Eine Koalition mit dem Bürger

Großes Gelächter von Geburtstagskind Dr. Michael Bonman beim Antrittsbesuch von Oberbürgermeister Thomas Kufen in der Bezirksvertretung IX.
Foto: Bangert
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Oberbürgermeister Thomas Kufen mit Antrittsbesuch bei der Bezirksvertretung IX

Der Antrittsbesuch des Oberbürgermeisters bei der Bezirksvertretung IX brachte Thomas Kufen erstaunlich wenig Gegenwind, eher neue Sympathien. Der CDU-Politiker fand nach rund 200 Tagen Amtszeit klare Worte zu Nord-Südgefälle, Asylzahlen und Missständen bei Schultoiletten.

Bezirksbürgermeister Dr. Michael Bonmann lobte ausdrücklich das Erscheinen Kufens vor seinem Gremium, bekam auch gleich passende „Blumen“ überreicht. Nachdem mit dem Bredeneyer Wolfgang Pohl ein neues BV-Mitglied vereidigt und Bonmann zum 60. Geburtstag gratuliert wurde, meinte der OB schelmisch: „Wer gibt jetzt die Runde? Beide?“ Sofort fing er sich vom schlagfertigen Geburtstagskind die Replik: „Jetzt ist das Klima schon vergiftet!“ Großes Gelächter deutete die Richtung des etwa einstündigen Gesprächs an - kritische Fragen ja, aber vor allem grundsätzliches Wohlwollen dem jeweils anderen gegenüber.

Offener Umgang

So lobte Holger Ackermann: „Der offene Umgang miteinander ist eine Wohltat. Der frische Wind in den Amtsstuben wird sehr wohl wahrgenommen.“ Kufen nehme die die Bezirksvertretung als „unterste Ebene der Politik“ sehr ernst, sie sei nahe am Bürger, doch nicht immer zufrieden mit den Antworten aus dem Rathaus. Hier warb das Stadtoberhaupt für mehr gegenseitiges Verständnis, nicht alles könne so durchgesetzt werden, wie die BV es fordere: „Kann man die Flüchtlingskrise basisdemokratisch gestalten? Nicht nur, es müssen zeitnah Entschlüsse gefasst werden!“ Der Chef der Verwaltung umriss so das Thema, welches ihn seit seiner Wahl umtreibt. Hier beugte der OB dem etwaigen Missverständnis vor, die sinkenden Zahlen deutschlandweit bedeuteten auch für Essen „Entwarnung“. Er ist fest davon überzeugt, dass die Zahlen nicht gegen Null tendieren werden, zu viel Verunsicherung sei in der Welt, in den afrikanischen Ländern viel im Argen: „Die machen sich auf den Weg nach Europa und wollen ihren Anteil!“ Vor Ort müssten Verbesserungen geschaffen werden, so begibt sich Kufen demnächst mit Sozialdezernent Peter Renzel in den Nordirak, um sich dort zu informieren und Möglichkeiten der Hilfe abzuklopfen: „Das wird bestimmt keine Lustreise!“

Keine „Männekes“

Die Stadt stößt mit ihren Bemühungen um Unterkünfte an Grenzen, ist aber im Verzug, hat 2015 zu wenige Flüchtlinge aufgenommen, was nun nachgeholt werden muss. Die Lage sei gewiss schwierig, doch für die „Männekes“ einzelner Kollegen sei er nicht zu haben: „Ich setze keine Flüchtlinge in einen Bus und fahre mit ihnen nach Berlin, um einen schicken Pressetermin zu haben. Das ist menschenverachtend. Ich werde auch nicht die weiße Fahne hissen. Unsere Stadt hat noch 590.000 Einwohner auf einer Fläche, wo früher 750.000 Menschen gewohnt haben. Platz ist also da!“ Die Unterbringung in Zelten sei neben der in Turnhallen die schlechteste Lösung, viel zu teuer und wegen mangelnder Privatsphäre höchst bedenklich. Daher müsse Essen neben den 1.500 Flüchtlingen Rückstand aus 2015 noch die 4.000 Menschen aus den Zeltdörfern „vernünftig“ unterbringen und vorbereitet sein für die, die noch kommen. Dafür sind neue Flächen nötig, doch egal, welcher Standort, sofort hagele es Proteste. Konflikte gebe es überall, nicht nur im Essener Norden. Die Verteilung der anerkannten Flüchtlinge zeige aber das Mietpreisgefälle: „Von den gut 3.500 Menschen, die wir in Wohnraum untergebracht haben, wohnen gerade einmal 21 in ihrem Bezirk. Aber die anderen wohnen auch nicht alle in Karnap oder Altenessen. Die meisten zieht es in die Innenstadt, da müssen wir aufpassen.“
Auch die BV IX sei gefragt, müsse das Gespräch mit den Bürgern suchen, dabei aber auch Lösungen anbieten.

Defizite

Die BV-Mitglieder dankten für die offenen Worte, Dr. Bonmann betonte: „Uns allen ist bewusst, dass wir auf hohem Niveau klagen. Unsere Stadtteile im Süden sind verwöhnt mit Grün, Wohnraum und Infrastruktur. Aber es gibt große Defizite im Bezirk bei den städtischen Immobilien, explizit bei den Grundschulen. Hier müsste ein Sonderprogramm der Sanierung her, wie unter ihrem Vorgänger Wolfgang Reiniger.“ Thomas Kufen hieb in die gleiche Kerbe: „Wir müssen investieren, sonst fahren wir auf Verschleiß. Die Immobilienverwaltung war zuletzt völlig ausgelastet mit der Unterbringung der Flüchtlinge. Deswegen haben wir Veränderungen vorgenommen und das Personal wird aufgestockt. Das Konzept kommt Anfang Mai, die Mitarbeiter wollen doch selbst wieder aus der Defensive heraus kommen.“
Essen brauche zum Beispiel aufgrund der verstärkten Zuzüge junger Familien 30 neue Kitas: „Wir schalten im Kopf gerade um von Schrumpfen auf Wachsen!“

Schultoiletten

Von Daniel Behmenburg auf das unwürdige Gezerre um die Toiletten der Fischlaker Grundschule angesprochen, hier dauerte es aufgrund Personalmangels fast zwei Jahre, bis die von der BV bezahlte Sanierungsmaßnahme erfolgen konnte, war Kufen sichtlich erschrocken: „Das ist ein Scherz, oder? Wenn so etwas zukünftig vorkommt, bitte direkt bei mir anklopfen. Das darf nicht sein, das Thema Schultoiletten geht mir an die Nieren.“
Er könne nur betonen, dass ihm die Zusammenarbeit mit allen Parteien im Rat am Herzen liege, sie sei von großem Vertrauen geprägt. Thomas Kufen stellte klar: „Ich bin nicht der OB der großen Koalition, sondern ich habe eine Koalition mit den Essener Bürgern. Ich würde mir wünschen, dass wir einfach mehr miteinander reden!“

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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