Corona und die Wirtschaft
Ist die Wirtschaft wirklich in Gefahr?

Ein Pressespiegel im WDR5 ließ mich aufhorchen. Die Wirtschaft sei in Gefahr, so berichten einige Quellen. Wenn die Gesellschaft nicht alsbald wieder in die Normalität entlassen würde, wäre dies verheerend für die Wirtschaft. Selbst Düsseldorfs Oberbürgermeister Geisel fordert ein absehbares Ende der Einschränkungen des öffentlichen Lebens, alles für die Wirtschaft. 

Man kann natürlich alsbald wieder die Normalität leben. Aber wie lange? Und dann geht diese ganze Kontaktsperre wieder von Vorne los. Das würde der Wirtschaft noch mehr schaden zufügen. Aber von welcher Wirtschaft wird überhaupt geredet?

Es gibt nicht DIE Wirtschaft. Es gibt Solounternehmer, Künstler, Kleingewerbe, produzierendes Gewerbe, Konzerne, die Börse mit Pseudoprodukten, etc. Und es gibt den öffentlichen Bereich, die Versorgung, non-profit-Organisationen. Und man stellt fest, so ist unsere Wirtschaft gar nicht mehr aufgebaut.

Auf Tagesschau.de findet sich folgender Bericht:

„Klinik plant Kurzarbeit - trotz Corona“. (…) „Der Konzern betreibt an 14 Standorten in Deutschland Krankenhäuser, sie sei "die größte familiengeführte Klinikgruppe",

heißt es auf der Internetseite.

Wie kann das sein, fragt man sich. Gerade jetzt, wo jede einzelne Pflegekraft benötigt wird, jeder Arzt, jedes Klinikbett. Dieser Fall zeigt, wie der, von den etablierten neoliberalen Parteien geschaffene, Kapitalismus in der Gesundheit Einzug gehalten hat. Ein Privatunternehmen, welches in der öffentlichen Wahrnehmung als Familienunternehmen und somit als fürsorglich dargestellt wird, macht nichts anderes als das, was der Kapitalismus macht: Selektieren!

Selbst die Öffentlich-Rechtlichen Sendeanstalten propagierten kürzlich noch die Bertelsmann-Stiftung:

„Eine bessere Versorgung ist nur mit halb so vielen Kliniken möglich.“

Und nun haben wir Corona im Land. Die Privatisierung im Gesundheitssystem ist keine non-profit-Organisation mehr. Der Mensch steht nicht im Mittelpunkt, sondern das Kapital. Also gehören auch einige Kliniken zur Wirtschaft. Hier kann man die Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken, auch wenn an der Klinikfront der Todesvirus steppt.

Das haben wir den neoliberalen Parteien zu verdanken. Erstaunlich, dass die Menschen so schnell vergessen. Denn Forsa weiß zu berichten, dass am 26. März 2020 36% der Befragten Wählerinnen und Wähler die CDU wählen würden. Da fragt man sich, WIESO?! Zuerst schafft man die Soziale Marktwirtschaft ab, um sich dann in der Krise als Held aufzutun? Sie sind keine Helden, wie folgendes Beispiel zeigt:

Im Tagesschauticker zur Corona-Krise ist am 27.3.2020 um 09:13 Uhr zu lesen:

„VW will keine staatlichen Finanzhilfen

Volkswagen will ohne staatliche Finanzhilfen auskommen. "Aus heutiger Sicht schließe ich das aus", sagte Finanzvorstand Frank Witter der "Börsen-Zeitung". Der Konzern verfüge "über einen starken Cash-Flow und eine ordentliche Nettoliquidität". Kurzarbeitergeld hingegen wird VW in Anspruch nehmen. Wegen Lieferengpässen und einem Absatzschwund wollen die Wolfsburger dies für rund 80.000 Beschäftigte beantragen."

Nicht erwähnt wird, leider auch wieder in einer Öffentlich-Rechtlichen Quelle, die einen Bildungsauftrag hat, dass der VW-Konzern durch das Kurzarbeitergeld staatlich bei den Lohnkosten subventioniert wird. Stellen wir mal eine Rechnung auf.

Gehen wir davon aus, dass niedrig angesetzt, ein Durchschnittsnettogehalt bei 1.200 Euro liegt. So wären 60% davon 720 Euro Kurzarbeitergeld. Dies multipliziert mit den 80.000 Mitarbeitern, so liegt die staatliche Subventionierung für VW bei 57,6 Mio. Euro. Es ist eher davon auszugehen, dass die Subvention gar höher ist. Und wir reden nur von dem Geld, was der Staat den Kurzarbeitern mitgibt. Was der VW-Konzern dann unter dem Strich als Lohnkosteneinsparungen tätigt, wird noch mehr sein.

Und im letzten Jahr hieß es noch:

„Bei VW in Wolfsburg muss sich die Belegschaft auf einschneidende Maßnahmen und größere Veränderungen einstellen. Der Volkswagen-Konzern will bei seiner Kernmarke VW Pkw im Zeitraum bis 2023 zusätzlich 5000 bis 7000 Stellen streichen.“

Man könnte fast meinen, VW saniert sich mit den Modalitäten, welche die Corona-Krise mit den entsprechenden Förderungen für die Wirtschaft bereithält. Aber das sind natürlich nur Vermutungen.

DIE Wirtschaft, welche von Experten, Journalisten, etc. benannt wird, gibt es nicht. Die Beschäftigungsstruktur in Deutschland zeigt, in welchen Branchen die Menschen in Erwerbstätigkeit sind. Aber womit das Geld gemacht wird, das findet an anderer Stelle statt.

Wiki weiß:

„Die meisten arbeitenden Menschen (73,53 %) sind in Deutschland im Dienstleistungssektor beschäftigt. Wesentlich dabei sind unter anderem das Verkehrswesen, das Gastgewerbe, das Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesen, das Wohnungswesen als auch die Finanzwirtschaft. Das produzierende Gewerbe beschäftigt 24,4 % der Erwerbstätigen; Fischerei, Land- und Forstwirtschaft 2,1 % (Angaben: 2010).“

Das Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesen sollten in einer sozialen Marktwirtschaft in öffentlicher Hand sein. Nun finden wir diese Bereiche in der Wirtschaft wieder. Non-Profit-Unternehmen, die mittlerweile das Kapital im Zentrum haben, als den Menschen. Da ist schon erkennbar, dass DIE Wirtschaft mit öffentlichen Geldern subventioniert wird.

Es geht nicht mehr darum, in Lehrer und Schulen zu investieren, um aus unseren Kindern kluge Menschen zu machen. Da geht es nicht mehr darum, Patienten zu versorgen, sondern Mitarbeiter in einer Krise in Kurzarbeit schicken zu können, wie oben beschreiben. Und die sozialen Einrichtungen sind oftmals nur noch auf dem Papier sozial. Wie kann eine Einrichtung sozial sein, die Menschen unterbezahlt, Profit maximiert und Arbeitsbedingungen zulässt, die unmenschlich sind? DAS ist auch unsere Wirtschaft. Das ist unsere Wirtschaft, geschaffen durch die kapitalistisch- neoliberale Politik der etablierten Parteien.

Schaut man sich bei Wiki weiter an, wer wirtschaftlich relevant ist, so tauchen Konzerne auf, wie:

  • Volkswagen: Wollte noch im Jahr 2019 5.000 – 7.000 Stellen streichen
  • Daimler: Am 10. Februar 2020 hieß es, „Die Sparpläne des Konzernvorstands sind anscheinend umfangreicher als erwartet: Gut 15.000 Jobs sollen wegfallen.“  und nun wird auch hier die Kurzarbeit eingeläutet. Es gibt ja auch Geld vom Staat. 
  • Siemens: Mitte 2019 wurde verkündet, dass mehr als 10.000 Stellen abgebaut werden sollen. 
  • Thyssen, EON, und und und

Es ist also erkennbar, dass die Umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland nicht so unbedingt an Erwerbstätige gebunden sind. Man redete im letzten Jahr noch von Konjunktureinbrüchen. Nun will man die Mitarbeiter durch staatlich subventioniertes Kurzarbeitergeld halten? Die Wahrheit könnte jedoch woanders liegen. Die Konzerne benötigen auf Grund von Digitalisierung und Technologisierung nicht mehr unbedingt die Menge an menschlicher Arbeit, welche der Arbeitsmarkt vorsieht. Dennoch werden diese Konzerne weiterhin Gewinne einfahren und Systemrelevant bleiben.

Da wird die Notwendigkeit eines Bedingungslosen Grundeinkommens doch deutlich. Der Düsseldorfer Oberbürgermeister Geisel sagt

„Die ersten Betriebe im Gaststättengewerbe, in der Hotellerie, im Veranstaltungs- und Schaustellerbereich hätten bereits Insolvenz angemeldet.“

Dann können die Menschen, die jetzt schon durch ein Kurzarbeitergeld in eine Art Bedingungsloses Grundeinkommen gelangen, ihre Talente noch mal überdenken und vielleicht einen kleinen Laden eröffnen, eine Gastronomie. Oder man lebt seine musikalischen Fähigkeiten aus und steht auf Bühnen anstatt am Fließband.

Derzeit stehen die Menschen auf Balkonen und musizieren, weil sie Sehnsucht nach Kultur haben. Nun wird deutlich, wie wichtig Kultur, Gastronomie, Zusammensein ist. Und wenn die Großkapitalisten derzeit noch durch Senkung der Lohnkosten subventioniert werden, wäre doch die Lösung, die Menschen werden von den Betrieben befreit, erhalten ein Bedingungsloses Grundeinkommen und bereichern die Gesellschaft mit dem, was wir jetzt besonders wertschätzen. Entlassen werden diese Menschen in absehbarer Zeit sowieso.

Was also ist DIE Wirtschaft?

Autor:

Sandra Stoffers aus Recklinghausen

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