Kicker, Kämpfer und Legenden: Fußball-Historie erwacht zum Leben

Geschichten jüdischer Kicker.
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Ein 18-köpfiger Sport-Leistungskurs der Kamener Gesamtschule nutzte jetzt die Gelegenheit, die letzte offizielle Führung durch die Ausstellung „Kicker, Kämpfer, Legenden“ in der Kamener Sparkasse mitzuerleben.
Begleitet wurden sie von LK-Lehrer Heinz Reinders und Autor und Sport­historiker Dietrich Schulze-Marmeling, der als eine bekannte Größe auf dem Gebiet der Fußballgeschichte gilt und zuvor einen Vortrag über das Ausstellungsthema „Juden im deutschen Fußball“ hielt.
Das Thema hat es in sich und ist noch sehr jung. Erst Ende der 1990er Jahre sind die Hintergründe jüdischen Fußballlebens vor, während und kurz nach der Nazizeit ans Licht gekommen, nachdem die Verfechter der deutschen Fußballchronik sie über Jahrzehnte hinweg vertuscht und die Tatsachen geschönt hatten. An dieser Entschleierung war Schulze-Marmeling maßgeblich durch sein Buch „Davidstern und Lederball“ beteiligt. Der Autor nannte Namen damaliger jüdischer Fußballprotagonisten wie Walther Bensemann, der den DFB mitbegründete und 1899 die „Ur-Länderspiele“ in Deutschland organisierte, bei denen meist die Engländer die Nase vorn hatten, deren spielerisches Know-How starken Einfluss auf den deutschen Fußball hatte. Bensemanns Botschaft, dass der Sport das „vielleicht einzig wahre Verbindungsmittel der Völker und Klassen“ sei, ist heute aktueller denn je. Oder Gottfried Fuchs vom Karlsruher FV, der als Nationalspieler mit zehn Toren gegen Russland im Jahr 1912 bis heute Rekordhalter ist und den Holocaust im kanadischen Exil überlebte - anders als sein Vereinsfreund Julius Hirsch, der in Auschwitz ermordet wurde.
In der Saison 1931/1932, ein Jahr vor der „Machtergreifung“ durch die Nazis, wurde der 1. FC Bayern München erstmals Deutscher Meister.
Der damalige Bayern-Präsident hieß Kurt Landauer, war Jude und stand seit der „Machtergreifung“ auf der „Abschussliste“ – noch nicht einmal der der Nazis, die durch den Ausschluss jüdischer Fußballer aus den Vereinen einen Fußball-Boykott der prestigeträchtigen olympischen Spiele 1936 fürchteten und damit lieber noch etwas warten wollten. Viele Vereine kamen dem Regime mit Ausschlüssen zuvor, wohl auch, um Repressalien zu umgehen. Landauer wiederum kam seinem Verein zuvor, nachdem er seine Präsidentschaft nieder- und in die Hände seines Freundes Siggi Herrmann legte und somit zumindest extern weiter Einfluss aus­üben konnte. Ironischerweise konnten die Bayern nach dem Krieg bei den Alliierten gegenüber ihren Lokalkonkurrenten von „1860“ als „Demokratiehelfer“ punkten, da man ja zu Beginn der Hitlerzeit einen jüdischen Präsidenten hatte – aber auch das ist nur eine von vielen spannenden Geschichten, von denen die Ausstellung noch bis zum 8. Oktober erzählt und die auch LK-Schülerin Laura Kill faszinierte. Die 17-Jährige ist Auswahlspielerin des VfL Bochum und im Kaiserauer Sportinternat untergebracht. „Ich finde es wichtig, dass die Sporthistorie mit zum LK-Stoff gehört – gerade solche Hintergründe dürfen nicht ins Vergessen geraten“, sagt Laura. Sie selbst hat es schon einmal mit Diskriminierung homophobischer Art zu tun gehabt, die sich bei einem DFB-Pokalspiel gegen eine Torwartkollegin richtete. „Sport ist ein breit gefächerter Begriff“, sagt Laura – „und die richtige Gesinnung gehört ohne Zweifel auch dazu“.

Geschichten jüdischer Kicker.
Autor Dietrich Schulze-Marmeling erläuterte den Schülern die Objekte auf den Ausstellungswänden und beantwortete geduldig alle Fragen.
Autor:

Anja Jungvogel aus Unna

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