Eine Stunde „Glück“ pro Woche!
Wie ein Unterrichtsfach Schüler des Berufskolleg Bleibergquelle glücklicher machen soll

 "Glück" als Unterrichtsstunde: Schüler des Berufskolleg Bleibergquelle mit ihrem Schulleiter Dr. Ludwig Wenzel (vorne). | Foto: Astrid von Lauff
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Seit den Sommerferien gibt es im Lehrplan des Berufskolleg Bleibergquelle ein neues Unterrichtsfach. „Glück und Selbstmanagement“ heißt es und wird von Schulleiter Dr. Ludwig A. Wenzel unterrichtet. Ziel ist es, das Wohlbefinden der Schüler durch das Erlangen von mehr Selbstkompetenz und einer starken Persönlichkeit, zu steigern.

Eine Unterrichtsstunde am Berufskolleg Bleibergquelle. In einem Stuhlkreis sitzen rund 15 Schüler der 11A des beruflichen Gymnasiums. Alle mit Mundschutz versteht sich. Das wurde in der Corona-Zeit gemeinschaftlich mit dem Lehrerkollegium so beschlossen. Das Besondere: Das Unterrichtsfach heißt „Glück und Selbstmanagement“. Es ist neu an der Schule und wurde von Schulleiter Ludwig Wenzel persönlich eingeführt und wird von ihm ein Mal in der Woche unterrichtet. Dieser gibt seinen Schülern nun den ersten Impuls um kreativ am Unterrichtsgeschehen teilzunehmen. Dabei geht es um nichts Geringeres als ein passendes Fotomotiv für die Presse zu finden, denn die ist heute zu Gast. Es dauert nicht lange und schon sprudeln die ersten Ideen aus den jungen Leuten hervor. Manche werden gleich wieder verworfen, andere weiter ausgebaut – am Ende überzeugt die kreativste. Ohne Scheu bilden die Schüler einen Kreis, in der Mitte hocken zwei Schüler als Augen und ein dritter liegt als lächelnder Mund davor. Und schon ist er fertig, der lächelnde Emoji oder auch Smiley. Gleich zu Beginn ein Paradebeispiel für das, was Ludwig Wenzel bereits festgestellt hat. „Die Klasse reagiert mit viel Motivation und Selbstbewusstsein auf neue Impulse von Außen. Gemeinsamkeit, nicht nur Selbstkompetenz, auch gegenseitiges Unterstützen sind seit Beginn des Schulfaches „Glück“ viel häufiger der Fall.“
„Glück“, eine typische Worthülse. „Glück“ wünschen sich Menschen zu vielen verschiedenen Anlässen. Am häufigsten wohl zum Geburtstag – oft auf die Zukunft bezogen und von uns nicht beeinflussbar. Doch ist das auch so? Diese Frage stellte sich auch Schulleiter Ludwig Wenzel: „Glück ist für uns oft etwas Passives. Doch man kann an seinem Glück arbeiten. Glück kann man lernen, denn es ist ein aktiver Prozess sein Wohlbefinden zu verbessern. Frei nach dem Sprichwort: ’Jeder ist seines Glückes Schmied’.“ Ein Zeitungsartikel brachte den ambitionierten Schulleiter auf das Thema „Glück als Unterrichtsfach“. Basierend auf den Theorien des Therapeuten und Pädagogen Ernst Fritz-Schubert, der im Jahr 2007 zum ersten Mal das Schulfach Glück an einer Schule in Heidelberg einführte, gibt es nun bereits 100 Schulen in Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz, die es ihm nachtun. „Das fand ich eine coole Idee und ich habe mich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Das passende Rüstzeug für den Unterricht findet man in zahlreichen Veröffentlichungen des Fritz-Schubert-Institutes“, so Wenzel, der seine Begeisterung kaum verbergen kann. Danach gibt es für jede „Glücksstunde“ ein methodisches Grundschema. Immer beginnend mit einem Impuls, Lernexperimenten zum Thema und jeder Menge Reflexion. Heute heißt das Thema: Markt der schlechten Eigenschaften. Nach einer kurzen Hinführung zum Thema geht’s schon los. Oder vielmehr – fast. Der Rektor hat sein vorbereitetes Arbeitsmaterial vergessen – kein Problem – die Schüler helfen bei der Improvisation – auch der Chef kann Fehler machen. Zettel und Stifte werden gezückt und alle fangen an zu schreiben. Die Aufgabe lautet: „Welche schlechte Eigenschaft an mir möchte ich los werden?“ Kaum sind die Antworten auf dem Papier werden sie auf dem „Markt“ verkauft. Und wie? Natürlich als „gute“ Eigenschaften. Die Schüler laufen im Klassenraum umher, bilden Zweiergruppen, diskutieren, überzeugen, erklären, bis jeder eine schlechte, jetzt gute Eigenschaft gekauft hat. Aus einem „sturen Menschen“ ist ein Mensch mit einer eigenen Meinung geworden, nicht beeinflussbar, einer der genau weiß was er will. Der vermeintlich „Faule“ geht gelassen durch’s Leben, lässt sich nicht hetzen und genießt den Augenblick. Der „Ungeduldige“ reagiert schnell, erreicht sein Ziel vor allen anderen. Hier und da geraten die Schüler ins Grübeln. Inhalte werden diskutiert. Warum empfinde ich es als negativ, anspruchsvoll zu sein? Viele sehen das nicht so. Doch was passiert, wenn der Anspruch an mich selbst oder an andere zu hoch ist? Die Schüler erfahren viel über sich und ihre Mitschüler. Vieles darf jedoch anonym bleiben und eine Bewertung gibt es in diesem Fach nicht. „Die Schüler schreiben ein Glückstagebuch und können ihre Entwicklung selbst überprüfen. Im Gegensatz zu den etablierten Fächern hat der Lehrer hier eine andere Rolle. Er ist verantwortlich für den Lernprozess, die Schüler für den persönlichen Bedeutungsinhalt“, so Ludwig Wenzel. Am Ende der Stunde steht das sogenannte Blitzlicht: Jeder Schüler reflektiert in wenigen Sätzen, was er aus der Stunde mitnimmt. So unterschiedlich hier die Momentaufnahmen sind, so übereinstimmend ist die Beurteilung der neuen Glücksunterrichtsstunde. Joela empfindet es als eine gute Gelegenheit sich selbst besser kennenzulernen und zwar im Jetzt und Hier, denn normalerweise lerne man ja immer für die Zukunft. Auch Tufan und Juanna schätzen das Besondere an dem Fach und finden es gut einmal nur über sich nachzudenken und ganz viel über die anderen zu erfahren, das man bisher nicht wusste. Und Nick ist erstaunt darüber „wie vielfältig ‚glücklich sein’ sein kann. Sieben kleine, besondere Steine bringt jeder Schüler zur nächsten Stunde mit. Sieben Gelegenheiten für Gefühle, Selbsteinschätzung, Erzählen, Reflektieren, Kennenlernen und jede Menge Glück.

Autor:

Astrid von Lauff aus Velbert-Langenberg

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