"Gute Geister"

Aber dem „Tod“ wollte er sagen: Wie schön war das doch – das Leben!
Ein „Tod“ wäre schlimmer gewesen, aber endgültig. Aber wenn die Beerdigung bevorstand - warum nicht?!
Sein kaltes Blut und sein aufgewärmtes Herz, ja, die Wiederbelebung (!), hatte ihn neu belebt. Und von den „guten Geistern“ war er noch nicht verlassen.
Aber durch den Schlaganfall konnte er nicht reden. „Aphasie“ heißt das!
Es entstand eine Resignation, in die er bald zu versinken drohte.
Eigentlich müsste er noch ausgebürgert werden, weil er die „Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland“ nicht mehr so gut kannte. Aber von einer Amnesie war er noch nicht befallen.
Nun denn, er stellte sich ein anderes Ziel vor, ein sinnvolles Ziel, sein Leben zu beenden. Denn die Melancholie hin zur Depression ist nur ein kleiner Atemzug.
Er litt unter Depressionen. Denn diese Gemütszustände können sich auf unheimliche Weise selbstständig machen. Sie sind tiefschwarz und kriechen langsam über die Seele. Und was noch schlimmer ist- sie rauben dir jede Freude und Hoffnung.
Seine Augenhöhlen waren umschattet. Und man wusste nie, ob die Augen „auf“ oder „zu“ waren, wenn er in den Raum blickte. Seine klassische Musik hing akustisch leise nach.
Auch wenn er sich nicht äußeren konnte, könnte man davon ausgehen, dass er zu allem eine Meinung hatte. Nur, die „Worte“ kamen mehr und mehr abhanden.
Aus einem Labyrinth der Einzelheiten hatte er zu viele Fäden aufgenommen, bis sie zu einem unauflöslichen Knäuel verwirrten.
„Falsch“ oder “richtig“? – das war die Frage, die er stellten musste.
Und wenn er dann sah, wie aus dem „Nichts“ ein menschliches Muster als ein Gesicht zum Vorschein kam - dann blieb es doch wie ein unverstandenes Privileg.
Nur, er hatte Angst davor seine Frau zu enttäuschen?!
Und die „Vorstellung“, die er von sich hatte, war die, dass er ein Märchen erzählte, nur, dass es so klang, als sei es ein Geständnis. Sie waren für an- einander geschaffen und sie wussten nicht, wie einsam sie vorher waren.
Und dabei öffnete sich bei ihm eine Schleuse, um eine allzu lang zurückgehaltene Flut freizulassen.
Wenn die „Liebe“ anfängt, hört die „Stimme“ auf. Das sagt sich so leicht! Das war so, als hörte er ein zynisches Lachen der Götter.
Und er nahm sich vor, das „Schweigen“, das von seiner „Aphasie“ herrührte, mit Freundschaft zu ersetzen. Denn darf man einen Menschen heiraten, mit dem man so lange befreundet war?
Seine Frau saß an Bett und hielt seine Hand, die schlaff da lag:
„Freud und Leid- das hab ich Dir versprochen…“

Autor:

Dr. Mathias Knoll aus Arnsberg

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