"Das Alter ignorier ich total" - Interview mit Peter Kraus

14. August 2010
19:00 Uhr
Schloß Broich, 45468 Mülheim an der Ruhr

Mit 71 Jahren sitzen die meisten wohl im Lehnstuhl, streichen sich über den Wohlstandsbauch und stellen fest: „Früher war alles besser“. Es sei denn, man heißt Peter Kraus.

Der 1939 geborene Musiker trat am Samstag, 14. August, auf der Ruhrbühne im Schloß Broich in Mülheim auf - und erklärte vorher im Interview mit der Mülheimer Woche, dass er auch mit 71 durchaus noch viele Pläne hat.

Mülheimer Woche: Herr Kraus, ist das Ihr erster Besuch in Mülheim?
Peter Kraus: In der Gegend bin ich sehr oft. Mein Sologitarrist, André Tolba, ist Mülheimer. Ein toller Musiker, er war auch mit Sasha auf Tour, als er als Dick Brave aufgetreten ist.
Ich bin gern im Ruhrgebiet, auf der letzten Tournee waren wir in drei oder vier Städten in der Gegend. Aber um ehrlich zu sein, ich bin überall da gerne, wo viele Menschen mich sehen wollen.

Gehen die Leute im Ruhrgebiet mehr mit?
Gegen diese Vorurteile bin ich von vorne herein. Das sind alles faule Ausreden dafür, dass man irgendwo mal war, wo man nicht gut war. Einem guten Künstler muss es gelingen, jedes Publikum - das ist die Aufgabe - von den Stühlen zu reißen. Wenn die nicht von den Stühlen kommen, dann liegt das an einem selbst, das liegt nicht an einem Landstrich. Der Unterschied ist höchstens, dass es manchmal vielleicht nicht so schnell geht, aber funktionieren muss es überall, dass die Leute begeistert nach Hause gehen. Natürlich spielen auch andere Umstände eine Rolle. In Mülheim zum Beispiel ist das Konzert open air. Wenn es nieselt, dann wird’s etwas länger dauern. Mit so etwas müssen wir kämpfen. Aber das Ziel ist immer, dass die Menschen am Schluss begeistert nach Hause gehen. Aber im Ruhrgebiet geht das immer gut, hier sind Leute, die feiern.

Was dürfen die Besucher am Samstag erwarten?
Wir spielen Lieder von den letzten drei CDs, sehr Rock‘n‘Roll-lastig, aber alles mit neuen deutschen Texten, die ich gemacht habe, und meine alten Hits. Ein sehr gemischtes Programm.

Ihre letzte CD „Nimm Dir Zeit“ ist ja mit Big Band-Begleitung entstanden.
Ja, die letzte Tournee war auch mit Big Band, die gibt es jetzt auch als DVD, hat mein Sohn produziert. Das war schon ein Ausnahmeprojekt. Die nächste Tournee mache ich wieder mit meiner Sieben-Mann-Band, mit der ich auch am Samstag auftrete. Da geht nicht jeder Song. Aber wir haben so viel Hits, die die Leute mögen, dass wir allein schon auf zwei Stunden kommen und das macht richtig Spaß. Wir müssen nicht irgendwas spielen, was wir nicht mögen, nur weil es die Leute mögen.

Das hört sich nicht so an, als würden Sie kürzer treten wollen - Sie haben also immer noch viel Rhythmus im Bein?
Die nächste Tournee steht schon fest, die wird 2012 im Frühjahr sein. Aber bis dahin gibt es ja auch noch einiges zu tun: Ich muss überlegen, was ich mache - und ich mache wieder etwas ganz anderes, etwas Außergewöhnliches. Dann geht’s in die CD-Produktion, die wird über den Winter gemacht. So ein Jahr ist schnell vorbei.
Aber ich werde weniger Konzerte machen. Ich mache jetzt noch die Open Airs und dann ist erst einmal ein wenig Ruhe.

Sie sind ja keine 20 mehr, aber noch sehr aktiv und agil auf den Bühnen unterwegs - haben Sie ein Fitness-Geheimnis?
Das ist auch eine der meistgestellten Fragen. Ich beweg mich viel, mach Sport, hab einfach Freude am Leben. Und ich ignoriere das Alter total. Wenn meine Frau etwas vorschlägt, sage ich immer „Das können wir machen, wenn wir älter sind“. Sie sagt dann immer drauf: „Das sind wir bereits“. Aber das stimmt nicht.
Ich habe in dieser Richtung jetzt auch einen Plan, um den Menschen darauf Antworten zu geben. Wenn ich jetzt weniger Konzerte mache, will ich vielleicht etwas Besonderes daraus machen.

Ein Buch?
So etwas in der Richtung .

Sie haben also noch jede Menge Zukunftspläne?
Das auf alle Fälle! Es ist ein besonderes Geschenk des Himmels, dass ich im hohen Alter - was ich mir in der Jugend auch nicht vorstellen konnte, als ich mit Rock‘n‘Roll und mit Filmen angefangen habe, und man noch sagte, hoffentlich ist dieser Rock‘n‘Roll-Spuk bald vorbei -, dass ich immer noch diese Lieder als meine Visitenkarte den Leuten präsentieren kann und die haben ihre helle Freude daran, dass ist natürlich etwas, ein junghaltendes Element, das macht Spaß, ich habe junge Musiker um mich herum, ich experimentiere auch immer noch. Die letzte Tournee „Nimm dir Zeit“ ging damit los, dass ich mich die ersten 20 Minuten als 17-Jähriger gespielt habe wie es damals war und dann erst in das Konzert von heute gegangen bin. Wenn einer mit solchen Dingen spielen kann, und die Leute nehmen es einem ab, das sind natürlich auch Dinge,die frisch und jugendlich halten. Nicht nur das vernünftige Essen oder die Liegestütze oder das Schwimmen, damit allein ist es auch nicht gemacht, da braucht es schon mehr.

Apropos spielen - man kennt Sie ja auch aus Film und Fernsehen - gibt es da etwas Neues?
Nichts Aufregendes, da halten sich die Produzenten etwas zurück, schlafen etwas vor sich hin. Ich war jetzt bei „Let‘s dance“ in der Jury , das hat viel Spaß gemacht. Die Rollenangebote, die ich bekomme, sind sehr langweilig. Meistens nur ein Schlagersänger, der jung geblieben ist. Und Selbstdarstellung empfinde ich nicht als Schauspielerei.

Sehen Sie sich denn eher als schauspielender Musiker oder als musizierender Schauspieler?
Seit der Rock‘n‘Roll 50 geworden ist und ich wieder auf dieser Schiene bin, bin ich wieder mehr Musiker. Ich bevorzuge die Live-Geschichten und Live-Musik mit jungen Musikern auf der Bühne. Vielleicht wird das auch noch mal anders. Vielleicht muss ich auch erst noch ein richtig altes Gesicht bekommen, damit ich noch ein Charakterdarsteller werde, ich weiß es nicht. Momentan gefällt den Produzenten, glaube ich, mein Gesicht nicht.

Jopi Heesters ist mit 100 ja auch noch mal durchgestartet – Sie haben also noch Luft nach oben.
Ich freu‘ mich, dass es dem Jopi Freude macht, aber das ist nicht mein Ziel. Also irgendwann werde ich mich auch schon ein bissl zurückziehen und andere künstlerische Dinge machen, wie das Malen wieder intensivieren. Das hab ich sehr vernachlässigt in den letzten Jahren. Ich bin zu viel unterwegs und solang ich das noch kann - da sind wir wieder bei dem Punkt: Das kann ich machen, wenn ich älter bin.

Am Tag vor ihrem Konzert stehen die ehemaligen Popstars-Teilnehmer Marc und Jana auf der Ruhrbühne – was können Sie ihnen mit auf den Weg geben?
Der Unterschied von damals zu heute ist viel zu gewaltig. Damals gab es einen Produzenten, der einfach gesagt hat: „An den Jungen glaub‘ ich!“, und der hat dich dann einfach machen lassen. Das hat zum Glück funktioniert. Ich war ja das erste Teenager-Idol und in den ersten Bravos. Heute werden ja alle umgekrempelt und in eine bestimmte Richtung reingebastelt. Es ist eine andere Zeit geworden. Ich glaube, um einen langfristigen Erfolg aus einem Castingerfolg zu machen, muss ein junger Mensch einfach versuchen, seine Persönlichkeit durchzusetzen. Das ist ein paar gelungen, ein paar sind verschwunden. Es ist natürlich immer ein Spiel. Man muss irgendwie schauen, dass man populär wird, aber gleichzeitig dem normalen Strickmuster entkommen kann. Das normale Strickmuster ist, dass du untergehen sollst und der nächste dich übernimmt. Da musst du irgendwie raus und deine Persönlichkeit durchsetzen - dann kann es auch funktionieren.

Fotos des Konzertes finden Sie übrigens ebenfalls hier im LOKALKOMPASS!

Autor:

Silke Brembt aus Mülheim an der Ruhr

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