Kämpfen wie ein Tiger: Rumänische Straßenhündin findet endlich ihr Glück

Glück gefunden: Maike Meske und Tiger (re.) sind unzertrennlich. Links ihre Kumpanen Frodo und Tonga. Foto: Meske
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  • Glück gefunden: Maike Meske und Tiger (re.) sind unzertrennlich. Links ihre Kumpanen Frodo und Tonga. Foto: Meske
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Ganz entspannt liegt Hündin Tiger im Wohnungsflur, inzwischen schreckt sie nicht mehr auf, wenn das Nachbarskind nebenan laut wird. Tiger ist eine Streunerin, aufwachsen auf den Straßen Rumäniens. Die Scheu vor Menschen ist dort Gebot, denn Tierfänger machen gnadenlos Jagd auf Hunde. Als einzige von 200 Tieren nur knapp einer tödlichen Viruserkrankung entronnen hat sie durch den Essener Verein Pro Vita Animale in Haan ihr Glück gefunden.

„Es war Liebe auf den ersten Blick“, erinnert sich Maike Meske noch genau an den Moment, als sie Hündin Tiger in einer Annonce des Anzeigenblatts Haaner Treff sieht. Erst vor Kurzem hatte Meske Abschied von ihrem 14-jährigen Schäferhundmix Alida nehmen müssen, danach war ihr Wunsch, einem anderen Tier ein besseres Leben zu geben. Heute tollt Tiger mit ihren besten Freunden Frodo und Tongo ausgelassen durch den Wald, beweist Geschick und Grips auf dem Agility-Parcours. Vor nicht einmal einem dreiviertel Jahr hing ihr Leben am seidenen Faden.

Freischein für Exekution

Tiger stammt aus dem rumänischen Hulda, bis Hundefänger sie schließlich festsetzen, lebt sie dort auf der Straße. Mehr tot als lebendig landet das Leichtgewicht in einer Tierklinik, der anfängliche Verdacht auf Vergiftung stellt sich bald als Infektion mit dem Staupevirus heraus. Die junge Hündin kämpft um ihr Leben, übersteht als einzige von 200 Tieren die gefährliche Krankheit – daher der Name „Tiger“. Genau für solche Fälle gegründet wurde Pro Vita Animale: „Wir haben noch keinen aufgegeben!“, betont Uwe Dilthey, 1. Vorsitzender des Vereins. Als Dilthey von Tigers Notlage erfährt, werden weder Kosten noch Mühen gescheut: Mit Hilfe von Spendern finanziert Pro Vita Animale die Tierarztrechnungen der damals dreimonatigen Hündin.
Die Zustände in Rumänien sind chaotisch, Negativpresse über den Hunde-Genozid gehört zum Alltag. Seinen Ursprung hat der Kampf gegen Überpopulation in den 80er-Jahren. Damals ließ Staatspräsident Nicolae Ceausescu Wohnviertel und Altstadt Bukarests abreißen, Bewohner, die ihre vier Wände verlassen mussten, trennten sich auch von ihren Vierbeinern. Aktuell werden allein in Bukarest 60.000 Straßenhunde vermutet, doch trotz aggressiver Maßnahmen der Regierung steigt diese Zahl: Vor zwei Jahren waren es nur 40.000.
Eskaliert ist die Situation im September 2013, als ein Kind nach einer Beißattacke angeblicher Streuner stirbt. Das Parlament beschließt als Konsequenz, die Tötung der Tiere nach vorheriger Abschaffung 2008 erneut zu legalisieren – mit dem laschen EU-Recht ist die Regelung konform. In den rumänischen Tierheimen vegetieren zum Teil über 1.000 Tiere auf engstem Raum eingepfercht vor sich hin, nach zwei Wochen droht der inhumane Tod: „Die werden vergiftet und erschlagen“, verrät Vereinsvorsitzender Dilthey bitter.
Der Hunde-Horror ist ein lukratives Geschäft: Rund 50 Euro erhalten die Tierfänger für ein Exemplar, mit Durchschnittslöhnen von knapp 400 Euro eine ordentliche Summe. Im Staatsbudget sind dafür allein 13 Millionen Euro einkalkuliert, kein Wunder also, dass Experten von einer regelrechten „Hundemafia“ sprechen. Dilthey selbst hat schon acht Morddrohungen bekommen, andere Mitglieder des Vereins wurden brutal zusammengeschlagen. Die Routen ihrer Transporte hält Pro Vita Animale geheim, sonst würden sie von der Hundemafia abgefangen.

Glück gefunden

Dem sonst sicheren Tod ist zumindest Tiger entronnen. Nachdem Maike Meske die Annonce gesehen hat, ist sie sofort Feuer und Flamme, schreibt ihren Lebenslauf. Vom Schicksal Tigers erfährt sie erst im Kontakt mit Verantwortlichen, lässt sich aber nicht abschrecken. Ganz im Gegenteil: „Jetzt wollte ich alles von ihr wissen!“ Pro Vita Animale lädt Meske schließlich ein, Tiger zu treffen. Aufgeregt reist die 43-Jährige am großen Tag nach Essen, als sie in die Auffangstation kommt, geht die sonst so scheue Hündin sofort zu ihr. „Ich habe direkt gemerkt: Die ist es! Nur die!“, schwärmt Meske. Lehnt Pro Vita Animale rund 80 Prozent der Bewerber ab, hatte auch Dilthey keine Zweifel: „Das passte!“, kommentiert der 1. Vorsitzende. „Sie ist extra aus Haan hergekommen.“
Bevor Tiger aber in ihr neues Haaner Zuhause kommt, geht Meske drei, vier Wochenenden jeweils Samstag und Sonntag mit der Kleinen spazieren. Mitte Juni nimmt Meske die Hündin dann in Empfang. Zu Beginn ist Tiger sehr ängstlich, lässt sich von anderen Menschen nicht streicheln: „Da hat sie nur 20 Prozent von dem gezeigt, wie sie wirklich ist“, weiß Meske. Drei bis sechs Monate kann es dauern, bevor die Tiere sich in ihrer neuen Heimat ganz akklimatisieren, noch länger, bis die traumatische Vergangenheit überwunden ist.
Inzwischen hat Tiger enorme Fortschritte gemacht, über zu wenig Unterhaltung kann sich die Hundedame kaum beklagen: Meske nimmt sie mit auf Joggingtouren, erprobt die grauen Zellen der Einjährigen auf dem Agility-Parcours. In dem Duo Frodo und Tonga hat Tiger gute Freunde gefunden: „Die sind so in ihrem Alter“, schmunzelt Meske. Die Drei spielen miteinander, plantschen gemeinsam im Swimmingpool. Im Februar reist die 43-Jährige mit Tiger nach Holland, für die Hündin eine echte Premiere: „Ich bin gespannt, wie sie auf Strand und Meer reagiert“, freut sich Meske schon jetzt auf den Trip, zu Weihnachten gab‘s einen dicken Kalbsknochen. Tiger hat ihr Glück gefunden, Maike Meske auch: „Ich habe mir mit dem Hund die Sonne ins Haus geholt!“

Hunde aus der Hölle holen

Pro Vita Animale e.V. betreibt zwei Auffangstationen in Frohnhausen, beherbergt werden dort nicht selten ehemalige Straßenhunde aus Rumänien. Die Vereinsmitglieder arbeiten ehrenamtlich, finanziert werden Kosten, wie teils hohe Tierarztrechnungen, über Spenden. Zusätzliche Infos gibt’s auf der Internetpräsenz pro-vita-animale.de

Spendenkonto bei der Sparkasse Essen:
IBAN: DE47 360 501 050 003 211 299
BIC: SPESDE3EXXX
Konto. 3211299
Bankleitzahl 36050105

Autor:

Alexander Müller aus Essen-Borbeck

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