Stippvisite in Rheinbach

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die Einladung nach Rheinbach kam überraschend.

Vor einem Jahr haben wir uns kennen gelernt, als wir an Bord der MS "Amadea" in Manaus nach Passagierwechsel allein an unserem Tisch zurückgeblieben waren.
Da kamen sie, die Neuen: Hedwig und Theo aus Rheinbach und ein weiteres Paar aus dem Frankenland. Wir verstanden uns auf Anhieb. Auch nach Ende der Kreuzfahrt blieben wir lose in Kontakt.

Und dann, im Sommer, die Einladung aus Rheinbach zum Wandern an der Ahr. Überraschung! Das war aber gleichzeitig auch die Zeit, in der meine Arthrose im Sprunggelenk wieder zuschlug.
Wird wohl nicht klappen mit dem Wandern, schrieb ich zurück.
Macht nichts, machen wir eben was anderes, kam die Antwort.
Wir kennen uns doch eigentlich gar nicht, zweifelte mein Mann.
Macht nix, sagte ich, und wir fuhren.
Hedwig und Theo öffneten uns ihr Haus und boten uns ihre großzügige Freundschaft.

Der Regen hatte aufgehört, wir machten uns zu Fuß auf durch das Städtchen. Was uns sofort auffiel: sowohl die Stadt als auch die Menschen machten einen sauberen, gepflegten Eindruck. Altes und neues Fachwerk, freundliche Farben, keine Chaoten, kein Abfall, keine Leerstände. Man kann sogar abends unbesorgt alleine durch die Stadt und Vororte radeln oder laufen, wie uns Hedwig erzählte. Von der Einwohnerzahl her mit Emmerich zu vergleichen. Aber damit hört die Ähnlichkeit auch schon auf.

An Hedwig hatten wir nicht nur eine Freundin, sondern auch eine kompetente Stadtführerin. Sie kennt ihre Stadt in-und auswendig, und, wie es schien, auch fast jeden Einwohner...))

Rheinbach ist schon sehr alt. Schon im 8. Jahrhundert übertrug König Pippin seine Besitztümer in Rheinbach der Abtei Prüm. Knapp zweihundert Jahre lang bevölkerten Ritter die Burg. Später gingen die Rechte über an verwandte Erzbischöfe von Köln, und sogenannte Amtsmänner übernahmen die Arbeit der Ritter.
In alten Schriften wird die Burg erstmals im Jahre 1190 erwähnt. Wahrscheinlich stammen auch der Turm und die Mauern, die heute noch stehen, aus dieser Zeit.

Diesen Turm mussten wir natürlich sehen.

Wir kletterten die Stufen hoch zu der schweren Holztüre und traten ein in die Vergangenheit.
Ich brauchte nicht viel Fantasie, um mir vorzustellen, wie diese große Eingangshalle damals gewesen sein musste: raue, laute Stimmen, scheppernde Rüstungen und klirrende Waffen.
Eine enge Wendeltreppe führte weiter nach oben, eine andere nach unten ins ehemalige Verlies. Hier wurden im Mittelalter die Hexen vor ihrer Verbrennung eingekerkert. Hexen, die willkürlich ausgesucht wurden. Ganz normale Frauen oder harmlose Männer wurden grundlos, einfach so, der Hexerei bezichtigt und landeten auf dem Scheiterhaufen. Nur weil irgendwer mit dem Finger auf irgendwen zeigte und "Hexe/r rief. Eine simple Beschuldigung reichte schon aus.
Waren harte Zeiten damals.

Im Wappenzimmer steht noch immer ein riesiger, rußgeschwärzter Kamin. Die armdicken Mauern hielten zwar sowohl die Kälte wie auch die Sommerhitze ab, aber immerhin gab es überall in der Mauer diese schießschartenschmalen Öffnungen, wo der scharfe Frost durchaus Einlass fand. Ich denke, selbst die abgehärteten Männer damals waren ganz froh, wenn der Kamin ihnen zusätzliche Wärme schenkte. Heute erinnert ein Ritter in voller Pracht an die alten Zeiten.

Die steinerne Wendeltreppe, die von dort aus weiter zur Wachstube und weiter hoch bis zur Galerie führt, ist so wahnsinnig eng, dass ich mich frage, wie die Ritter mit ihrer umfangreichen Rüstung damals dort hoch gekommen sind. Oder wieder runter.

Heutzutage wird der Turm auch für Feiern und Feste genutzt . Tolles Ambiente, ohne Zweifel, aber das Problem mit der schwindelerregenden, engen Treppe bleibt. Oben feiern, Toilette unten... Und mit einem Glas zuviel...??? Oh, oh...

Der Burgturm selber überstand Jahrhunderte, Feuersbrünste, Kriege und den Wechsel der Zeiten. Die Stadt überwand ihre Mauern, breitete sich aus, wuchs, wurde bereits Anfang des 19. Jahrhunderts Kreisstadt, zog Künstler und Handwerker an. Vor allem die Glashandwerker/ Künstler aus Böhmen fanden hier in Rheinbach eine neue Heimat.

Das Glasmuseum war ein absolutes Muss. Ich habe bis dato nie darüber nachgedacht, wie viele Möglichkeiten es gibt, Glas zu behandeln. Es war absolut faszinierend. Wir sahen exquisite Exponate. Besonders die Werke der inzwischen verstorbenen Künstler Franz und Linda Wendler mit so feinen Gravuren, dass man nur staunend versucht zu verstehen, wie Menschenhände solche Kunst zustande bringen.
In der Museumswerkstatt wird zeitweise auch noch richtig gearbeitet. Der Arbeitsplatz der Gestalter, all die Werkzeuge, unheimlich interessant!

Natürlich gibt es in Rheinbach auch eine Schule für den Glaskunst- Nachwuchs.

Wir liefen durchs Städtchen und schauten. Und was wir sahen, gefiel uns sehr.

Autor:

Christel Wismans aus Emmerich am Rhein

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