"Der Schädel"

Graf Friedrich Christian zu Schaumburg-Lippe war mit seiner gräflichen Leibgarde und allerlei Gefolge auf der „via publica“, von Cölln nach Burg Düsseldorf unterwegs. Herzog Johann Wilhelm von Jülich und Berg hatte ihn zu seinen Geburtstagsfeierlichkeiten nach Düsseldorf eingeladen, denn es war der 30. Geburtstag des Herzogs und er feierte ihn gebührlich mit dem Volk. So war es auch nicht verwunderlich, das im Monat April 1688, viel fahrendes Volk, sowie Markt- und Spielleute auf dem Weg nach Düsseldorf unterwegs waren. Graf Friedrich Christian war ein literarisch und wissenschaftlich interessierter Mann, wie es nur ein Graf sein konnte. Aber er fand an großen Reisen, Wein, Weib und Gesang ein so großes Vergnügen, das er sich meist im Auslande aufhielt und nur selten in die Heimat kam. Die große Kutsche des Grafen fuhr langsam auf den großen Platz der „Am Langen Felde“ genannt wurde. Eine Rast war angeordnet, denn ein Rad der Kutsche war beschädigt und sollte vom Schmied aus dem Gefolge repariert werden. Viele Menschen unterschiedlichster Herkunft hatten sich hier zur Rast niedergelassen und es war eine Art Markttreiben entstanden. Da waren Spielleute mit Musikinstrumenten, fahrende Schneider, Schmiede und vieles mehr. Der Graf stieg mit seinem barocken Gewande aus seiner herrlich verzierten Kutsche, während seine Leibgarde die Neugierigen fernhielt. „Nun Herr Schmied, sagt mir, wie lange wird die Reparatur dieses Gefährts dauern?“, fragte der Graf den Schmied. „Es tut mir leid euer Gnaden, aber ich werde wohl die ganze Nacht dafür benötigen, und empfehle euer Gnaden ein Nachtlager aufzuschlagen“, antwortete der Schmied. „So sei es denn“, rief der Graf und sofort fingen seine Gefolgsleute an das Lager des Fürsten mit seinem großen Zelt aufzubauen. Graf Friedrich Christian viel ein reich verzierter Kutschwagen mit bunten Steinen, allerlei Goldfarben und großen weißen Pferden auf, der unweit seines Lagerplatzes stand. Am Lagerfeuer davor saßen seltsame Menschen, die bunt gekleidet waren. Ein alter Mann spielte eine seltsame Musik auf einer Geige, während ein hübsches Mädchen mit roten Haaren und einem rot- blau-weißem Kleid, mit Brokat und Gold bestickt, einen seltsamen Tanz zur Musik aufführte. Ein kleiner Bursche sammelte für den Tanz mit einem Zinngefäß den obligatorischen Obolus bei den Schaulustigen. Der Graf konnte seine Augen nicht von dem hübschen Mädchen lassen und warf ein großes Goldstück in den Zinnbecher. Der kleine Bursche machte einen Diener. „Herr Graf ihr Nachtlager ist hergerichtet“, unterbrach der Kanzler. Der Graf tippte den Kanzler mit dem Silberknauf seines Stockes auf die Schulter und zeigte in Richtung der Tänzerin. „Herr Kanzler haben Sie dieses entzückende Mädchen gesehen? Ich möchte das Sie die Dame zu mir ins Zelt einladen.“ „Jawohl Herr Graf.“ Er ging zu der Tänzerin und lud Sie ins Zelt des Grafen ein und so saßen Sie bei Speiß und Trank im Zelt des Grafen. Die Verständigung war schwierig, denn das Mädchen sprach in einer dem Grafen nicht bekannten Sprache und Sie konnte nur ein paar Wörter deutsch. Sie tranken viel Wein und das südländische Aussehen dieses wunderschönen Mädchens betörte den Grafen. Plötzlich sprang Sie auf und sagte: „Ich tanzen?“ und zeigte mit dem Finger auf sich selbst. „Oh, sehr gerne“, antwortete der Graf und machte eine Art auffordernde Geste. Das Mädchen begann verführerisch um Ihn herum zu tanzen, dann nahm Sie die Hand des Grafen, zeigte auf sein Schlafgemach und sagte: „Wir Bett?“ Der Graf ließ sich nicht zweimal bitten und so gaben Sie sich ihrer körperlichen Wollust hin. Nach dem Liebesabenteuer hielt das Mädchen dem Grafen die offene Hand hin und sagte: “Gib Gold für mich!“ Der Graf war schwer in seiner Ehre gekränkt, wurde sehr wütend und rief nach den Wachen: “Legt diese Hexe und Hure in Ketten, ich werde über Sie Gericht halten.“ Das Mädchen wehrte sich mit Händen und Füßen, spuckte vor dem Grafen aus und beschimpfte ihn in ihrer Landessprache, die niemand verstehen konnte. Die Wachen zerrten das Mädchen nach draußen und knebelten Ihre Hände. Der Graf trat ins Freie, von seiner Leibgarde umringt, denn es hatte sich sofort eine große Menschenansammlung gebildet. Er zeigte mit seinem Stock auf das Mädchen und rief: “Dieses Weibsbild ist eine Hexe, sie spricht die Sprache des Teufels und ist der Hurerei überführt worden. Sie ist dem Tode geweiht, höret nun meinen Richterspruch: Ich, Friedrich Christian, Graf zu Schaumburg-Lippe, ordne hiermit an, dass man den Kopf der Hexe vom Rumpfe trenne und zur Abschreckung des Gesindels auf einen Spieß stecke. Der Rumpf des Weibsbild soll abseits in den Rhein geworfen werden, damit der Teufel keine Gelegenheit hat diesen gottlosen Körper wieder zusammen zufügen.“ Graf Friedrich Christian ernannte einen seiner Soldaten zum Scharfrichter und das Mädchen wurde unter den Augen der Schaulustigen mit einem großen Langschwert hingerichtet. Ein Soldat des Grafen schleifte den Körper des Mädchens mit einem Pferd zum Rhein, wo er den Körper hineinwarf. Der Schmied nagelte den Kopf auf einen eilig hergestellten Pfahl, der am Wegesrand zur Warnung aufgestellt wurde. Unter dem Kopf an dem Pfahl wurde ein Pergament vom Herold des Grafen befestigt. Es trug die Aufschrift: „Allem Lumpenpack zur Warnung! Sehet hier den Kopf der Hexe und Hure, gerichtet von Graf Friedrich Christian zu Schaumburg-Lippe im Namen des Herrn, Anno 1688 am 15. April. Gott sei ihrer Seele gnädig.“ Der reich verzierte Kutschwagen mit den weißen Pferden war im Morgengrauen verschwunden, ebenso wie der Pfahl mit dem Kopf des Mädchens, und niemand sah und beachtete das schlichte Holzkreuz, das unter einem Buschwerk im Boden steckte.

Autor:

Carsten Thiele aus Langenfeld (Rheinland)

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