Literatur im Alten Rathaus im November
Vorleser Michael van Ahlen bringt Polgars Geschichten zu Gehör

Van Ahlen brachte ein Dutzend von Harry Rowohlt zusammengetragenen Geschichten aus „Alfred Polgar - Das Grosse Lesebuch“ einem kleinen, aber höchst interessierten Publikum zu Gehör. Foto: Michael Döring
  • Van Ahlen brachte ein Dutzend von Harry Rowohlt zusammengetragenen Geschichten aus „Alfred Polgar - Das Grosse Lesebuch“ einem kleinen, aber höchst interessierten Publikum zu Gehör. Foto: Michael Döring
  • hochgeladen von Michael Menzebach

Haltern. Am 1. November um 17 Uhr stellte der Vorleser Michael van Ahlen im Alten Rathaus unter dem Titel „Der Kongress tanzt“ den „feinsten und leisesten Schriftsteller unserer Generation“ vor, wie Kurt Tucholsky ihn nannte. Van Ahlen brachte ein Dutzend von Harry Rowohlt zusammengetragenen Geschichten aus „Alfred Polgar - Das Grosse Lesebuch“ einem kleinen, aber höchst interessierten Publikum zu Gehör.

Polgars immense Themen- und Schaffensbandbreite wurde von van Ahlen im Zeitraffer sensibel angerissen. Wie etwa „Verantwortung“ (1919) und ihre fatalen Konsequenzen für den kleinen Mann oder „Beethoven-Maske“ (1921) und ihr multipler dekorativer Einsatz. In “Tischnachbarin“ (1935-1937) erinnert sich Polgar an die berühmten ersten Worte seiner Tischnachbarin: „Komisch! Ich habe fest geglaubt, Sie sind schon tot.“ Und er kommt zu dem Schluss, dass da doch gleich ein gemütlicher Ton angeschlagen und das Gespräch gut in Schwung gebracht wurde. Ein Hit beim Publikum war auch „Lotte bei den Löwen“, die Story von dem überfeinen Mädchen, das sich bereits im zarten Alter den Löwen zugehörig fühlt und beim Anblick von dem Bild „Christenverfolgung unter Nero“, auf dem ein allein kauernder Löwe zu sehen war, unter Tränen ausrief: „Ach Papa, der arme Löwe da hat keinen Christen!“
„Zusammenstellen“, hatte Harry Rowohlt eingeräumt, „bedeutet Auswählen und Auswählen bedeutet, dass einem etwas weniger gut gefällt als anderes, und mein Freund Alfred hat den Nachteil, nie einen Durchhänger geschrieben zu haben.“
Man hätte an diesem Sonntag eine Stecknadel fallen hören können, so gebannt waren die Ohren gespitzt für die subtilen Pointen, die brillant geschliffenen, eleganten Redewendungen und blitzgescheiten Überraschungsmomente des „Großen der kleinen Form“. Das Publikum, dem aus der vorausgegangenen Lesung Tucholskys hier und da wie eine Keule anmutende spitze Feder aus noch lebhaft in Erinnerung gebliebenen war, traf an diesem Sonntag auf die Samthandschuh tragende Tatze des „Löwen“ Alfred Polgar: Feuilletonist, Theaterkritiker, Bühnenautor und Verfasser hintergründiger, doppelbödiger Erzählungen, Satire, Glossen und Skizzen.
Und sollte Polgar demnächst in die Regale der Buchhandlungen zurückkehren, dann wäre dies für Michael van Ahlen die schönste Nebenwirkung seiner Lesung, in der er dessen facettenreiches Werk zum Leuchten brachte, um es dem Vergessen zu entreißen. 
Hoffentlich bleibt es bei: Auf Wiederhören am 6. Dezember im Alten Rathaus! Dann steht „Nussknacker und Mausekönig“ von E.T.A. Hoffmann auf dem Programm. (von Eva Masthoff)

Autor:

Eva Masthoff aus Haltern

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