Die Rettung der städtischen Seniorenwohnheime

Foto: Alice Wiegand / Frank Schulenburg
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Die Geheimnis ist gelüftet. Jetzt ist bekannt, weshalb die vier städtischen Seniorenheime Millionenverluste ohne Ende machen und auch zukünftig machen werden. In den letzten Jahrzehnten, jetzt und auch in den nächsten 10 Jahren.

Die SBO, die die vier Heime betreibt, hat zu viel Personal und zwar nicht in der Pflege, sondern in der Verwaltung und in der Hauswirtschaft. In diesen Bereichen sind fast doppelt(!) so viele Mitarbeiter beschäftigt, wie eigentlich erforderlich. Die Stadt hat in das städtische Unternehmen SBO massiv Mitarbeiter ausgelagert, um die nicht mehr aus dem eigenen Budget bezahlen zu müssen. So muss die SBO darüber hinaus noch 7 Beamte beschäftigen und versorgen.

2014 machte die SBO über 2,9 Mio. Verlust. Deutlich über die Hälfte der Verluste resultiert aus den unnötig beschäftigten Mitarbeitern, 0,7 Mio. aus überhöhten Sachkosten (insbesondere zu hohen Heizkosten und Verlusten aus der Anmietung des Heimes Grabelohstraßen: 0,4 Mio.). Der Rest der Verluste (0,6 Mio.) resultiert insbesondere daraus, dass die Bewohner schlecht in die Pflegestufen eingestuft sind. Ohne Personalüberhang, überhöhte Sachkosten und bei angemessener Einstufung der Bewohner in die Pflegestufen, würde die SBO verlustfrei arbeiten.

Die Situation spitzt sich dramatisch zu

Nun wird sich, da Politik und Stadt rechtzeitiges Handeln völlig verschlafen haben, die Situation bei der SBO in den nächsten Jahren noch dramatisch verschärfen. Denn, selbst wenn die SBO drei neue Heime baut (Glockengarten (+80 Plätze), Beisenkamp (+40 Plätze) und Sommerdellenstraße (+ 40 Plätze)) wird die Zahl der Pflegeplätze von jetzt 588 auf 408 sinken, denn das Heim im Glockengarten ( Wegfall von 148 Plätzen) erfüllt die Vorgaben des Wohn- und Teilhabegesetzes nicht, das Heim an der Grabelohstraße (Wegfall von 180 Plätzen) macht nur Verluste, weil die Miete bereits 0,4 Mio. über den Erträgen liegt. Das städtische Personal nimmt aber nicht in gleichem Maß ab, wie die Zahl der Heimplätze abnimmt. Entsprechend lässt sich für 2020 ein Personalüberhang von deutlich über 70 Mitarbeitern errechnen. Mitarbeiter, die bezahlt werden müssen, für die aber gar keine Arbeit mehr da ist.

Strategie I: Heimplätze auf 408 reduzieren - Stadt baut 3 neue Heime

Um die drei neuen Heime zu bauen, müssten die Stadt bzw. SBO 22 Mio. investieren, davon 18,2 Mio. auf Kredit. Trotzdem würden bis 2022 weitere 31,5 Mio. Verluste auflaufen, zu den bereits in den letzten 8 Jahren aufgelaufenen 30 Mio.. Macht in Summe unfassbare 76,7 Mio. (inkl. abgezogenen 3 Mio. Abschreibung für die 22 Mio. Neuinvestition*). Auf die verbleibenden 408 Bewohnerplätze verteilt, sind das fast 188.000 Euro für jeden Bewohner. Jede Mitarbeiterstelle bei der SBO wird so bis 2024 mit 262.000 Euro subventioniert.

Beschäftigungsgesellschaft SBO

Doch die Stadt Bochum betreibt die Seniorenheime nicht für die Bewohner, sondern als Beschäftigungsgesellschaft für die Mitarbeiter. Zwei der vier Heime erfüllen die Standards des Wohn- und Teilhabegesetzes von 2008 immer noch nicht. Die Bewohner müssen deutlich mehr zahlen als in Heimen karitativer oder privater Einrichtungen (310 Euro/ Monat mehr bei Pflegestufe 3). Entsprechend werden die neuen städtischen Heime nicht gebaut, um einen Bedarf an Seniorenheimplätzen zu decken oder den Senioren neue, innovative Wohnformen anzubieten, die sich von denen privater und karitativer Einrichtungen unterscheiden. Es geht allein darum, Arbeit für die bei der Stadt beschäftigten Mitarbeiter zu beschaffen.

Der Personalüberhang resultiert aus der Unfähigkeit von Politik und Verwaltung, rechtzeitig auf die mindestens seit 2008 absehbare Reduzierung der Pflegeplätze zu reagieren und Maßnahmen zu ergreifen, Personalstärke und Personalbedarf in Einklang zu bringen. Statt vorausschauend schon spätestens 2008 mit einer Personalreduzierung zu beginnen, also Stellen nicht wieder zu besetzen, erhöht man auch 2015 das Personal noch mal um 24 Stellen. Auch 8 Auszubildende werden mehr beschäftigt, obwohl eine Perspektive auf Übernahme nicht besteht. Der Rat wird am 19.03. den längst überfälligen Einstellungsstopp verhängen.

Jetzt kann es nur noch um Schadensbegrenzung gehen. Die Mitarbeiter der SBO sind unkündbar, sie besitzen eine lebenslange Beschäftigungsgarantie zu den Konditionen des TVöD - inklusive betrieblicher Zusatzversorgung bei der staatlichen Versorgungskasse VBL. Ein Verkauf an einen privaten oder karitativen Investor ist somit unrealistisch, da er die Mitarbeiter nicht übernehmen wird, insbesondere, da er die Zusatzversorgung der VBL nicht übernehmen kann. Diese müsste die Stadt dem Investor gegenfinanzieren. Die dafür erforderlichen Millionen hat die Stadt nicht.

Strategie II: Heimplätze auf 680 erhöhen - Stadt baut 5 neue Heime

Um den Personalüberhang zu reduzieren, müsste also die Zahl der Pflegeplätze erhöht werden. Das aber wiederum bedeutet, die Stadt müsste noch mehr neue Heime bauen. Würde sie statt 22 Mio. 45 Mio. (davon 41 Mio. auf Kredit) in neue Heime investieren, ließe sich die Zahl der Heimplätze auf rund 680 erhöhen und der Personalüberhang auf maximal unter 30 Mitarbeiter reduzieren. Dann würden in den nächsten 10 Jahren nur 14 Mio. Verlust auflaufen. Insgesamt würden sich dadurch allerdings die Verlust für den Zeitraum 2006 bis 2024 auf 79 Mio. erhöhen (30 + 41 + 14 - 6* Mio.). Erst ab etwa 2026 würde sich diese Strategie (Erhöhung der Plätze auf 680) gegenüber der Strategie Reduzierung der Plätze auf 408 Plätze rechnen.

Beide Strategien sind also nicht geeignet, die sich abzeichnenden weiteren Millionenverluste für die Stadt in einem auch nur halbwegs erträglichen Maß zu halten.

Strategie III: Heimplätze auf 488 reduzieren - Stadt baut keine neuen Heime, Investor baut 2-3 neue Heime

Entsprechend schlagen die Die STADTGESTALTER eine 3. Strategie vor, mit der sich die Verluste um mindestens 27 Mio. Euro reduzieren lassen: Die Zahl der Heimplätze wird 2017/18 um 120 erhöht und 2020 um weitere 120 Plätze, so dass 2024 noch insgesamt 488 Heimplätze bereit stehen (siehe Tabelle). Die neuen Heime baut aber nicht die Stadt, sondern ein karitativer bzw. privater Investor auf den städtischen Grundstücken. Den Betrieb der neuen Heime übernimmt bis zu ihrem Auslaufen die SBO, die Leitung der karitative oder private Träger. Der Einstellungsstopp bei der SBO tritt bereits für 2015 in Kraft und gilt bis zum Auslaufen des städtischen Unternehmens. Bis etwa 2021 kann der Betrieb der Heime vollständig durch Pflegepersonal der SBO bewerkstelligt werden. Sukzessive ergänzt der Träger der neuen Heime danach die Kräfte der SBO durch eigene Mitarbeiter. Die Stadt trägt über die SBO weiterhin die Verluste, die durch den Personalüberhang entstehen. Der neue Träger bezahlt der SBO die Personalkosten, die ohne den Überhang anfallen würden und die tarifüblich sind. Den Rest gleicht weiterhin die Stadt aus.

Bei dieser Strategie entstehen weitere 23,7 Mio. Verluste bis 2024 (siehe Tabelle). Diese kommen zu den 30 Mio. Verluste aus den letzten 8 Jahren hinzu. Durch den Verkauf der städtischen Grundstücke an den neuen Träger, erzielt die Stadt einen kleinen Erlös von 4 Mio., so dass bis 2024 insgesamt 49,7 Mio. Verluste auflaufen. Durch die Strategie der STADTGESTALTER spart die Stadt somit mindestens 27 Mio. Euro.

2024 beträgt der Personalüberhang noch 8 Mitarbeiter in der Verwaltung und 5 in der Hauswirtschaft (siehe Tabelle). Sofern dieser Umstand bereits in der heutigen Personalplanung der Verwaltung berücksichtigt wird, können diese Mitarbeiter ggf. bis 2024 bei der SBO ausgegliedert und in frei werdende und wieder zu besetzende Stellen bei der Stadtverwaltung eingegliedert werden. Gelingt dies, sinkt der Verlust bei der SBO bereits 2024 auf 0.

Da der neue Träger mindestens daran interessiert ist, dauerhaft keinen Verlust mit seinen Heimen zu machen, wird er ein großes Interesse daran haben, die Heime effizient zu organisieren und die Bewohner angemessen in die Pflegestufen eingruppieren zu lassen. Die Leitung der neuen Heime sollte daher von Beginn an durch den neuen Betreiber erfolgen. Entsprechend wäre eine Senkung der Heimkosten für die Bewohner realistisch.

Für die Bewohner ergeben sich in jedem Fall keine Nachteile. Die Stadt wird massiv entlastet und muss keine neuen Schulden aufnehmen, Zinsaufwendungen entfallen. Die Verträge der Mitarbeiter der SBO werden erfüllt, sie können auch weiterhin ihrer nützlichen Arbeit nachgehen. Der städtische Verlustbringer SBO läuft langfristig aus, die Stadt wird ein bedrückendes finanzielles Problem los.

Wichtig: Die Politik muss jetzt schnell handeln und sich umgehend auf die Suche nach einer karitativen bzw. privaten Einrichtung machen, die daran interessiert ist, die neuen Heime zu errichten. Ehe diese nicht gefunden ist, sollte kein Euro verbaut werden. Es darf keine weitere Zeit vergeudet werden. Die Handlungsunwilligkeit und -unfähigkeit von Politik und Verwaltung hat schon Millionen genug gekostet.

Die STADTGESTALTER werden daher zur nächsten Ratssitzung beantragen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der vorgeschlagene 3. Weg unverzüglich beschritten werden kann.

Volker Steude
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos

* abgezogen werden von den Verlusten die für die Neuinvestitionen fälligen Abschreibungen ab 2018, da diese in der addierten Investitionssumme bereits enthalten sind.

Foto: Alice Wiegand / Frank Schulenburg
Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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