Frankreich zu karren.
Mein Gott, was waren das für Busse.
Oldtimer, die Motorabdeckungen im Fahrgastbereich mit Ledermanschetten abgedichtet.
Bei jedem Bremsen blockierten die Räder und wir rutschten von unseren Sitzen.
Viel Autobahn gab es in Frankreich noch nicht und so steigerte sich die Qual, einerseits bedingt durch einen dicken ‚Saufkopf’ andrerseits durch Entzug von jedweder Flüssigkeit und Nahrung, bis wir nach 16 Std. Fahrt in glühender Hitze die Grenze nach Spanien erreichten. Dort wartete dann ein moderner Bus mit je einem Lunchpaket (eine kleine Flasche Rotwein, ein Baguette und ein halbes Hähnchen)am Sitz auf uns. Wir fielen wie die Termiten darüber her und waren anschließend beschwipst, aber wieder versöhnt und zufrieden.

Es ließen sich noch eine Menge kleine Döntjes von dieser Reise erzählen, nur noch soviel dazu. Wir wollten endlich einmal Sonne tanken, hatten wir doch die meisten Urlaube verregnet verbracht. Als wir unser Reiseziel erreichten konnten wir 3 wertvolle Tage von unserem Kurzurlaub (14Tage) als verwässert abstreichen.

Der Generalstreik wurde an unserem letzten Tag aufgehoben und das Touristikunternehmen hat uns für die Heimreise ein ganzes Abteil zur Entschädigung reserviert und umhegte uns.
So macht Bahnreisen auch Freude,

Die Bilder sind aus der Umgebung von Lloret de Mar, welches damals noch ein relativ verträumter Fischerort war.

Generalstreik
http://de.wikipedia.org/wiki/Mai_1968

Autor:

Rüdiger Pinnig aus Neukirchen-Vluyn

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