Goldene Dämme

Der Anfänger: Mit einem mulmigen Bauchgefühl versuche ich mich an meiner ersten Spargelpflanze. | Foto: Foto: Kettwigkurier
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  • Der Anfänger: Mit einem mulmigen Bauchgefühl versuche ich mich an meiner ersten Spargelpflanze.
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Aus der Ferne dröhnt der Verkehr von der A 52 herüber, direkt nebenan rauschen die Autos auf der Meisenburgstraße vorbei. Zum Glück weht eine frische Brise über das Spargelfeld von Jochen Unterhansberg. Gleichzeitig wirbelt sie aber reichlich Erde auf, sorgt für die ein oder andere unangenehme Staubwolke. Für die nächste Stunde wird diese Brise für die einzige wirkliche Abkühlung bleiben. Denn: Ich versuche mich als Spargelstecher. Ich will der Herkunft des „weißen Goldes“ auf den Grund gehen.

Schon die Anfahrt zum Feld hat etwas Besonderes. Die Maisonne taucht die mit weißer Folie abgedeckten Spargeldämme in goldenes Licht. Kommt man der Heimat des Kettwiger Spargels näher, dann öffnet sich zur Rechten der Blick Richtung Heidhausen - einfach malerisch.
Dagegen kündigen die Verkehrsschilder an der nahegelegenen Kreuzung von den Innenstädten Essens und Mülheims Wirklich idyllisch gelegen ist das Feld nicht, doch das soll meine geringste Sorge werden. Ein wenig fühle ich mich wie vor meinem ersten Referat vor 600 Kommilitonen an der Uni. Ein wenig nervös und nicht überzeugt davon, mich gut vorbereitet zu haben.
Eine Rolle rückwärts ist aber nicht mehr drin. Neben mir steht Jochen Unterhansberg, der Chef vom Buchholzhof, auf der anderen Seite wartet Uli Bangert mit seiner Canon in Vorhalte und aus dem Transporter klettern gerade vier echte Profi: Ewelina, zwei Mal Richard und Thomek. Alle aus Zentral Polen, genauer gesagt aus Nova Sol und auf dem Buchholzhof gute, alte Bekannte. Seit vielen Jahren arbeiten sie hier, kennen jeden Spargeldamm wie ihre Hosentasche und wissen ganz genau, worauf es beim Spargelstechen ankommt.
In diese Wissenschaft weisen mich der Chef persönlich und Ewelina ein. Das Spargelmesser hat eine Markierung auf 26 Zentimeter, viel tiefer darf der Spargel auch nicht gestochen werden, ansonsten besteht die Gefahr, die Frucht zu beschädigen. Bis der Spargel dann im eigenen Hofladen in den Verkauf gelangt, wird er an verschiedenen Stellen der Produktion auf 20 Zentimeter gekürzt, so dass jegliches holzige Stück Spargel mit Sicherheit entfernt wird.
Jetzt ist es soweit. Ich bekomme mein Messer, lege die erst Stange frei und versuche mit dem Messer so nah und so genau wie möglich an ihr herunterzugleiten. Zwei, drei Mal steche ich daneben, doch was ich aus dem Erdreich ziehe, sieht fast aus wie ein verkaufsfähiges Stück Spargel.
Nach zwei, drei weiteren Versuchen kommt ein Lob vom Chef. „Sie haben Talent und zeigen, dass sie es lernen wollen. Blieben Sie dabei, hätten sie am Ende des Tages den Dreh raus.“ Angesichts dieser Aussage mache ich munter weiter, merke aber schon, dass dieser Job sowohl auf die Knie als auch auf den Rücken geht. Immer der gleiche Bewegungsablauf und das in möglichst hoher und genauer Wiederholungszahl - diesmal zum Glück bei angenehmen Temperaturen und einer kühlenden Brise. Mein Respekt vor den Erntehelfern aus Polen steigt minütlich. Genauso wie die Erkenntnis in mir reift: Lieber schreibe ich in Zukunft weiter munter über Spargelbauern, als dass ich mich der Ernte des weißen Goldes verschreibe. Doch missen möchte ich diese Stunde inmitten der weißen Dämme vom Buchholzhof nicht. Dafür war diese Erfahrung zu wertvoll und vor allem das erlernte Wissen über den Spargel zu hart erarbeitet. Im Schweiße meines Angesichts. Und das gibt ein richtig gutes Gefühl.

Autor:

Sven Krause aus Mülheim an der Ruhr

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