Advent und Weihnachten in den 50iger Jahren

Da ich soviel Resonanz auf meine Heiligabenderzählung bekommen habe, ließ ich die Advents- und Weihnachtszeit aus meiner Kindheit nochmals Revue passieren und denke, dass viele Leser meines Alters so oder so ähnliche Erinnerung in sich tragen. Vielleicht animiere ich den einen oder anderen seine Erlebnisse auch  zu Papier zu geben für die Kinder und Enkelkinder.

Weihnachten bei uns zu Hause war immer von besonderem Reiz,
und ich erinnere mich heute gerne an diese Zeit zurück.
Schon die Adventszeit war spannend und geheimnisvoll.
Der Adventskranz wurde an roten Bändern an einem roten
Holzgestell mit einem Stern obendrauf befestigt, so dass er frei
schwebend hing. Mein Vater zündete die erste Kerze an und
meine Mutter stimmte aus dem Gebetbuch Adventslieder an.
Ich sang damals am liebsten: Es kommt ein Schiff geladen.
Ich stellte mir dann immer den Heiligen Bischof Nikolaus auf
dem großen Schiff im großen stürmischen Meer vor.
Auch wenn damals die Innenstädte noch nicht so aufpoliert
waren, gab es schon in Essen die Lichterwochen.
Einmal vor Weihnachten fuhren meine Eltern und ich,
manchmal auch mit meiner Oma, in die Stadt, von Steele-West mit
der Dampflok und auf den alten harten Holzbänken.
Dann ging es die Kettwiger Str. hinunter unter den
Lichterbögen und durch die Limbecker Str. bis Karstadt, dass
damals noch Althoff hieß. Dort war es für mich am schönsten,
weil jedes Fenster mit einer Märchendarstellung geschmückt
war, meistens in winterlicher Landschaft. Auch Krippen-
darstellungen hatten es mir angetan. Es wurden auf diesem
Gang die nötigsten Kleidungskäufe getätigt und dann ging es
wieder nach Hause.
Jeden Abend wurden die Kerzen des Adventskranzes angezündet
und wir sangen die alten vertrauten Lieder. Mein Vater brachte
aus dem Keller die dort gelagerten Äpfel aus unserem Garten
mit hoch und bald duftete die Wohnung nach Bratäpfeln. Auch
legte er Tannennadeln auf den alten Kohleherd und dadurch
duftete es nach frischem Tannengrün.
Schon in den ersten Tagen des Advent holte mein Vater die alte
Krippe heraus, die er selbst gebastelt hatte. Immer gab es etwas
zu reparieren. Meine Mutter hat mir später die letzten noch heil
geblieben Figuren, die damals noch aus Gips waren, es waren
nur noch Maria, Josef, die Krippe mit dem Jesuskind, Ochs und
Esel und die 3 Könige, für unsere selber gebaute Krippe
überlassen.
Am Nikolausabend, wenn es dunkel war, machte Vater die Fenster
in der Küche weit auf, damit der Nikolaus uns nicht verpassen
konnte. Weil wir im Dachgeschoss wohnten, schmiss der Nikolaus
einfach die Nüsse durch das Fenster.
Später erfuhr ich, dass mein Vater sich in die Nähe des Fensters
stellte, und die Nüsse hinter seinem Rücken über seinen Kopf
hinweg in die Küche warf. Aber für mich war es immer ein
wunderbares Erlebnis.

Je näher Weihnachten rückte, umso aufgeregter wurde ich. Ich
durfte nicht mehr an bestimmte Schränke und wollte unbedingt
brav sein, damit das Christkind auch meinen Wunschzettel
erfüllte. Heiligabend war es besonders schön, am Advents-
kalender machte ich das letzte Türchen auf und darin waren
Maria und Josef und das Kind in der Krippe.
Mutter war schon früh in der Küche und sorgte dafür, dass wir
alle noch mal in die Badewanne kamen. Denn Weihnachten sollte
alles sauber und adrett sein, so auch wir.

Danach wurde sich sonntäglich angezogen und nachmittags setzten
wir uns alle zusammen um den Esstisch und es gab Kaffee und
Kuchen. In das Wohnzimmer durfte ich schon den ganzen Tag
nicht hinein. Die Türe war fest verschlossen.
So gegen fünf plötzlich, alle waren um den Kaffeetisch
versammelt, klingelte es leise und fein aus dem Wohnzimmer.
Ich war wie elektrisiert, das Christkind war da.
Tipp für alle mit Enkelkindern: Vom Glöckchen am Weihnachts-
baum war Nähgarn unter den Teppichen verlegt bis an den Stuhl
von Mutter oder Vater, dadurch waren alle im Zimmer!
Das war dann der Startschuss für die Bescherung und Mutter
verschwand kurz.
Dann endlich ging die Tür auf und wir durften ins weihnachtliche
Zimmer. Der Baum, damals noch mit echten Kerzen geschmückt,
mit Engelshaar und Lametta, silbernen Kugeln und Glöckchen
und Vögelchen, strahlte im Schein der sprühenden
Wunderkerzen.
Sogar die Krippe war beleuchtet und wir sangen Stille Nacht,
Ihr Kinderlein kommet und Süßer die Glocken nie klingen,
Am Weihnachtsbaum die Lichter brennen und O Tannenbaum.
Zu der Zeit wurde noch die Weihnachtsgeschichte vorgelesen
und erst danach durften wir zum Fest der Geburt des Herrn
unsere Geschenke auspacken. Meist waren es Sachen, die
man nötig brauchte oder selbst gemachte Kleider für meine
Puppe Nanny.
Und damit es nicht gar so spärlich aussah, wurden zu den bunten
Tellern die vorhandenen Spirituosen gestellt.

Mein Bruder und mein Vater naschten schon am Weihnachts-
braten und wurden immer wieder von Mutter verjagt.
Um 22Uhr war die Weihnachtsmette in St. Laurentius. Ich durfte
schon mit. In der festlich geschmückten Kirche war damals im
rechten Seitenaltar die Krippe aufgebaut. Da die Kirche immer
rappelvoll war, standen meine Eltern meistens und ich durfte
mich auf die Kniebank vor der Krippe setzten. Latein verstand
ich sowieso nicht und dadurch konzentrierte ich mich auf die
Krippenfiguren. Am liebsten hatte ich den Hirten mit dem Schaf
um den Hals.

Heute noch gehen wir wenigstens einmal, meistens am
Neujahrstag, in die Messe in unsere alte Heimatpfarre St. Laurentius
und ich gehe nach der Messe immer nach vorne und bestaune auch
heute noch die Weihnachtsgeschichte.
Wahrscheinlich wird in vielen Familien die Weihnachtszeit so
oder ähnlich abgelaufen sein.
Unsere Kinder haben sicherlich ihre eigenen Erinnerungen und
werden sie später weitererzählen.
So bleibt jedem ein persönliches Weihnachtserleben erhalten.
Brigitte Steins, Essen

Autor:

Brigitte Steins aus Essen-Ruhr

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