"Unna braucht Eis" steigt aus - "Nicht mehr das von uns gewollte Projekt" - Vorwurf:
"Aufbauschung und Verschleppung" durch Stadt Unna

"Lasst uns anpacken, liebe Stadtverwaltung und liebe Politiker!" rief die Eissportjugend bei einem Arbeitseinsatz in der Eissporthalle Königsborn noch zum Jahresbeginn zu. Doch die Taktik der Stadt Unna sind die "Eishallenretter" leid. | Foto: UbE
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  • "Lasst uns anpacken, liebe Stadtverwaltung und liebe Politiker!" rief die Eissportjugend bei einem Arbeitseinsatz in der Eissporthalle Königsborn noch zum Jahresbeginn zu. Doch die Taktik der Stadt Unna sind die "Eishallenretter" leid.
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Aufgekündigt ist die Zusammenarbeit des Vereins „Unna braucht Eis“ (UbE) und des Königsborner Jugend-Eishockey-Club KJEC mit der Stadt Unna. Pläne der Initiative von einer „schlanken Sanierung“ und zügigen Aufnahme des Eislaufbetriebs im Herbst dieses Jahres sind damit passé. Den Ball der Schuld hin und her zu spielen dürfte jetzt verschenkte Zeit sein, wichtiger ist die Frage, wie geht es mit dem Gebäude weiter, das immer länger ungenutzt bleibt.

Noch zu Jahresbeginn sah es gut aus für die von UbE und KJEC angepeilte Eröffnung. Eigene Kostenschätzungen von Experten kamen zu überschaubaren Summen und technischer Machbarkeit, die Abwicklung über den heimischen Eishockeyverein schien ein tragfähiges Konzept zu sein, das auf den guten Willen der Stadt Unna traf. Umso heftiger der Paukenschlag, den ein offener Brief von UbE und KJEC an die Stadtverwaltung jetzt auslöste. Von Verschleppung, Aufbauschung und Zerreden seitens der Verwaltung ist zwischen den Zeilen zu lesen. Fazit: UbE zieht sich jetzt aus der internen Planung zurück und begleitet das Projekt künftig von „aussen“.
Wörtlich heisst es in dem Schreiben: „Nun droht das Vorhaben zu einem gesichts- und konturlosen Großprojekt zu verkommen.“ Im Gegensatz zur Stadt Unna habe UbE ein schlüssiges, tragfähiges Sanierungskonzept vorgelegt. Hingegen habe die Umsetzung des Bürgerentscheides durch die Verwaltung um Bürgermeister Werner Kolter „nicht die oberste Priorität“.
Die Eissport-Initiative und auch viele Bürger hatten sich im Frühjahr gefragt, wann denn die Begutachtung und Sanierung endlich beginne. Kooperation „in der Umsetzung der Sanierung ist nicht zu erkennen. Wenn wirklich der Wille zu mehr Bürgerbeteiligung gewollt ist, dann stellt sich die Frage, warum wird Unna braucht Eis jetzt bei der Umsetzung der Sanierung nicht unterstützt?“
Heuschrecke befürchtet
Nach Kenntnis von UbE knackt es besonders an folgendem Punkt: Ein Gutachter kommt zu dem Ergebnis, das der Betrieb der Halle in ganz Europa ausgeschrieben werden müsse. Das läuft konträr zu den Interessen des KJEC. Der wollte als Pacht und Betrieb nach der Sanierung übernehmen. „ Wenn jetzt ein Pächter kommt und hier nur das Geld rauszieht, dann wollen wir das nicht“, erklärte KJEC-Vorsitzender Michael Weber. „Das Geld soll in den Fortbestand der Halle fließen.“ Nicht unwichtig: Ein schlüssiges Pachtkonzept wäre zudem Grundlage zur Bewilligung von Kreditmitteln in Höhe von bis zu 3 Mio. Euro durch die NRW-Bank gewesen. Jetzt wohl hinfällig. "Ich bezweifel, dass irgendwo die Sanierung einer Eishalle europaweit ausgeschrieben wird", erklärt UbE-Chef Wilhelm Ruck. Insgesamt sei das Vorgehen der Stadt unangemessen teuer und umständlich. Dort kursiert inzwischen eine Kostenschätzung von etwa 8 Mio. Euro. Durch Einsatz ehrenamtlicher Arbeit und Fachbetrieben bzw. eines Architekten, die zu erheblich reduzierten Kosten gearbeitet hätten, kommt UbE auf etwa 3,5 Mio. Euro.   
Welle teurer Gutachten
Der Aufwand an Gutachten stößt der Initiative auf. Betrachte man die Kosten ergebe sich eine Summe, mit der man die Dachkonstruktion der Halle bereits ersetzen könnte. Tatsache: Fertige und beauftragte Expertisen summieren sich auf rund 300 Tsd. Euro. Was für die Dachkonstruktion gereicht hätte, nach Ansicht von UbE. Insgesamt habe die Initiative den Eindruck, dass die Stadtverwaltung den Ablauf verschleppe und Kosten glaubhaft machen wolle, die so eigentlich nicht entstehen müssten. „Der Bürgerentscheid sagt etwas anderes aus als was jetzt umgesetzt wird.“ Das Ergebnis der Abstimmung, die Weiternutzung der Halle, ist indes weiterhin bindend gültig, noch zwei Jahre. Mit dem Brief möchte die Initiative Druck auf Politik und Verwaltung machen, jetzt die erforderlichen Schritte zur Sanierung der Eissporthalle einzuleiten. Das sei „nicht mehr das Projekt, für das wir ursprünglich gekämpft haben.“ Die Stimmen des Bürgerentscheides seien auch nicht für eine solche Form gewesen.
SPD Reaktion
„Das hat nichts mit zerreden und verschleppen zu tun", lautet der Tenor des Antwortschreibens der SPD-Fraktion, das Vorsitzender Bernd Dreisbusch und Geschäftsführer Carsten Hellmann formulierten: Sehr überrascht reagiere die SPD-Fraktion auf die Vorwürfe, es bewege sich nichts in der Stadtverwaltung. In der Coronakrise sei es wohl verständlich, „dass Kräfte anders gebündelt werden müssen“. Die Genossen fordern eine präzisere Kalkulation. Ungeklärt seien Fragen zur Verpachtung der Halle, Berechnung und Übernahme der Betriebskosten auf einen Zeitraum von rund 30 Jahren sowie der Einsatz der künftigen Kühltechnik. Ungereimtheiten gebe es aber in weiteren Punkten. Etwa beim Ganzjahresbetrieb der Halle. In der aktuellen Klimadiskussion sei kaum zu vermitteln, warum im Sommer eine Eisanlage laufen soll. Dem Engagement zolle man zwar Wertschätzung, aber „Einfach mal drauf los bauen bei einem Projekt dieser Größenordnung geht nun mal nicht.“
Grüne
Die Fraktion der Grünen entwickelt schon neue Nutzungsperspektiven. Vorstandsprecherin und Bürgermeisterkandidatin Claudia Keuchel macht in einer Antwort an die Stadtverwaltung konkrete Vorschläge. Platz könnte in der Halle eine stadtteilorientierte Jugendarbeit finden unter Einbeziehung von Schulzentrum Nord und des Bildungscampus. Der Eissport bleibe, so die Vorstellung der Bündnis90-Grünen, aber Bestandteil der Nutzung. Weite Teile der Nutzfläche könnten zusätzlich für Indoor-Angebote wie eine Boulderwand, Parcourelemente oder Trainingsflächen für moderne Bewegungskunst wie Street-Artistik genutzt werden. Claudia Keuchel: „Das wären vielversprechende Ansätze, um für viele junge Menschen in Unna ein sinnstiftendes Angebot zu erarbeiten, das auch noch Spaß macht!“ Klimaneutrale Nutzung und Betrieb des Gebäudes schreiben sich alle Parteien auf die Fahnen - Umsetzung offen. 
Perspektive
Ganz hinschmeißen möchten UbE und der Königsborner Eissportverein nicht. Es gehe in erster Linie darum zu zeigen, dass in den kommenden zwei Jahren gehandelt werden müsse. Wilhelm Ruck: "Wir sind guter Dinge, bei der Stadt auf Umsetzung zu drängen. Damit die Bürger das Vertrauen in die Politik behalten."

Kommentar

Gut gemeint, schlecht gemacht!

Respekt! Vor einer Initiative, die Mut, Idealismus, Geld und reichlich Verantwortung aufbringt, um eine Sportanlage wieder in Betrieb zu setzen. Ein überregionales Freizeitangebot für Jugendliche, (die ja nicht wissen wohin?), zu schaffen, dafür ist der Bürger schnell zu begeistern und macht sein Kreuzchen. Doch plötzlich wird’s ernst. Mit ehrgeizigen Eröffnungsterminen baut die Eislauffraktion Druck auf, im guten Glauben, die Stadt ziehe mit. Durch die UbE-Brille schien das Konzept schlüssig und rasch umsetzbar: Kredit vom Land, Freiwillige Arbeit der Vereine und Helfer, kostenlose Entwürfe eines Architekten, Handwerkerarbeit zum „Freundschaftspreis“ und Betrieb in kameradschaftlicher Eigenregie. Alles machbar - Für einen Fußballplatz!
Langfristigkeit
Eine Eissporthalle nach heutigen Kriterien, erfordert andere Maßstäbe. Von der Gebäudesicherheit über die Kälte- und Klimatechnik bis zu Brandschutz und Fluchtwegeplan entfaltet sich ein bunter „Überraschungsblumenstrauß“. Den kann eine Initiative, so ambitioniert sie ist, nicht selbst binden. Da braucht´s professionelle Kalkulation, Planung und Baubegleitung von Anfang an. Genau dort fehlt das Signal der Stadt. Statt mit UbE und Eishockeyverein an einem Strang zu ziehen wird laviert im Stile „Wie kommen wir vielleicht doch noch aus der Sache raus“. Darauf deutet der Tonfall der Beauftragung eines Anwaltes durch die Stadt Unna hin, die UbE jetzt in einer Erklärung anprangert. Statt man sei „...verpflichtet, die Eissporthalle wieder zu eröffnen...“ hätte „...wir wollen die Eissporthalle wieder eröffnen...“ den Eislauffans besser im Ohr geklungen.

„Unbürokratisch“ und „günstig“ hatte UbE im Blick, „Langfristigkeit“ und „Effektivität“ die Kommune. Von beiden das Beste bietet sich an. Das Aussitzen und Verzögern bis zum Ablauf der Umsetzungspflicht in zwei Jahren kann nicht die Lösung im Sinne des Bürgerwillens sein.

Stefan Reimet

"Lasst uns anpacken, liebe Stadtverwaltung und liebe Politiker!" rief die Eissportjugend bei einem Arbeitseinsatz in der Eissporthalle Königsborn noch zum Jahresbeginn zu. Doch die Taktik der Stadt Unna sind die "Eishallenretter" leid. | Foto: UbE
Kann aus der Eissporthalle noch ein attraktives Sportangebot für Unna und Umgebung werden?  | Foto: Stefan Reimet
Autor:

Stefan Reimet aus Holzwickede

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