Schau mich an ­­­- Gesicht einer Flucht: Fyori flüchtet vor Krieg und Zwangsheirat

Fyori ist 21 Jahre alt und stammt aus Eritrea. Sie floh vor dem Militär, das dort das Leben aller bestimmt. Foto: Fotostudio Augenblick
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Haltern. Viele Mitbürger kennen Geflüchtete nur als "die Flüchtlinge", fremd und anonym. Für den Asylkreis Haltern am See hat die Flucht inzwischen viele sehr unterschiedliche Gesichter bekommen. In dieser Serie stellen wir einige vor. Fyori ist 21 Jahre alt und stammt aus Eritrea. Sie floh vor dem Militär, das dort das Leben aller bestimmt. Als sie im Sudan war, arrangierten ihre Eltern eine Hochzeit.

"In Eritrea war meine Zukunft nicht sicher, deshalb bin ich geflohen. Nach zehn Jahren Schule hätte ich gerne auch die 11. Klasse besucht, aber ich sollte meiner Mutter helfen. Damals hatte ich große Angst, dass das Militär mich holt, weil ich keine Schulbescheinigung mehr hatte. In Eritrea müssen alle Jungen und Mädchen nach der 11. Klasse zum Militär, wenn sie nicht nachweisen können, dass sie noch zur Schule gehen. Die 12. Klasse besteht generell aus Schule und Militärdienst. Alle müssen kämpfen, egal ob Mann oder Frau.
Meine Eltern waren nicht einverstanden, dass ich gehe. Mein Vater ist Soldat und arbeitet in einer anderen Stadt. Meine Mutter ist allein mit uns Kindern. Ich bin zuerst gegangen, dann mein jüngerer Bruder. Mein älterer Bruder musste schon fürs Militär arbeiten. Er hatte Angst und ist weggelaufen. Mittlerweile ist er in Äthiopien.
Drei Bekannte sind mit mir geflohen, eine Frau und zwei Männer. Am 09.03.2014 haben wir uns zu Fuß auf den Weg gemacht. Als wir nachts in einem Wald die Grenze nach Äthiopien überquerten, hatte ich große Angst. Es waren Soldaten da.
Im Sudan bin ich zwei Jahre lang geblieben. Ich musste dort heiraten. Meine Eltern hatten die Hochzeit mit einem Eritreer aus Amerika vermittelt. Am Telefon haben sie mir das gesagt. Ich kannte den Mann nicht. Ein paar Tage nach der Hochzeit ist er nach Amerika geflogen. Am Telefon haben wir uns gestritten. Wir sind getrennt. Ich wollte nicht nach Amerika.
Dann bin ich mit 25 Personen auf einem Pick-up nach Libyen gefahren. Es dauerte 21 Tage, bis wir in der Hauptstadt Tripolis angekommen sind. Das war sehr anstrengend.
Dann bin ich auf einem kleinen Boot mit fast 500 anderen Personen nach Italien gefahren.
Wir hatten Glück, dass uns auf dem Meer nichts passiert ist. Ich habe für alles unterwegs fast 9000 Dollar bezahlt. Das Geld haben Cousins von mir gesammelt, die in Israel wohnen. Zu ihnen konnte ich nicht gehen, weil die Grenzen zu Israel geschlossen sind.
Erst war mein Ziel Europa gewesen, egal wo. Als ich in Italien war, wählte ich Deutschland, weil ich dachte, dass das Land für mich besser ist. Am 14.10.2016 bin ich in Haltern angekommen. Hier fühle ich mich sicher und bin zufrieden. Aber ich denke immer an meine Familie und meine Freunde. Meiner Familie geht es gut. Manchmal rufe ich zuhause an. Ich wohne mit einem Mädchen in einer Flüchtlingsunterkunft. In Datteln gehe ich zur Schule. In meiner Freizeit gehe ich spazieren und surfe im Internet. Meine Zukunft stelle ich mir so vor, dass ich zuerst Deutsch lerne, eine Ausbildung zur Friseurin mache und dann arbeite.
Mein größter Wunsch ist es, in Freiheit zu leben. Ich sage den Menschen vielen Dank!"

Ihre Erlebnisse schreiben die Geflüchteten selbst auf, unterstützt von der freien Journalistin Gerburgis Sommer. Die Ausstellungen mit 19 Gesichtern einer Flucht werden vom 22.01. bis 02.02. in der Käthe-Kollwitz-Schule in Recklinghausen und vom 24.01 bis 02.02. in der Justizvollzugsanstalt Remscheid gezeigt.Alle Portraits und Termine für die Ausstellung auf www.gesicht-einer-flucht.de.

Autor:

Michael Menzebach aus Haltern

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