Premiere von „Satansbraten“ in Dortmund

Premiere "Santansbraten" am 23. Februar 2012 | Foto: Frank Gebauer
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  • Premiere "Santansbraten" am 23. Februar 2012
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Die freie Theatergruppe „glassbooth“ feierte am 23. Februar 2012 die NRW-Premiere von „Satansbraten“ nach Rainer Werner Fassbinder im Theater im Depot in Dortmund.

Schon damals (1976) schockierte die Handlung des Films die deutsche Nation und wurde von der breiten Masse abgelehnt. Es geht um die Ausbeutung von Gefühlen, Machtmissbrauch und Überstilisierung des Künstler-Egos. Im Grunde genommen passieren entsetzliche Dinge in „Satansbraten“, doch sind sie in ein so groteskes Textgewand gekleidet, dass man nicht umhin kann, an einigen Stellen laut aufzulachen.
Die ätzende Komödie ist bis heute eines der unbekanntesten Fassbinder-Werke geblieben.

Auch als Theaterstück verliert der Text nicht an Brisanz, – aber ebenfalls nicht an Charme, denn „Satansbraten“ ist eine Komödie, die sofort Fahrt aufnimmt und auf Grund ihrer Bösartigkeit sicher nicht jedermanns Sache ist. Alles andere als trockener Stoff wird dabei geboten! Die Handlung überrascht mit temporeichen Aktionen, aber auch mit scharfem (Wort-)Witz, womit alle Zutaten für eine gute Satire beisammen sind. „Satansbraten“ ist eine Produktion für Erwachsene, deren derbe Aussprache prüderen Mitbürgern auch heute noch aufstoßen dürfte. Doch selbst Fassbinder-Puristen werden eines mit Sicherheit feststellen können: Die unglaubliche Spielfreude des gesamten Ensembles.

Benötigt man zu Beginn noch etwas Zeit, sich an den Aufbau der Handlungsstränge zu gewöhnen, dauert es jedoch nicht lange, und man fiebert mit den verrückt-überzeichneten Charakteren auf der Bühne mit.
Dabei präsentieren die Darsteller eine Welt, die nicht grundsätzlich fremd ist (die Ehestreitigkeiten in der Küche bilden beispielsweise den Dreh- und Angelpunkt des Geschehens). An Verve hat das Theaterstück im Laufe der Jahre ebenfalls nichts eingebüßt, der Text ist trotz einer Verankerung in den 1970ern immer noch zeitlos. Ein wahres „Aufrütteln“, wenn auch nicht immer ein wohliges, wird einem beschert, dem man sich schwerlich entziehen kann. Hat man sich einmal auf all die überdrehten Dialoge eingelassen, ist der Unterhaltungswert bei „Satansbraten“ enorm hoch.

Zur Handlung: Walter Kranz, der Dichter, der unter einer Schreibblockade leidet und lange nichts mehr aufs Papier gebracht hat, plagt so manche Sorge, an Geld zu kommen. Also probiert er es auch auf illegalem Wege…
Hauptdarsteller Jens Dornheim überzeugt in der anspruchsvollen Rolle des Walter Kranz. Man kann hier ein großes Talent bewundern: Dornheim lebt seine Rolle, zwischen Karikatur und abgrundtiefer Verstörtheit interpretiert, und nimmt den angewidert-amüsierten Zuschauer mit auf die Reise des Stückes.

Seine ständig nörgelnde Ehefrau Luise geht dem Dichter mit ihren häufigen Geldforderungen auf die Nerven, und Sandra Wickenburg gibt ihrer Rolle als kratzbürstige Hausfrau ein jederzeit glaubwürdiges Gesicht. Der sichtliche Spaß, den ihr die Darstellung der Ehefrau bereitet, sieht man ihr an - und er überträgt sich aufs Publikum.

Ernst, der debile Bruder von Walter, der mit im Haushalt lebt und eine Leidenschaft für tote Fliegen hegt, lässt den Betrachter schon zeitweise den Kopf schütteln. Marlon Bösherz ist mit seinen gerade einmal 19 Jahren jetzt schon eine Augenweide: Jede Bewegung, jede Mimik stimmt - eine absolut authentische Leistung.

Lisa hat eine Affaire mit dem Ekel Walter Kranz und hält ihn in mehrfacher Hinsicht aus - genau wie ihr Ehemann Rolf einiges auszuhalten hat – wobei Rolf alles scheinbar gelassen nimmt, auch wenn die Frau ihn mal wieder völlig offensichtlich betrügt. Tanja Brügger meistert souverän die schwierige Rolle der merkwürdig der Realität enthobenen Lisa, ebenso großartig ist Angelo Enghausen Micaela, der neben Rolf auch später noch als Lisas Mutter das Publikum verzaubert und für einige Lacher sorgt.

Dann ist da noch Andrée. Sie kommt vom Land und ist ein großer Fan von Kranz’ Dichtkunst und ihm vom ersten Auftritt an hörig. Man leidet und hat Mitleid mit Andrée, besonders, wie sie Kranz anhimmelt muss man gesehen haben – auch das ein Verdienst der überzeugenden Darstellerin Kristina Rickal.

Kommissar Lauf verdächtigt Kranz des Mordes und versucht ihn zu überführen. Frank Tengler verkörpert perfekt den Kommissar mit kriminellem Gespür und Hang zur Trotteligkeit mit viel Humor und Elan.

Schließlich taucht die Prostituierte Lana von Meyerbeer auf, die von Kranzens Frau Luise für ihre Dienste auch noch bezahlt wird, weil der Gatte es halt so verlangt. Meike Angermann ist wie geschaffen für die Rolle und ein echter Blickfang an diesem Abend - nicht zu vergessen ihre Doppelrolle als Sekretärin!

Und dann ist da noch ein Stricher, der versucht Kranz zu verführen, denn der erprobt sich vollkommen unbeholfen an Homosexualität. Als das kläglich scheitert, muss der Stricher für einen Stefan George-Rezitationsabend herhalten, da Kranz sich in seinem Wahn für eine Wiedergeburt des deutschen Dichters hält. Thorsten Eisentraut gibt dem aufdringlichen Stricher ein gleichermaßen witziges wie realistisches Antlitz - auch ihm ist es zu jeder Zeit ein reines Vergnügen zuzuschauen.

Die Regie des Stückes übernahm Eva Zitta. Ihr ist mit „Satansbraten“ eine Glanzleistung gelungen: Stringent, temporeich und schnörkellos inszeniert sie auf einer spartanisch eingerichteten Bühne. Und vor allem hat sie hervorragende Leistungen aus dem Ensemble gekitzelt.

Fazit: Eine rundum gelungene Fassung von „Satansbraten“ auf der Dortmunder Bühne des Depot Theaters vor zahlreichem Publikum – Hut ab!

Die Theatergruppe glassbooth wurde bereits im November 2003 von Jens Dornheim und Gordon Stephan gegründet. Von Anfang an stand fest, sich auf ungewöhnliche Stücke zu konzentrieren, die kaum oder überhaupt nicht den Weg auf eine Bühne fanden. Dadurch gelang es dem Ensemble, schnell auf sich aufmerksam zu machen – wenn auch keiner breiten Masse. glassbooth hat keine feste Bühne, dafür tingelt die Theatergruppe durch verschiedene Ruhrgebietsstädte und bringt ihre Theaterkunst einem Publikum nahe, das gerne das Besondere auf der Bühne erleben möchte.

„Der Mann im Glaskasten“ (The Man in the Glass Booth) von Robert Shaw wurde zum ersten Theaterstück des Ensembles (und gleichzeitig zum Namensgeber der Gruppe), welches selber übersetzt und am 28. Oktober 2004 von glassbooth in Deutschland uraufgeführt wurde. Durch den großen Erfolg wurden weitere erfolgreiche Inszenierungen in Angriff genommen. Es folgte „Hautnah“ (Closer) von Patrick Marber, 2006 der Psycho-Thriller „Diese Geschichte von Ihnen“ (This Story of Yours) von John Hopkins. Ein Jahr später spielte das Ensemble „Kubus“, inspiriert durch ein Fernsehspiel von Jim Henson und Jerry Juhl und 2009 adaptierte die Theatergruppe einen Roman für die Bühne, den psychologischen Krimi „Kosmetik des Bösen“ der französischen Bestseller-Autorin Amélie Nothomb. Seitdem übernahm Eva Zitta das Regie-Zepter für glassbooth.
2010 kam dann „Das kalte Kind“ durch das Ensemble auf die Bühne. Zum ersten Mal nahm sich glassbooth einen deutschen Autoren (Marius von Mayenburg) vor und überzeugte mit der Darstellung zahlreiche Theaterliebhaber.

Weitere Termine von „Satansbraten“
(Beginn der Vorstellungen ist jeweils um 20 Uhr, außer 22.4. in Oberhausen: 18 Uhr):

11. März, 19. April, 10. Juni
Dortmund
Theater im Depot
www.theaterimdepot.de

9. März
Bottrop
Kulturzentrum August Everding
www.bottrop.de

16. März
Gelsenkirchen
Bildungszentrum
www.stadtbibliothek-ge.de

19. April
Gladbeck
Neue Galerie Gladbeck
www.neue-galerie-gladbeck.de

22. April
Oberhausen
Theater an der Niebuhrg
www.niebuhrg.de

16. Mai, 3. Juni
Essen
Zeche Carl
www.zechecarl.de

Karten und Informationen findet man unter: WWW.GLASSBOOTH.DE oder den jeweiligen Spielstätten.

Zusammenarbeit: Halina Monika Sega & Frank Gebauer

Autor:

Halina Monika Sega aus Gladbeck

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