„Grandseigneur“ ( für Peter O. )

Peter hatte ein lautes Organ. Oft erinnerte er mich an einen grosspurigen Fußballtrainer. Wenn er dann aber von seinen Eltern erzählte, lächelte nur noch sein schmaler Mund, der sich in einer Linie verlor, während sich sein Blick verengte. Dabei hatte er als Kind verschmitzte Augen.
Natürlich, auch seine Eltern behaupteten für ihn, ihren Sohn, „das Beste“ zu wollen.
Ich aber behaupte, es gibt genug Eltern, die „das Beste“ von ihren Kindern einklagen, um so ihre eigene Eitelkeit zu befriedigen.
So wob also Peter ständig an der Legende, dass er aus einer wohlhabenden Familie kam, deren Erfolgsgeschichte im Osten begann.
Nun gut, seine Eltern waren tüchtig. Aber es gibt immer wieder schlechte Zeiten, in denen Menschen robust ihren Vorteil suchen. Also, was lag da näher, als dass sie, Peters Eltern, in den Kreis der wohlhabenden Familien, die im Stadtpark wohnten, aufgenommen werden wollten?
Immerhin lebten sie, die Eltern, in einer Kleinstadt, in der sie einen florierenden Fachhandel betrieben. Aber nicht nur Peters Vater, der immer seinen Hut in den Nacken schob, freute sich wie ein Kind, wenn man ihn für „reich“ hielt. Dabei nehmen reiche Leute, wie ich vermute, dieses Wort erst gar nicht erst in den Mund.
Aber auch Peters Mutter, eine hoch blondierte Walküre, sehnte sich danach an ihrer üppig gedeckten Tafel mit den silbernen Kandelaber nicht nur mit ihrem Mann allein speisen zu müssen. Denn unterhaltsam war er nicht.
Aber dafür war er, wie Peters Mutter oft lauthals verkündete, ein wirklicher „Grandseigneur.“ Und der durfte, so vornehm wie er war, schweigen.
Zugegeben, im gedämmten Kerzenlicht konnte der flüchtige Besucher glauben einer opernhaften Aufführung beizuwohnen.

Autor:

Dr. Mathias Knoll aus Arnsberg

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