Dem Himmel ganz nah

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Warum tut man sich das an?
Da schlägt man sich im Vorfeld die Zeit in irgendwelchen Reiseportalen um die Ohren, die einem nach mühsam vollendeter Buchung, Wochen später melden, dass es ihnen leid tue, aber dass das gewählte Domizil leider überbucht sei.
Als wäre Skiurlaub nicht teuer genug, dass man sich wenigstens einbilden könnte, man gehöre zu den oberen Zehntausend, die sich so etwas leisten und damit endlos hofiert werden. Geld ist halt doch nicht alles. Schön, wenn es dann trotzdem anstandslos storniert wird und eine Alternative relativ (!) mühelos gefunden werden kann.

Die Fahrt zieht sich. Der Hunger der Langeweile weicht dem schlechten Gewissen über die unzähligen, überflüssig zugeführten Kalorien, die Glieder werden steif und die Vorfreude wandelt sich allmählich in schlechte Laune. Am Ende ist man froh, dass mit der Dunkelheit das Genöle auf der Rückbank verstummt und einheitliches Schnarchen laut wird.

Geht es darum, endlich vor Ort, das Auto mit dem halben Hausstand leerzuräumen, sind alle plötzlich wieder klar wach und diskutieren voller Eifer, weshalb die Schlepperei doch lieber die anderen übernehmen sollen, während schnell das beste Zimmer mit dem stärksten wlan-Empfang beschlagnahmt wird.
Welche Hoffnung eröffnet da der „Plopp“ und das „Zisch“ des ersten Ferienbieres: „Auf einen schönen Urlaub!“

Der Blick aus dem Fenster am nächsten Morgen ist vielversprechend. Die Sonne scheint. Beste Bedingungen, um sich in den neonhellen Skiverleih zu begeben. Hier riecht es nach heißem Wachs und schwitzigen Füßen. Man freut sich, dass man wenigstens die Skischuhe sein eigen nennt. Braungebrannte Verkäufer mit freundlichem Akzent fragen, ob man “Top“- oder „Extraklasse“ fährt und alles ist gut. Man gehört also doch dazu - zu den oberen Zehntausend.

Mit schwerem Gepäck begibt man sich zum Lift, wo man sich mit dreitausend weiteren urlaubsreifen Artgenossen mehr oder weniger brav anstellt, um einen sündhaft teuren Skipass bezahlen zu dürfen. Und noch einen. Und noch einen. Und noch einen. Der Kleine ist frei. Sonst hätte das Geld in anderen Teilen der Welt auch noch drei Kinder mehr satt machen können. Hunger ist hierzulande nicht das Problem. Man kämpft trotzdem um sein Leben. Schließlich wollen alle nach oben.

Ja, warum tut man sich das nur an?
Seit ein paar Tagen bin ich nun wieder zu Hause. Der Frühling ist da. Ich sehe den Bienen zu, wie sie von Blume zu Blume fliegen und sammeln und sammeln. Vor lauter Blütenstaub sind sie schwer und behäbig. Ob sie vor Anstrengung so laut brummen? Mir wird schon heiß, wenn ich ihnen bei ihrem Treiben nur zusehe.
Nun gut. Auch ich scheue die Arbeit nicht. Ich tue was eine anständige Hausfrau tun muss und bemühe das Fensterleder. Ich fliege von Fenster zu Fenster und putze und putze. Allmählich gibt es wieder Durchblick und ich summe ein Lied: „Du großer Gott, wenn ich die Welt betrachte…“

Ich liebe die Berge! Ich liebe das Skifahren! Was für ein himmlischer Luxus! Wie komfortabel, wie bequem ich in einem Hightech-Bähnlein dem Alltag entfliehen und dem Himmel entgegen schweben kann. Wenn ich da oben, unabhängig von allem und jedem den Blick schweifen lasse, dann muss alles in mir schweigen. Alles außer dieses eine Lied: „Dann jauchzt mein Herz, Dir großer Herrscher zu…“

Autor:

Femke Zimmermann aus Düsseldorf

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