Neulich vorm Petitionsausschuss- Eindrücke und Erkenntnisse aus Sicht zweier Hundetrainerinnen, die auszogen, ein Wort im Tierschutzgesetz zu ändern.

Zimmer 4900, Petitionsausschuss, Paul-Löbe Haus, Bundestag, Berlin | Foto: Deutscher Bundestag/ Simone M. Neumann
  • Zimmer 4900, Petitionsausschuss, Paul-Löbe Haus, Bundestag, Berlin
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Als die Email sich in unseren Postfächern vor nicht mal einer Woche öffnete, hatten wir wohl, unabhängig voneinander, den gleichen Gedanken- „Ja, wir haben es geschafft- unglaublich!“ Der zweite Gedanke war dann aber auch sofort - „Nein, nicht mit uns, wir können das nicht-unmöglich!“
Was war passiert?
Nun, wir, das sind Tina Müller (Freundschaft Hund – Gemeinsam durchs Leben, Bremen) und Heike Hillebrand (Hillebrand-hilft-Hundehaltern, Bönen), hatten vor über einem Jahr einen Gedanken. Wir wollten in einer Zeit, da das Thema „Stachelhalsungen und deren absolute Ächtung“ in Internetforen, sozialen Netzwerken und sämtlichen Medien sehr präsent war, die Gunst der Stunde nutzen, um eine Petition einzureichen. Eine Petition im deutschen Bundestag in Berlin, deren Ziel es sein sollte, ein absolutes Verbot von Verkauf, Erwerb und Anwendung von Stachelhalsungen aller Art im Tierschutzgesetz festzuschreiben. In der Retrospektive ein sehr ambitionierter, aber auch ziemlich naiver Gedanke, dennoch, wenn wir vorher geahnt hätten, was uns erwartet, wären wir wohl nie gestartet. So war es von der ersten Idee bis zur Umsetzung nur ein Wimpernschlag- gedacht- getan. Zwölf Wochen später gab es für uns beide wohl einige Momente, in denen wir diesen Tatendrang verfluchten. Es hat uns wirklich so viel mehr an Zeit, Geld, Nerven und Schlaf gekostet, als wir uns jemals ausgemalt hatten. Naivität kann auch ein guter Schutz vor Tatenlosigkeit und Resignation sein. Nach rund zwölf Wochen war die Petition eingereicht und mit unzähligen Unterstützern um die 50.000 Unterschriften auf Handzetteln gesammelt, gezählt, gebündelt und eingesandt worden. Nun kehrte schlagartig Ruhe ein- eine lange Zeit des Wartens begann.
Tina rief unzählige Male bei stets freundlichen Mitarbeitern des Petitionsausschusses an, die immer mit der gleichen Antwort aufwarteten, „Der Ausschuss berät noch, haben Sie Geduld.“. Die Zeit ging ins Land und irgendwann hatte man den Gedanken an die Petition soweit nach hinten gedrängt, dass sie fast in Vergessenheit geraten war. Bis letzte Woche Freitag. An diesem Tag erreichte Tina eine Email mit etwa diesem Inhalt : Die Tagesordnung hat sich geändert, Ihr Petitionsantrag wird in der Zeit von 14 – 15 Uhr Tagesordnungspunkt sein, seien Sie bitte am Montag, den 5.11.2012 gegen 13 Uhr 30 in Zimmer 4900, Konrad Adenauer Straße, Berlin, um Ihr Rederecht in Anspruch zu nehmen.
Es war, als täte sich ein Abgrund auf und die Gedanken reichten von Flucht, Untertauchen, Verleugnen jemals benachrichtigt worden zu sein, Ersatz in Form einer redegewandten Koryphäe zu finden, bis zum Ergeben in unser Schicksal. Nach einigem Hin und Her kamen wir zu dem Schluss, dass wir, einmal soweit gekommen, den Weg auch gemeinsam zu Ende gehen mussten. Das waren wir den Hunden, der Sache, den vielen Helfern und nicht zuletzt, uns selbst schuldig.
So innerlich schwankend, aber dennoch entschieden, machten wir uns an einem frühen Montagmorgen auf den weiten Weg in die Bundeshauptstadt. Wir trafen uns in der Nähe von Hannover und fuhren gemeinsam in Tinas Wagen weiter. Auf der Hinfahrt bereiteten wir unseren Auftritt vor dem Ausschuss, mit Hilfe von kurzen Notizen, vor, schließlich war durch die kurzfristige Einbestellung keine akribische Planung möglich gewesen. Im Grunde ein Horror für zwei Perfektionistinnen mit leichtem Hang zum Kontrollzwang. Wider Erwarten kamen wir ohne weitere Staus oder Probleme in Berlin an und fanden auf Anhieb einen Parkplatz neben dem Gebäude, das u.a. den Petitionsausschuss beherbergt. Wir passierten verschiedene Sicherheitskorridore in diesem riesigen Glas- Betonbau, tauschten unsere Personalausweise gegen einen Besucherausweis und dem Hinweis ein, dass man uns abholen und in die richtige Ebene geleiten würde. Dem war auch so, man denke sich, was für ein Beruf, Besucherbegleiterabholfachkraft im Abgeordnetenhaus. Großes Kino für uns zwei naturverbundene, eigentlich recht selbstständig denkende Frauen. Natürlich macht dieses Abholen von ortskundigen Mitarbeitern Sinn und ein ungestörtes Arbeiten der unterschiedlichen Fachausschüsse auch erst möglich. Undenkbar, dass Massen von Besuchern chaotisch durch die Flure und Räume stolpern, aber es fühlte sich halt ein wenig merkwürdig an. Wir wurden in die vierte Etage gefahren, durch einen langen Flur geleitet und nachdem wir akkreditiert waren, gebeten, vor dem Raum 4900 zu warten. Kurz vor vierzehn Uhr, wurden wir von einer weiteren Mitarbeiterin in die laufende Tagung zum Urheberecht geleitet.
Nichts von dem, was wir im Vorfeld hätten machen können, hätte uns darauf vorbereitet, was uns hinter dieser unscheinbaren Tür erwartete. Hinter der Tür eröffnete sich ein riesiger, vom Grundschnitt runder Saal, ausgestattet mit modernster Technik, Mikrofonen und Kameras, einer eingezogenen Galerie für Besucher, das Herzstück jedoch waren die im Kreis angeordneten Tische, an denen u.a., die Petenten, Abgeordnete der einzelnen Fraktionen, die Mitglieder des Petitionsausschusses sitzen. Tina hat allein an den Tischen während unserer Befragung über 28 Personen gezählt, insgesamt befanden sich inklusive Besuchergalerie rund 90 Menschen im Saal.
Uns verschlug es Atem und Stimme, Herzrasen und leichte Übelkeit, die gesamte Palette an Unwohlsein, das wir wohl zuletzt in einer Prüfungssituation erlebt hatten. Wo war hier der Notausgang? Während wir noch für etwa eine viertel Stunde in zweiter Reihe geparkt wurden und den Ausführungen einer Petition zum Thema Urheberecht folgen durften, rotierten unsere Gedanken. Einerseits versuchte wir die Atmosphäre dieses Raums in uns einzusaugen, um uns irgendwie zu akklimatisieren, andererseits rangen wir innerlich um Fassung. Ein Rückzieher war zu diesem Zeitpunkt verlockend, aber natürlich keine Option mehr, also mussten wir das Beste aus der Situation machen.
Fünfzehn Minuten später sollten den Gedanken Taten folgen. Wir wurden an den Tisch gebeten und wir, wie auch unsere Petition, wurden von der Vorsitzenden, Frau Kersten Steinke (Linke) den anwesenden Teilnehmern und Gästen vorgestellt. Sprachrecht hatte nach den Regularien nur eine von uns, aber dankenswerter Weise, durften wir ausnahmsweise zumindest neben einander Platz nehmen, um, durch die Anwesenheit des jeweils anderen, Sicherheit zu gewinnen.
Völlig unerfahren auf dem politischen Parkett, waren uns die Regularien nicht wirklich klar, aber nach etwa 10 Minuten hatten wir uns in die Situation ganz gut eingefunden. Wir hatten drei Seiten Text vorbereitet, mit dem wir unsere Idee noch einmal mündlich unterstreichen wollten. Was wir nicht wussten, zur Verfügung standen uns allerdings nur fünf Minuten. Nachdem wir den ersten Schock überwunden hatten, haben wir ein wenig holperig unsere Forderungen noch einmal wiederholt, fünf Minuten sind eine unglaublich kurze Zeit. Nun begann die Zeit der Befragung, was wir allerdings nicht wussten, war, dass man nur antworten darf, wenn man a) eine persönlich adressierte Frage erhält , b) von der Vorsitzenden namentlich aufgefordert wird, zu antworten und c) eine hilfswillige Beisitzerin das Mikrofon für uns freischaltete.
Schnell stellte sich heraus, dass uns ein Großteil der Anwesenden gut gesonnen war. Ausnahme gab es nur in Erscheinung zweier Herren der liberalen Fraktion, die wohl gehofft hatten, sich auf Kosten der vermeintlich naiven Blondinen politisch produzieren zu können. Zumindest einer der Beiden musste lernen, dass Vorurteile das Leben nur bedingt erleichtern, in unserem Fall hatte er sich überraschenderweise verschätzt. Der zweite Herr suchte am Ende sogar das private Gespräch und bot uns für mögliche Aktionen gegen den Handel mit Stachelhalsungen seine Unterstützung und seine Visitenkarte an.
In der Sache waren wir uns alle völlig einig, einstimmig wurde von allen Seiten mehrfach betont, dass jedwedes Hilfsmittel, welches Tieren beim Training Angst und/ oder Schmerzen zufügt, geächtet gehört und laut geltendem Tierschutzgesetz verboten ist. Diese fallen unter dem TierSchG § 3 Nr.5: es ist verboten, .. ein Tier auszubilden oder zu trainieren, sofern damit erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier verbunden sind.
Es wurden auch andere Hilfsmittel wie z.B Sprühhalsband, Schütteldose und Co aufgezählt, die ebenfalls unter das Gesetz fallen würden. Bei Stachelhalsungen kam der Abgeordnete zu dem Schluss, dass „ egal wie man sie nutzt immer negative Emotionen, Schmerzen und oder Leid entstehen“.
Zu einer Änderung des Passus und einem ausdrücklichen Verbot bei namentlicher Nennung von Stachelhalsungen, wird es nicht kommen. Das Tierschutzgesetz steht unmittelbar vor seiner Novellierung, die Nennung wurde abgelehnt, da man ein Ausufern der Verbotsliste von Hilfsmitteln, besonders in Hinblick auf den ständigen Erfindergeist immer neuer Trainingswerkzeuge, als ineffektiv erachtet. Die Empfehlung des Abgeordneten der Bundesregierung lautete klipp und klar, “Da die Anwendung von Stachelhalsungen und Co. laut Tierschutzgesetz verboten sind, hat jeder verantwortungsbewusste Bürger das Recht und die Pflicht, den Missbrauch dieser Hilfsmittel bei Nennung der Personen zur Anzeige zu bringen. In der Strafverfolgung sind hierbei Bußgelder bis zu 25,000 Euro das auszuschöpfende Strafmaß.“
Letztlich ging auch dieser Tag vorbei und wir waren wieder auf der A2 Richtung Heimat unterwegs. Unsere persönliche Quintessenz: Es war eine außergewöhnliche Erfahrung, die wir in diesem Leben wohl kaum noch einmal erleben werden. Es war neu, spannend, anstrengend, frustrierend und erhebend zugleich, eine verwirrende Gefühlssuppe, die wir noch eine Weile auslöffeln müssen.
Würden wir es noch einmal tun?
Ohne wenn und aber- Ja! Diesmal würden wir wissen, was uns erwartet. Wir wären besser vorbereitet und mit den administrativen Regularien vertraut.
Was würden wir anders machen?
Einiges, aber ganz bestimmt ein winziges, aber wichtiges Detail. Wir würden uns diesmal einen Becher mit Wasser bestellen, damit die Stimme nicht so furchtbar heiser belegt ist und die Zunge nicht permanent am Gaumen festklebt. (Und man nicht ständig darüber nachdenkt, ob die mikrofonbeauftragte Beisitzerin es wohl merken würde, wenn man einfach ihren Becher leert.)

Autor:

Heike Hillebrand aus Bönen

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