10. Kirchliches Filmfestival Recklinghausen
Wim Wenders erhält echten Ehrenpreis - ein charismatischer Plauderer

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Diverse Filmauszeichnungen hat Wim Wenders, deutscher Regisseur von Weltruf, bereits. Über den Ehrenpreis (erstmals in seiner zehnjährigen Geschichte vergeben) des Kirchlichen Filmfestivals Recklinghausen freute er sich offensichtlich besonders. Über die Urkunde und vor allem über den Ölbaum im Topf. Wenders staunte: "Der ist ja echt."

Fotos: Reiner Kruse/ Bericht: Kerstin Halstenbach

Es war "noch ein Höhepunkt des Höhepunktes" (Horst Walther, neben Michael Kleinschmidt künstlerischer Leiter des in Deutschland einzigartigen Filmfestivals): WIm Wenders kam nach Recklinghausen. Nicht, um bloß freundlich zu winken und zu nicken und schnellstens wieder abzudüsen, sondern der Weltstar nahm sich Zeit fürs Publikum.
Zwei der Werke des 73-Jährigen waren zu sehen: "Der Himmel über Berlin" von 1987 in einer brandneu und technisch aufwendig restaurierten Fassung und sein letztes Kino-Werk, der Dokumentarfilm "Papst Franziskus - Ein Mann seines Wortes", der 2018 erschien.

"Columbo" treibt Otto Sander zur Verzweifelung

Vor und nach den beiden ausverkauften Vorstellungen kam Wenders auf die Zuschauer selbst zu, redete frei von der Leber weg. Ob er sich auch andere Darsteller für sein Engel-Epos als Bruno Ganz oder Otto Sander hätte vorstellen können? "Nein, es mussten die beiden damaligen Helden der Berliner Volksbühne sein." Mitten im Dreh 1986 in West- und Ost-Berlin habe er gemerkt, dass die Engel sich zu ernst nehmen. "Also musste Humor mit hinein." Den habe dann Peter Falk hineingebracht, damals als "Columbo"-Darsteller weltberühmt. Verschmitzt spielte Falk einen Ex-Engel, dem Bruno Ganz begegnet. "Otto Sander war über Peter Falk verzweifelt. Falk wollte nur improvisieren. Otto als Theatermann hat darunter sehr gelitten."
So auch sein Kameramann Henri Alekin, damals schon über 80. Die Musik von Nick Cave & The Bad Seeds fand Alekin schrecklich. "Und dann hat er später selbst Musikvideos gedreht, beispielsweise von den Einstürzenden Neubauten."
Ebenfalls lustig: Die DDR hatte Wenders früheren Welterfolg "Paris, Texas" tatsächlich gezeigt ("den hielten sie wohl für anti-kapitalistisch") und so war ihm auch zugesagt, er könne 1986  in Ost-Berlin drehen. "Beim persönlichen Gespräch dann mit jemanden vom Ministerium wurde das plötzlich zurückgezogen." Grund: Auf die Frage, worum es im dem Film "Der Himmel über Berlin" gehe, fand der Funktionär die ehrliche Antwort, "um Schutzengel, die durch Wände gehen können" wenig erbaulich. Wenders: "Wir haben dann versteckt gedreht und die Kamera wieder in den Westen geschmuggelt."

Unterm Radar des Vatikans und der DDR

Wenders wuchs als Katholik in Düsseldorf auf. Ende der 60er trat er aus der Kirche aus. Jahrzehnte später fand er wieder zur Kirche zurück, dann aber in die Evangelische Kirche. "Ich bin ein ökumenischer Christ und darum gefällt es mir besonders, dass dies ein ökumenisches Filmfestival ist."
Sein Interesse an Glaubens- und Sinnfragen hat der Verfechter (ja Erfinder) des Autorenkinos nie verleugnet. Als tatsächlich aus dem Vatikan die Anfrage kam, ob er über Franziskus einen Film machen wolle, sagte er sofort zu. Wer denn von dem Projekt alles wusste, so eine Frage aus dem Punlikum? "Ein Mitarbeiter in der Presseabteilung, der mich auch kontaktiert hat, der Papst und ich. Die Dreharbeiten verliefen unter dem Radar."
Zwei Jahre lang begleitete Wenders den Papst in Italien und bei Auslandsreisen, konnte ungehindert ins Archiv und hatte ihn insgesamt acht Stunden lang im persönlichen Gespräch vor der Kamera. Das eindrucksvolle Ergebnis konnte man im Film bewundern: Franziskus blickt jeden Zuschauer direkt in die Augen. Eine spezielle Technik machte das möglich: "Wir waren alleine im Raum, nur im Hintergrund ein Dolmetscher. Ich spreche spanisch.  Franziskus blickte auf einen Teleprompter, der statt Text mich zeigte, und ich blickte in einen Teleprompter, der den Papst zeigte. So sprachen wir von Angesicht zu Angesicht miteinander, obwohl ich gar nicht auftauche." Den Dolmetscher habe er aber schon gebraucht. "Spanisch mit argentinischem Akzent fand ich schwierig, vor allem Humor versteht man in anderen Sprachen nur schlecht."

"Spielen Sie mit Ihren Kindern?"

Es ist diese Nähe, die Gänsehaut macht, zum Schmunzeln bringt oder auch irritiert. Welche Eltern zucken nicht bei der Papst-Frage "Spielen Sie mit Ihren Kindern? Vergeuden Sie Ihre Zeit mit Ihren Kindern?" zusammen.
Anders als einige Kritiker befürchtet (oder unterstellt) haben, ist der Franziskus-Film unabhängig finanziert und wurde vor Erscheinen dem Vatikan auch nicht zur Zensur vorgelegt.
"Hat der Film dem Papst gefallen", wurde Wim Wenders gefragt. "Das wüsste ich auch gerne", erklärte der mit dem Ehrenpreis ausgezeichnete Gast trocken.

Autor:

Reiner Kruse aus Recklinghausen

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