Kathrin-Türks-Stadthalle: Ratlos im Rathaus

Ungewöhnlich viel Publikum verfolgte im Bauausschuss die Präsentation der Pläne zur Stadthallen-Erneuerung. Foto: Heinz Kunkel.
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  • Ungewöhnlich viel Publikum verfolgte im Bauausschuss die Präsentation der Pläne zur Stadthallen-Erneuerung. Foto: Heinz Kunkel.
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Wozu hier ein Tagungszentrum? Pläne der Stadtverwaltung lösen Unruhe aus - Ausschüsse haben großen Beratungsbedarf:

Gutachten sind die große Leidenschaft aller Verwaltungen. Denn sie haben den Vorteil, wenn Projekte schief gehen, hat man immer eine Entschuldigung für das Misslingen. Es gibt schon einen neueren soziologischen Begriff dafür: Die „Organisierte Verantwortungslosigkeit“.

So empfiehlt ein weiteres vom Baudezernat bestelltes Gutachten zur Kathrin-Türks-Stadthalle palötzlich die Umwandlung in ein Tagungszentrum.
Andere Städte, die ähnliche Ideen hatten und diese auch trotz größter Finanznot umgesetzt haben, stehen jetzt mit ihren schicken, aber schlecht ausgelasteten Tagungsstätten da und suchen händeringend nach Nutzern. Ganz in der Nähe z.B. das TMO in Oberhausen. Allen Gutachten zum Trotz will dort einfach nicht jeden Tag ein Weltkonzern tagen... Essen, Dortmund und Gelsenkirchen haben ähnliche Erfahrungen gemacht und unterbieten sich gegenseitig beim Tagungs-Kundenfang. Wie sich unser beschauliches Dinslaken in diesem Tagungs-Schnäppchen-Haifischbecken ohne einen funktionierenden Bahnhof mit dem beschämenden Alleinstellungsmerkmal „immer noch kein Gleis-Fahrstuhl“ und ohne entsprechender Hotelkapazität, dort positionieren will, bleibt ein Geheimnis.

Kein Bahnhofs-Lift - wenig Hotelbetten

Im Gutachten des Dipl.-Ing. Heinrich Böll (Architekt BDA DWB) steht dazu lapidar „ÖPNV ausreichend“. Er empfiehlt weiter, sich auf das Tages-Tagungsgeschäft zu konzentrieren, da Dinslaken nicht genügend Hotelbetten habe (Genau!), dafür aber mit dem PKW gut zu erreichen sei.
Vor der Empfehlung des „Culturplanes“ genannten neuen Gutachtens steht der schöne und wahre Satz: „Stadthallen funktionieren nicht ohne öffentlichen Zuschuss“. Und an einer anderen Stelle kommt es zu dem Ergebnis, dass ohne Sanierungsmaßnahme, „die Halle nicht weiterbetrieben werden kann.“

Es werden „Szenarien“ vorgestellt und - Überraschung: Die teuerste Variante „Entwicklung“ bringe „den größten Mehrwert“ für die Stadt (heißt auf Deutsch: Umbau und Erweiterung zu einem Tagungszentrum). Die Kosten nach „grober Ermittlung“ werden mit 12 bis 14 Millionen Euro beziffert. Das Szenario „Sanierung“ würde sich auf 8,8 bis 9 Millionen Euro belaufen. Hier floss ein Altgutachten ein, welches seinerzeit 7,5 Millionen Euro dafür ermittelt hatte. Eins stimmt: Die Stadthallen-Toiletten sind renovierungsbedürftig. Kosten? Etwa die eines Gutachtens!

Baudezernent Dr. Thomas Palotz ist bisher mit Realisierungs-Versuchen überschaubarerer Bauprojekte hervorgetreten. U. a. der Reparatur der behindertengerechte Toilette am Altmarkt, für die sein städtischer Fachdienst über ein Jahr brauchte. (Fachleute sprachen damals von einer 2-3 Tage-Reparatur! Der NA berichtete: „Das stinkt zum Himmel“ und „Ritas Welt“ (lokalkompass.de/83905). Weiteres Projekt: Der leider nicht so gut angenommene, wellblech-überdachte Fahrradständer am Neutorplatz. Die zur Entspannung der „reduzierten Parkplatzsituation“ durch den Hertie-Abriss und den Neubau der Einkaufsgalerie als „innovatives städteplanerisches Aufbruchs-Konzept“ vom City-Management der Allgemeinheit angedient wurde.

Jetzt vielfältige und lebendige Nutzung

Die Stadthalle bietet derzeit vielen örtlichen Vereinen, Kultur- und Sport-Events z.T. von internationalem Rang, einen Raum und eine Bühne. Und hat sich mit dem angegliederten Burgtheater unter Josh Springer in den letzten 18 Jahren einen Namen in der Veranstaltungsbrache gemacht. Denn auch in diesem Business geht der Trend weg von Mega-Events in großen Hallen - zurück zu intimeren Konzerten. Selbst Stars wie Milow oder The Simple Minds schwärmen auf ihren homepages von der unglaublichen Atmosphäre in Dinslakens schöner Freilichtbühne.

Der NA sprach mit Pächter Josh Springer über den ihn betreffenden Teil der Gutachtens, wo es u.a. heißt: „Pacht ist niedrig“, „Stadthallen-Restaurant funktioniert nicht im Dauerbetrieb“ oder „Pachtregelung begünstigt Aktivitäten, die heutigen Stadthallenveranstaltungen nicht förderlich sind“.

Springer: „Da wird mit ein paar dürren Schlagworten, unsere Arbeit der letzten 18 Jahre abgetan und als nicht mehr zeitgemäß abgestempelt. Das Gegenteil ist der Fall. Und das trotz der extrem ungünstigen Startbedingung1994. Mit unserer „Politik der kleinen Schritte“ haben wir der Stadthalle immer mehr Leben einhauchen können. An einem problematischen Standort, der mit seiner Revier-Randlage in ständiger Konkurrenz zu den Event-Highlights in Oberhausen, Essen, Duisburg oder Düsseldorf steht. In der Veranstaltungsbranche herrscht ein knallharter Verdrängungswettbewerb. Und es ist schon ein starkes Stück, dass mir und meinen Mitarbeitern jetzt indirekt auch noch der von uns seit langem angemahnten Sanierungsstau vorgeworfen wird. „Wir keine Groß-Veranstaltungen holen würden...“. Da ist die Stadt einfach nicht ihren Pflichten nachgekommen. Mit unseren Events und Veranstaltungsservice samt Gastronomie haben wir uns in Dinslaken und darüber hinaus gut aufgestellt. Und sind in vielen gesellschaftlichen Gruppen verankert.
Was wir tun, passt zu dieser Stadt, ihrer Größe, ihrem Einzugsgebiet, der Zahl der Hotelzimmer. Geht es nur darum, möglichst viel Kubikmeter Beton zu verbauen? Der anschließend als eines von vielen jetzt schon überflüssigen Tagungszentren bundesweit herumsteht!“

Hier der ebenfalls im NA abgedruckte Leserbrief zum Thema Stadthallen-Sanierung in ungekürzter Form:

Seit Jahrzehnten wohne ich mit einer Ausnahme in der Nähe der Stadthalle (Kathrin-Türks-Halle) und konnte daher die verzweifelten Bemühungen der jeweiligen Pächter beobachten, die Dinslakener Bürger auch außerhalb des Theaterbetriebs in die Stadthalle zu locken.
Erst Josh Springer hat es im Laufe der Jahre geschafft, aus der Stadthalle eine Begegnungsstätte für Jung und Alt zu machen.
Seit 2003 bin ich Vorsitzende des Sozialverbandes VdK, Ortsverband Dinslaken-Mitte. Wir waren unendlich froh, dass wir mit unserem Verbandsleben nach der Schließung von Haus Holtbrügge in der Stadthalle eine neue Heimat gefunden haben.
Über das Jahr verteilt haben 850 Mitglieder und Gäste an unseren Veranstaltungen teilgenommen und viele haben nach den Veranstaltungen das hervorragende Essen genossen. Und immer wurden wir sehr freundlich und zuvorkommend bedient. Man fühlt sich dort wie zu Hause.
Wo sollen wir hin, wenn die Stadthalle nur noch ein Veranstaltungs- und Tageszentrum wird? Wir sind ein Sozialverband und können uns keine hohen Mieten erlauben.
An jedem 4. Sonntag im Monat spiele ich für die Seniorenvertretung der Stadt Dinslaken im Theatertreff der Stadthalle Bingo. Mittlerweile nehmen jährlich ca. 500 Dinslakener Bürger mit steigender Tendenz daran teil. Fällt dieses in Zukunft weg, weil so etwas nicht ins Konzept passt?
Was ist mit der Weihnachtsausstellung, die in diesem Jahr zum zweiten Mal in der Stadthalle stattfindet? Über 1100 Besucher konnten wir 2011 zählen und für 2012 rechnen wir mit noch mehr Besuchern.
Schließlich der wahnsinnige Blick auf den Teich und das Burgtheater, wenn man in oder vor dem Restaurant Kulisse sitzt und dort ein leckeres Frühstück oder etwas Anderes zu sich nimmt. Dabei kommen Urlaubsgefühle auf und man entspannt sich total.
Wir Dinslakener brauchen kein Veranstaltungs- und Tageszentrum, sondern einen Platz zum Wohlfühlen und Entspannen. Und das ist das, was Josh Springer und sein Team uns bietet und was wir behalten möchten.
Lasst bei Eurer Entscheidung nicht nur das Geld, sondern auch das Herz sprechen.

Marga Kruppa
Vorsitzende Sozialverband VdK, Ortsverband Dinslaken-Mitte

Autor:

Caro Dai aus Essen-Werden

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