Alltags-Sexismus
Ein Hotel nur für Frauen – Echt jetzt?!

Zunächst hielt ich diese Nachricht für „Fakenews“. Die WDR-Lokalzeit berichtet: „Hotel speziell für Frauen“. 

Dort heißt es:

„Einfach mal unter sich sein, das können Frauen im Hotel von Ali Can und Darius Kamadeva. Die beiden wollten einen Ort schaffen, an dem sich Frauen sicher fühlen können. Ihr Hotel in Essen ist vor allem für Junggesellinnenabschiede gedacht.“

Jetzt schaffen Männer schon Frauenghettos, damit Frauen sich sicher fühlen sollen. Sicher vor was oder vor wem? Vor Männern, die ihre Griffel und sonstige Körperteile nicht bei sich behalten können und/oder sich verbal entgleisend danebenbenehmen?

Ich schaute im Netz nach und fand die Internetseite des Hotels. Nein, das waren keine Fakenews. Die beiden Betreiber nehmen ihr eigenes Schicksal und Erfahrungen der Frauen aus ihrem Umfeld als Grundlage für ihr Konzept. 

Ali sagt:

„Auch meine russischen, polnischen und arabischen Freund*innen sagen immer wieder, dass es besondere Orte für Frauen braucht.“

Darius, der selbst mit seinen Geschwistern und Mutter im Frauenhaus lebte:

„Unser Hotel richtet sich daher speziell an Gruppen, die sich in öffentlichen Hotels unwohl fühlen. Das kann viele Gründe haben: ungewollte Anmachen, sexuelle Belästigung, rassistische Angriffe, homophobe oder queerfeindliche Beleidigungen …“

Wie wäre es ein Hotel zu führen, in dem Männer, die sich nicht ordentlich benehmen, einfach Hausverbot bekommen? Wollen wir Frauen überhaupt von Männern getrennt sein? Zudem werden kulturelle Gruppen benannt, in denen stark patriarchische Strukturen nicht unbekannt sind. Und sie blähen sich auf wie Beschützer, weil sie diese Strukturen kennen. Das macht sie aber nicht zu ausgebildeten Sozialarbeiter.

Und Frauen, die noch immer glauben, einen Beschützer zu brauchen, müssen ermutigt werden, sich gegen solch patriarchische Strukturen zu wehren. Und wie schwer das ist, dass zeigen die Zahlen. Alle 45 Minuten unterliegt eine Frau in Deutschland häuslicher Gewalt. Alle drei Tage wird eine Frau getötet.

Ein Konzept darauf aufzubauen, Frauen zu beschützen, ist in Anbetracht dieser gesellschaftlichen Struktur bestenfalls geschmacklos. Da braucht es Aufklärung und politische Einflussnahme, um mehr Rechte für Frauen zu schaffen. Aber ihnen einen Raum zu geben, wo sie mal durchschnaufen können, weil sie von anderen Männern belästigt, geschlagen oder verfolgt werden, ist ein Konzept das einen bitteren Beigeschmack hat.

Natürlich kennen wir diese allgemeingültigen „Mädels Abende“, die ebenfalls nichts anderes als Frauenghettos sind. Wieso sich eine Frau „Mädel“ nennen muss, ist mir im 21. Jahrhundert nicht wirklich klar. Es reicht schon, wenn Männer uns so nennen, um uns klein zu halten. Ein Mädel, das unmündig noch Zöpfe trägt und vielleicht mal ein wenig frech wird, worüber dann alle lachen. Gehen Mädels dann auch zum Mädels Arzt?

Nein, wir sind Frauen. Und wenn sich ein Treffen nur mit Frauen ergibt, dann halt, weil man gleiche Interessen hat. Das sollte aber die Männer nicht ausschließen. Wieso heißen dann die Männerabende nicht Jungs Abende? Und auch hier sollen Frauen nicht ausgeschlossen werden. Wieso ist das so?

Wird noch immer geglaubt, dass Männer und Frauen unterschiedliche Interessen haben? Dann sollten sie doch mal mehr Zeit miteinander verbringen, denn Fußball, Whiskey, Sex und Politik ist kein Alleinstellungsmerkmal von Männern. Oder haben Ali Can und Darius Kamadeva das noch nicht mitbekommen?

Wenn Frauen sich noch immer als Mädels bezeichnen, sollten sie ganz dringend was an ihrem Selbstwert tun. Sich zu ghettoisieren heißt nur, sich in der Männerwelt weiterhin unsichtbar zu machen. Genau das passiert auch in diesem Hotel. Und dann sind wir es auch. Unsichtbar und Männer denken, wir brauchen ihren Schutz. Was kommt als nächstes? Getrennte Abteile in Kneipen? Im Theater rechts nur Frauen, links nur Männer?

Und dann will das Hauptkonzept „Junggesellinnenabschiede“ unterstützen? Wie wäre es, die Hochzeit gleich zu verhindern. Bei dem Konzept, Frauen schützen zu müssen, sollte ihnen doch gleichweg von der Ehe abgeraten werden. Zuerst schafft man ein schlechtes Männerbild, um dann die Frauen mit Party in die Abhängigkeit von Männern zu bugsieren. Das kann man sich wirklich nicht ausdenken.

Beim schützenden Mann sind wir im puren Sexismus und zwar in einer ganz subtilen Form von Sexismus. Dieser nennt sich „Benevolenter-“ oder „Ambivalenter“ Sexismus. Die Bundeszentrale für Politische Bildung lässt uns wissen:

„Wie oben beschrieben, werden Frauen durch benevolent sexistische Zuschreibungen nicht nur als wunderbar und warmherzig, sondern ebenfalls als inkompetent und schwach charakterisiert. Neben den vorgestellten Vorteilen, die Benevolenter Sexismus für Frauen mit sich bringen kann, können negative Konsequenzen auf der Mikroebene (für Frauen als Individuen) und Makroebene (für Frauen als soziale Kategorie) unterschieden werden. Benevolenter Sexismus stellt für Frauen auf der Mikroebene ein Problem dar: Studien zeigen, dass sich bei Frauen, die Benevolentem Sexismus ausgesetzt sind, die kognitive Leistungsfähigkeit reduziert.

Das liegt daran, dass durch Benevolenten Sexismus das Stereotyp unbewusst aktiviert wird, dass Frauen weniger kompetent sind und die so hervorgerufenen Selbstzweifel den kognitiven Verarbeitungsprozess stören. Interessanterweise zeigt sich, dass Frauen in dieser Studie keinen Sexismus wahrgenommen haben, aber trotzdem in ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wurden. Das bedeutet, dass Benevolenter Sexismus auch dann (oder gerade dann) negative Effekte haben kann, wenn er nicht bewusst wahrgenommen wird.“

Und jetzt kommt noch ein Schmankerl, bei dem ich tatsächlich selbst ein Lachen nicht mehr unterdrücken konnte. Als ich nach den Namen der beiden Hotelbetreiber recherchierte, stelle sich Folgendes heraus:

Darius Kamadeva ist ein deutscher Youtuber, ein Influencer, jemand der Einfluss nehmen will. Und was schreibt er?

„Du willst herausfinden, wie du einen Mann verliebt machen kannst? Fragst dich selbst: "Wie bekomme ich ihn"? Dann bin ich der perfekte Dating Coach für dich. Ich werde dir erklären wie du einen "Mann erobern kannst. Mein Name ist Darius Kamadeva und ich möchte dir auf meinem Kanal zeigen, wie du seine Liebe bekommen kannst. Finde heraus, wie du einen Mann zurückbekommen kannst, nachdem ihr euch getrennt habt. Erhalte Dating Tipps für Frauen, zum Thema Ausstrahlung, Ex Freund zurückbekommen und zum Thema Mann verführen. Lerne ihn erobern und ihm den Kopf verdrehen.“

Über sein Frauenbild kann man nur den Kopf schütteln. Manchmal ist es besser, einen Mann nicht zurück zu bekommen. Vielleicht mag er gerne von seinen Ex-Freundinnen zurückerobert werden und hofft, entsprechend auf Frauen Einfluss zu nehmen.

Was Darius hier abliefert nennt sich im Sexismus „Mansplaning“. Mansplaining bezeichnet Erklärungen eines Mannes, der davon ausgeht, er wisse mehr über den Gesprächsgegenstand als die – meist weibliche – Person, mit der er spricht.

Wir brauchen keine separierten, sondern ermutigte Frauen.

Hier wird mal grundsätzlich das Thema Gleichberechtigung und Frauenbild mit 500 km/h in die 1950er zurückgeschossen. Und es sind junge Männer, die sich solche Frauen wünschen. Das gruselt sehr. Ich wünsche mir ganz klar nicht solche Männer. Aber ich wünsche mir Frauen, die für Mechanismen des Sexismus´ sensibilisiert werden.

Autor:

Sandra Stoffers aus Recklinghausen

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