„Wie du bist, so bist du richtig“

Gisela Kühn zieht die Kinder mit Augenrollen und großen Gesten in ihren Bann.
Foto: Henschke
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Der „Verein zur Förderung der Kinder- & Jugendliteratur “ mit einer Vorleseaktion auf der Brehminsel

Tolles Sommerwetter auf der Brehminsel. Die Sonne knallt, von den Grills steigt Rauch auf. Es wimmelt nur so von Menschen. Meist Familien, vor allem aber: Kinder, Kinder, Kinder.

Der Bollerwagen rollt über die Wiese. Direkt neben dem wunderschönen Spielplatz, im Schatten mächtiger Bäume, breiten Gisela Kühn und Siegfried Meyer ein paar Picknickdecken aus, ein kleines Fähnchen weist auf ihre Ferienspatz-Aktion hin: Der „Verein zur Förderung der Kinder- & Jugendliteratur “ liest vor. Aus seinem Bollerwagen lugen verführerisch die Bücher heraus, um die es geht. Zumeist den Verlagen „abgebettelt“, zum Beispiel auf Kinderbuchmessen. Der Verein setzt sich seit 1980 dafür ein, Kindern und Jugendlichen Spaß am Buch, Freude am Lesen und Vergnügen an der Sprache zu vermitteln. Besonderes Anliegen sind niederschwellige Angebote. Da geht es eben nicht um Literatur-Rezeption in gepflegter Atmosphäre. Ganz nah bei den zukünftigen Lesern, da spielt die Musik. Dank der Unterstützung der SPARDA-Bank kommt das „Büchermobil“ bereits im fünften Jahr im Zuge des Ferienspatz-Programms auf die Brehminsel nach Werden. Für Kinder von 2 bis 12 Jahren lesen Gisela Kühn und Siegfried Meyer aus ihren Lieblingsbüchern vor. Die Kinder können sich in dieser Zeit auch Bücher ausleihen und selber lesen.

„Setzt euch einfach dazu“

Es braucht nicht lange, da schleichen sich auch die ersten neugierigen Kinder an. Gisela Kühn lädt sie warmherzig ein: „Hallo. Setzt euch einfach dazu!“ So bildet sich schnell eine außergewöhnliche Literatur-Community. Die Kleinen machen es sich auf den Decken bequem und sperren Augen und Ohren auf. Die Mamas und Omas machen es sich mit ein wenig Abstand gemütlich, beobachten die Szenerie mit Vergnügen und milden Lächeln. Denn ihre Kinder / Enkel sind bereits abgetaucht in die magische Welt der Bücher. Gisela Kühn hat dieses goldene Händchen, den Nachwuchs für ihre Themen zu begeistern. Wenn die 75-Jährige mit Augenrollen und vielsagenden großen Gesten ihre Bücher eher vorträgt als vorliest, hängen ihr die Zuhörer fasziniert an den Lippen. Doch hier wird beileibe keine Einbahnstraße inszeniert, einer liest vor, alle hören zu. Das ist Gisela Kühn viel zu wenig. Sie möchte mitreißen in ihre bunte, dramatische, lustige, auf jeden Fall spannende Buchwelten. Nicht berieseln, sondern zum Mitmachen animieren.

„Der Schakal geht verkehrt“

Das klappt toll mit Reimwörtern. Bei „Eins Zwei Drei Tier“ von Nadia Budde zum Beispiel reimt sich auf das jeweils dritte Wort ein Tiernamen. Das hilft beim Erraten, sogar eher unbekannter Tiere. Oder hat schon jemand auf dem Brehm einen Schakal gesehen? „Der Schakal geht verkehrt. Kann jemand von euch mal zeigen, wie man verkehrt geht?“ Nichts leichter als das, die junge Dame deutet einen Handstand an. Begeistert und erstaunlich konzentriert gehen die Kinder mit, sind schnell im Bann des Bilderbuches einer Autorin, die Gisela Kühn am Herzen liegt: „Nadia Budde bekam dafür den Deutschen Jugendliteraturpreis.“ Siegfried Meyer ist ebenfalls ein Fan, zeigt das neueste Werk der so geschätzten Autorin. Das Buch heißt „Und außerdem sind Borsten schön“ und endet mit einer wohltuenden Weisheit. Alle Menschen, alle Tiere sind unzufrieden mit ihrem Äußeren. Was macht das mit uns? Dieses unsägliche Schönheitsideal, der krankhafte Schlankheitswahn? Das Buch gibt die entwaffnende Antwort. Denn Onkel Parzival ist sein Äußeres egal und er findet: „Eins ist wichtig…Wie du bist, so bist du richtig!“ Siegfried Meyer lächelt: „Ist das nicht schön gesagt?“ Meyer ist auch im „Essener Lesebündnis“, hier wird unter dem Motto „Mit dem Vorlesen fängt alles an“ dafür geworben, als Lesepaten in Kitas und Grundschulen vorzulesen.

„Du hast aber tolle Bücher“

Derweil wird der kleine Louis von einem Schluckster gefressen. Der wiederum von einem Grabscherix, der vom Wasserschnapper, der vom Dornrückenschlürfer, der vom Säbelzahnschlinger. Wie kann Sarah ihren kleinen Bruder retten? Sie zögert keine Sekunde und befreit Louis, denn zum Glück hatte sie einen Schluckauf-Frosch dabei! Als nächstes kommt besondere Lektüre, verrät Gisela Kühn: „Das hier ist mein Lieblingsbuch. Ein chinesischer Autor. Chen Jianhong ist schon als junger Mann nach Paris ausgewandert, er ist Maler.“ Dass in Europa der überaus reiche Märchen- und Geschichtenkanon seiner Heimat fast unbekannt war, wurmte. So machte er sich ans Werk, schrieb auf, illustrierte mit Tusche auf Seide oder Reispapier. Das Buch „Der Tigerprinz“ kennt Gisela Kühn auswendig, die großformatigen Bilder sind wirklich wunderschön. Aus Kindermund kommt ein ehrliches Kompliment: „Du hast aber tolle Bücher.“ Nun kriegen ihre jungen Fans den Mund nicht mehr zu, denn Gisela Kühn antwortet: „Ja. Und ich habe noch über tausend Bücher zu Hause.“
Was gibt es Schöneres, als zwischen den Deckeln eines Buches zu versinken? Der „Verein zur Förderung der Kinder- & Jugendliteratur “ liest auch gerne bei Spielplatzfesten oder Feiern, ist dann mit einem echten Lapplandzelt unterwegs. Unter www.kinderliteratur-verein.de gibt es weitere Informationen.

Gisela Kühn zieht die Kinder mit Augenrollen und großen Gesten in ihren Bann.
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Auch Siegfried Meyer liest gerne aus seinen Lieblingsbüchern vor.
Foto: Archiv
Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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