ZeitGESCHENK-Projekt "Abschied nehmen" machte Station beim Bestattungshaus Bertelt

Das großformatige Foto im Eingangsbereich des Bestattungshauses von Dirk und Anita Bertelt (li.) an der Ortlohnstraße 35 faszinierte die Kinder der Kita "Ein Haus für alle Kinder" bei ihrem Besuch vom ersten Moment an. Fotos: Schulte
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"Uuuuiiii, ist das ein schönes Bild!" Die Kinder der Gerlingser Kindertagesstätte "Ein Haus für alle Kinder" der Diakonie des Ev. Kirchenkreises Iserlohn zieht es sofort zu der großformatigen Fotografie mit dem Naturmotiv im Eingangsbereich.

Von Christoph Schulte

Iserlohn. "Das haben wir auch schon öfter von Erwachsenen gehört", freut sich Dirk Bertelt, "und das ist auch genauso gewollt. Die Menschen, die zu uns kommen, sollen sich hier wohlfühlen." Was erfahrungsgemäß und verständlicherweise nicht ganz einfach ist, denn Dirk Bertelt ist Bestatter und während man rechts vom Eingang ein "normales" Büro für Beratungen erblickt, kommt man links direkt in den Ausstellungsraum mit verschiedenen Sarg- und Urnenmodellen.
Das ist auch die erste Station des Rundgangs, den Dirk Bertelt für die Kinder geplant hat. Ein Ausflug zum Bestatter? "Ja genau", erläutert ZeitGESCHENK-Koordinatorin Johanna Schwarte, "das Bestattungshaus ist der letzte Teil unseres Projektes 'Abschied nehmen', in dem die Kinder in insgesamt acht Treffen lernen, mit den Themen Abschied und Verlust, Tod, Trauer und Sterben umzugehen." Für Kinder gehören diese Themen als fester Bestandteil ganz normal zu ihrem Leben, so wie andere Lebensbereiche auch. "Auf spielerische Art und Weise erfahren die Kinder dabei alles vom Thema Gefühle bis hin zu Bestattungen", berichtet die Expertin vom Mobilen Kinder- und Familien-Hospizdienst der Caritas. Nachdem das Projekt zuvor bereits vier Jahre lang erfolgreich in Kooperation mit dem Ev. Stephanus-Kindergarten in Hemer-Deilinghofen durchgeführt wurde, bietet ZeitGESCHENK es nun erstmals auch in Iserlohn an.
Inzwischen sind die Vorschulkinder in der Ausstellung angekommen. Dort erklärt Dirk Bertelt gerade die verschiedenen Möglichkeiten einer Bestattung. "Da gibt es die Auswahl zwischen einer Erdbestattung und einer Urnenbestattung", erklärt er, "und wer in seinem Leben gerne zum Meer gefahren ist oder an der Nord- und Ostsee immer Urlaub gemacht hat, für den bieten wir auch eine Seebestattung an." Als Dirk Bertelt kurz im Nebenzimmer verschwindet und mit einem kleinen Gefäß zurückkehrt, ist die Spannung bei seinen kleinen Gästen groß. Vorsichtig dreht er die Urne hin und her und man hört ein leises Rieseln. "Da ist die Asche eines verstorbenen Menschen drin, der in einem Krematorium verbrannt worden ist." Für einen Moment herrscht Stille, bevor ein kleines Mädchen fragt: "Ist die Asche noch heiß?" Aus ihrer Sicht sicherlich die natürlichste Frage der Welt. Doch Dirk Bertelt kann sie und die anderen beruhigen. Und schon berichtet ein anderer Junge von seinem ganz persönlichen Erlebnis zum Thema Tod und Sterben. "Bei uns im Kindergarten haben wir einen toten Vogel gefunden, den haben wir dann in eine Schachtel gelegt und begraben." "Das war dann eine Erdbestattung", erwidert Dirk Bertelt mit einem Augenzwinkern. Irgendwie ein passendes Stichwort für ihn. Denn im nächsten Raum wartet auf die kleinen Besucher ein offener Sarg. "Wenn sich Angehörige für eine Erdbestattung entscheiden, dürfen sie sich nicht nur den Sarg aussuchen, sondern auch ein Kissen und eine passende Decke, mit der der Tote zugedeckt wird." Sofort wird die Steppdecke in dem Demonstrationssarg von den Kindern "überprüft". "Wenn da jemand drin schläft, hat er eine Decke und die ist richtig schön bequem", meint ein Mädchen und ihre Freundin ergänzt prompt: "Wenn ich tot bin, kann ich mich da richtig gut reinkuscheln." Kinderlogik eben! Und auch "Tränchen", das ZeitGESCHENK-Maskottchen, das die Kinder reihum im Arm halten dürfen, muss natürlich erst mal im Sarg probeliegen.
Dann öffnet sich auch schon die nächste Tür. "Die Küche", analysiert ein Knirps fachmännisch. Auf die Frage von Dirk Bertelt, wie er zu diesem Urteil komme, heißt es wie aus der Pistole geschossen: "Da ist doch ein Spülbecken - und ein Kühlschrank!" Dirk Bertelt schmunzelt kurz, erklärt dann aber, dass dies der Raum sei, wo er und seine Mitarbeiter die Verstorbenen waschen, anziehen und für die Beerdigung vorbereiten.
Nach einem Raum, in dem die Angehörigen Abschied nehmen können bzw. der auch für kleine Trauerfeiern zum Beispiel bei Seebestattungen dient, folgt zum Abschluss noch ein besonderer Höhepunkt gerade für die Jungen. Es geht in die Garage und da wartet der Leichenwagen, im Falle des Bestattungshauses Bertelt noch ein umgebauter Mercedes-Kombi. Erstaunen - auch der anwesenden Erwachsenen - löst die Bemerkung des Bestatters aus, dass ein neuer Leichenwagen inklusive Umbau schon mal rund 150.000 Euro kosten kann. "Deshalb sind ja viele meiner Kollegen inzwischen auf Mini-Vans umgestiegen. Die sind deutlich günstiger", so Dirk Bertelt, "aber in Bezug auf mein Fahrzeug gehöre ich eben immer noch zu den Traditionalisten." Und als sich dann die Kofferaumklappe per Knopfdruck sanft von selbst schließt, weil "man doch einem Verstorbenen die Klappe nicht vor den Kopf schlägt", wie Dirk Bertelt dieses "Extra" seines Wagens erklärt, kann ein weiterer Kinderkommentar nicht ausbleiben: "Das ist ja supercool!" Weitere Infos zum Mobilen Kinder- und Familienhospizdienst der Caritas im Allgemeinen und zum Projekt "Abschied nehmen" im Speziellen gibt es unter: www.caritas-iserlohn.de oder bei Johanna Schwarte (Tel. 02371/8186871; E-Mail: j.schwarte@zeitgeschenk.org) ZeitGESCHENK

Autor:

Christoph Schulte aus Hemer

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