Kolumne
Amtsgericht Rheurdt

Ein Amtsgericht ist in Deutschland neben den Landgerichten (und selten den Oberlandesgerichten) die Eingangsinstanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Die Bezeichnung rührt von Ämtern her, den früheren Verwaltungs- und Gerichtsbezirken vieler Territorien im Heiligen Römischen Reich.

Die Gerichtsorganisation der Amtsgerichte unterliegt in Deutschland den Ländern (Art. 92 des Grundgesetzes). Sie errichten Amtsgerichte durch Landesgesetz und weisen diesen Gerichtsbezirke zu. Die Gerichtsbezirke orientieren sich dabei meist an Verwaltungsgrenzen. Durch Landesgesetz können die Länder auch bestimmte Aufgaben bei bestimmten Amtsgerichten bezirksübergreifend bündeln. Durch Staatsvertrag ist eine Konzentration sogar länderübergreifend möglich. Diese Regelung kommt vor allem bei den Mahngerichten zum Tragen.

Amtsgerichte müssen mit mindestens einem Richter besetzt sein (§ 22b Absatz 1 GVG).  In Deutschland gibt es 23 Amtsgerichte, die mit nur einem Richter besetzt sind.[

Die meisten Amtsgerichte werden von einem Direktor (Direktor des Amtsgerichts, Besoldungsgruppe R 2, bei ganz kleinen Amtsgerichten auch R 1 mit Amtszulage) geleitet. Die allgemeine Dienstaufsicht ist dann von der Landesjustizverwaltung dem Präsidenten des übergeordneten Landgerichts übertragen worden (§ 22 Absatz 3 Satz 1 GVG).

Die Amtsgerichte werden in Zivil- und Strafsachen tätig (§ 13 GVG). Sie sind mit Einzelrichtern besetzt (§ 22 Absatz 1 GVG).

Zivilsachen
Unter anderem für Mahnverfahren (vergleiche auch Zentrales Mahngericht) ist es ausschließlich zuständig. Ferner werden bei den Amtsgerichten unter anderem das Handelsregister, das Genossenschaftsregister, das Vereinsregister und das Güterrechtsregister geführt. Es ist daher Registergericht. Zum Amtsgericht gehört auch das Grundbuchamt. Die öffentlichen Register und das Grundbuch werden nach den Vorschriften über die freiwillige Gerichtsbarkeit geführt. Entscheidungsbefugt sind je nach Sache der Einzelrichter, der Rechtspfleger oder der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle.

In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ist das Amtsgericht zuständig bei einem Streitwert bis einschließlich 5.000 Euro (§ 23 Nr. 1 GVG). Unabhängig vom Streitwert ist es unter anderem in Mietsachen betreffend Wohnraum und Kindschafts-, Unterhalts- und Familiensachen zuständig. Das Amtsgericht wird auch als Vollstreckungsgericht, in Verfahren der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung, als Insolvenzgericht in Insolvenzverfahren sowie als Nachlassgericht und als Betreuungsgericht tätig, ebenso in Wohnungseigentumssachen und in Freiheitsentziehungssachen (zum Beispiel Abschiebehaft). Für Staatshaftungsfälle ist das Amtsgericht allerdings selbst dann nicht zuständig, wenn der Streitwert unter 5.000 Euro liegt (§ 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG).

Beim Amtsgericht sind Gerichtsvollzieher-Verteilerstellen eingerichtet, über die man den zuständigen Gerichtsvollzieher beauftragen kann.

Nach § 24 Absatz 1 Nummer 2 GVG ist das Amtsgericht in Strafsachen zuständig, wenn eine Freiheitsstrafe nicht über vier Jahre zu erwarten und nicht mit einer Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung zu rechnen ist. 

Ist das Amtsgericht zuständig, besteht gemäß § 25 GVG die Zuständigkeit des Strafrichters (Einzelrichter), wenn ein Vergehen angeklagt ist und keine höhere Strafe als zwei Jahre Freiheitsstrafe zu erwarten ist; er kann dann aber den ganzen Strafrahmen des Amtsgerichts ausschöpfen, also auch Freiheitsstrafen bis zu vier Jahren verhängen.

(fiktiver Teil)

Rheurdt ist ein kleiner, unbekannter sowie unbedeutender Ort am linken Niederrhein. Und dennoch ist er seit etwa 1 Jahr regelmäßig in den Schlagzeilen der Tagespresse.

Der Grund dafür ist relativ einfach: Die Bevölkerung vor Ort möchte ihr Amtsgericht zurückhaben. Waren es zunächst Eingaben am das nordrhein-westfälische Justizministerium in Düsseldorf sowie Unterschriftenaktionen, folgten Demonstrationszüge der gesamten Bevölkerung, Straßenblokaden, Eierwürfe auf Polizeiautos, Mahnwachen vor dem Justizministerium u. v. m.

Herr Justizminister, Herr Justizminister!

Ja, Sklave Unterstaatssekretär?

Ich habe eine wichtige Mitteilung für Sie!

So? Was ist es denn? Worum geht es?

Man hat ein Attentat auf Sie vor!

So? Aber warum denn? Was ist denn los?

Sie haben das Amtsgericht von Rheurdt am Niederrhein abgeschafft...

                                                                                                                         Ja, und? Das war ja auch richtig so. Da saßen 2 Richter herum, die nichts zu tun hatten und Däumchen drehten. 

Ja, schon richtig. Die Bevölkerung vor Ort sieht das aber anders. Sie möchte ihr kleines, aber feines Amtsgericht zurück. Die Leute hassen es, nach Kamp-Lintfort oder Neukirchen-Vluyn zu fahren. Man ist den ländlichen Charme von Rheurdt gewöhnt und haßt die Großstadt.

Was wollen die Leute denn jetzt machen?

Sie mit faulen Eiern, Tomaten und Farbbeuteln bewerfen. Im Zweifelsfall schickt man Ihnen Erkältungsviren in unser hauseigenes Computerprogramm.

(Zeitungsnotiz, kurze Zeit später)

Die vorgestrige abendliche Bürgerversammlung bei der auch Justizminister Karl-Otto Reichsgraf von Möbelbus anwesend war, kann als grandios gescheitert gelten. Der Berufspolitiker aus dem münsterländischen  Bad Oeynhausen wurde solange mit Buhrufen und Pfiffen bedacht, bis er eiligst die Flucht ergriff.

Er wird mit den Worten "Das gibt Rache" zitiert. 

(Zeitungsmeldung, ein halbes Jahr später)

Rheurdt hat sein altes Amtsgericht wieder. Die Bevölkerung kann dies als Erfolg für sich verbuchen.

Ungewöhnlich ist eher die Personalauswahl.

Ernst-August Baron von Rheinikenberg war lange Zeit hauptberuflicher Berufsrichter in Bad Berleburg. Er ist 59 Jahre alt und bereitet sich nach eigenen Worten auf seine Pensionierung sowie den wohlverdienten Ruhestand vor.

Interessant ist eher seine erlaubte Nebentätigkeit. Ernst-August arbeitet als Travestie-Star in einem Gelsenkirchener Variété, hauptsächlich in den Abendstunden.

Was in Rheurdt zeitweise für Verwirrung sorgt. Nicht, daß man besonders prüde wäre. Aber eine Frau, wenn man einen Mann erwartet, sorgt doch für Staunen.

Autor:

Andreas Rüdig aus Duisburg

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